Karl Nehammer machte Zugeständnis an FPÖ von Herbert Kickl.
Sabine Hertel
"Speed kills" – das ist jetzt offenbar das Motto bei der ÖVP. Der Parteivorstand der Schwarzen hat Karl Nehammer am Dienstag einstimmig das Vertrauen ausgesprochen und zum Chef-Verhandler etwaiger Sondierungsgespräche ernannt.
"Ball liegt beim Präsidenten"
Hier steigt die Kanzler-Partei allerdings auf die Bremse, sieht Hofburg und Blaue am Zug. "Jetzt liegt der Ball beim Bundespräsidenten, wie er sich die weitere Vorgangsweise vorstellt. Aus meiner Sicht ist klar: Die stimmenstärkste Partei soll den Auftrag für Sondierungsgespräche erhalten", so VP-Obmann Karl Nehammer.
Im Hintergrund drängen die Schwarzen seit Sonntag darauf, dass Alexander Van der Bellen nun Herbert Kickl mit Sondierungen betraut. Der will sich aber auch nicht den "Schwarzen Peter" von den Schwarzen zuschieben lassen und der sein, der Kickl ausgrenzt. Van der Bellen, dies erfährt "Heute" aus gut informierten Kreisen, soll sich – sehr zum Missfallen der ÖVP – mit dem Gedanken einer offenen Sondierungsphase tragen.
Wer eine parlamentarische Mehrheit in Aussicht habe, solle dann zu ihm kommen und werde den Auftrag zur Bildung einer Regierung erhalten. Offiziell verweist die Präsidentschaftskanzlei lediglich auf eine einzige Pflicht, die der Bundespräsident habe: den neuen Nationalrat binnen 30 Tagen einzuberufen.
Bereits am Mittwoch wird die amtierende Regierung Van der Bellen ihren Rücktritt offerieren. Der Bundespräsident wird akzeptieren; Karl Nehammer & Co. aber mit der Fortführung der Amtsgeschäfte betrauen, bis eine neue Konstellation steht.
ÖVP: "Können uns Sondierung nicht verweigern"
Das kann dauern: Nachdem das Staatsoberhaupt Termine mit allen Parteichefs absolviert hat, wird wohl Wahlgewinner Herbert Kickl mit Beschnupperungs-Runden loslegen – obwohl offiziell niemand mit ihm in eine Koalition eintreten möchte. "Natürlich können wir uns diesen Gesprächen nicht verweigern", so ein VP-Funktionär gegenüber "Heute".
„Klar ist, dass die stimmenstärkste Partei den Nationalratspräsidenten stellen soll.“
Karl NehammerBundeskanzler (ÖVP)
Man will Kickl anrennen lassen – und hofft, dass die Zeit der Kanzler-Partei in die Karten spielt. Man scheut, vor der wichtigen Landtagswahl in der Steiermark am 24. November eine "Verlierer-Koalition" an den Freiheitlichen vorbei zimmern. Schon am Sonntag zeigte sich die Grüne Mark tiefblau – Ex-Minister Mario Kunasek steht hier vor dem nächsten blauen Sieg.
"Kanzlersein tief in ÖVP verankert"
Danach dürfte die ÖVP zu großzügigen Kompromissen bereit sein – auch wenn das mit Babler-SPÖ und Reform-Neos ein inhaltlicher Spagat wird: "Das Kanzleramt zu halten, ist in der DNA der ÖVP tief verankert. Sehr viel weiter wird da oft nicht gedacht", sagt ein Spitzen-Schwarzer. Derzeit stünden alle Länder und Bünde fest hinter Nehammer; Signale, besser mit den Blauen zu regieren, kommen lediglich aus der Industrie. "Eine Koalition mit SPÖ und Neos kann durchaus gelingen – es kommt sehr stark auf die handelnden Akteure und eine tragfähige Achse an."
Vor Karrieresprung: Norbert Hofer
Helmut Graf
Norbert Hofer vor Aufstieg
Ein Zugeständnis machte die ÖVP dem Wahlgewinner bereits: "Klar ist, dass die stimmenstärkste Partei den Nationalratspräsidenten stellen soll", hielt Karl Nehammer am Dienstag fest. SPÖ-Ikone Doris Bures schlug in dieselbe Kerbe. Bereits am 24. Oktober könnte die FPÖ also ein prestigeträchtiges Amt übernehmen. Mit Ex-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer hat Kickl ein allseits anerkanntes Ass im Ärmel. Hofer würde die notwendige einfache Mehrheit im Hohen Haus erhalten und Kickl den zweiten Triumph binnen eines Monats bescheren.
"Kickl wird sich staatstragend zeigen"
Polit-Beobachter gehen nicht davon aus, dass Herbert Kickl nach seinem deutlichen Sieg mit einer Person, die abgelehnt würde, provozieren möchte. Schon am Wahlabend zeigte er sich im ORF konziliant, seine Hand sei ausgestreckt, ließ er seine Polit-Kollegen wissen. Polit-Beobachter gehen davon aus, dass "er sich jetzt staatstragend zeigen wird und beweisen möchte: Die FPÖ ist bereit, Verantwortung in dieser Republik zu übernehmen". Nachsatz: "So macht er es der ÖVP noch schwerer, ihn dauerhaft als Koalitionspartner abzulehnen."
Laut "Heute"-Infos dürfte seine enge Vertraute Dagmar Belakowitsch neue Volksanwältin werden; ein zweiter Ex-Präsidentschaftskandidat, Walter Rosenkranz, ins Parlament zurückkehren. Er wäre ein möglicher Klubchef, sollte Kickl doch eine Regierung gelingen.
Kein Geschenk an die Roten ...
Offiziell kommentieren wollte das in der FPÖ am Dienstag niemand. Das Präsidium tagt am Mittwoch, da fallen die Entscheidungen. Nehammer wiederum hat am Dienstag ersten Verhandlungsspielraum aufgegeben. Der prestigeträchtige Posten des Ersten Nationalratspräsidenten wäre Verhandlungsmasse für einen Pakt mit den Roten gewesen, die Doris Bures gerne in diesem Amt sehen würden. Da die ÖVP Anspruch auf den Zweiten Präsidenten hat, bleibt der SPÖ-Ikone nur die Position als zweite Stellvertreterin. Die Schwarzen könnten Karoline Edtstadler oder Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner nominieren.
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