Notfalls mit Loser-Koalition
"Keine perverse Idee": Grüne drängen auf FPÖ-Brandmauer
Am Samstag warnte Herbert Kickl noch vor einer Brandmauer gegen die FPÖ. Die Grünen reagieren prompt – und fordern jetzt genau diese Mauer.
Die offiziellen Wahlkampfauftakte der ÖVP und FPÖ prägten das politische Geschehen am Wochenende. Karl Nehammer positionierte sich und seine Partei als "stabile Kraft der Mitte", Herbert Kickl schwor vor seinen Fans auf eine Zeitenwende nach dem 29. September. "Heute" berichtete über die Wahlkampfauftakte von ÖVP und FPÖ.
Kickl prophezeit "Mauerfall"
In seiner Rede warnte der FP-Chef seine Anhänger davor, dass die "Einheitspartei" – bestehend aus ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS – einen Pakt gegen die Freiheitlichen wolle. Es werde bereits in den Hinterzimmern dafür gepackelt, erklärte Kickl. Diese Brandmauer sei in Wahrheit eine "antidemokratische Brandmauer gegen das eigene Volk", so Kickl, der dieser Mauer dasselbe Schicksal wie jener in Berlin 1989 prophezeite – "Mauerfall am 29.9", rief er in den Saal.
Grüne warnen vor "Orbanistan"
Nur zwei Tage nach Kickls Rede gießen die Grünen jetzt Öl ins Feuer: Auf einer Pressekonferenz unter dem Namen "Österreich braucht Brandmauer gegen rechtsextreme FPÖ" feuerten Vizekanzler Werner Kogler und Justizministerin Alma Zadic scharfe Attacken gegen die Blauen ab.
Ungarn und die Slowakei würden vorzeigen, wie man die liberale Demokratie Schritt für Schritt abbaut, begann Zadic. Insbesondere Viktor Orban hätte in den letzten Jahren die Gefahren aufgezeigt, wenn rechte Politiker an die Macht kommen. "Ein Mann, der sich Orban zum Vorbild nimmt, ist Herbert Kickl".
"Sie fürchten unabhängige Justiz"
Generell hätten all diese Parteien – Fidesz in Ungarn, SMER in der Slowakei und eben die FPÖ – vieles gemeinsam: das Streben nach Macht, Freundschaft zu Russland, eine radikale Anti-EU-Haltung sowie das Umbauen der Demokratie, so Zadic.
Unter "Umbau" versteht die Politikerin das Zerschlagen von unabhängigen Medien, das Diskriminieren von Minderheiten sowie das Aushungern der Justiz. "Rechte greifen immer zuerst nach der Justiz, denn sie fürchten die unabhängige Justiz", sagte die aktuelle Justizministerin. "Kommt Kickl, kommt Orbanistan, kommt Niedergang", so das Zadic-Resümee.
„Kommt Kickl, kommt Orbanistan, kommt Niedergang“
"ÖVP und SPÖ müssen Farbe bekennen"
Danach war Vizekanzler Kogler am Wort. Nachdem er sich minutenlang auf Ungarn eingeschossen hatte ("das letzte in Europa", "Mafiastaat", "trojanisches Pferd Europas"), sprach er von einer "Richtungsentscheidung" am 29.9.
Die ÖVP und SPÖ müssten "Farbe bekennen" und sich klar von der FPÖ abgrenzen – und nicht nur von Herbert Kickl. Denn: "Was passiert, wenn Kickl weg ist? Es kommen mehr Kickls", so Kogler. Die "vernünftigen" FPÖ-Funktionäre, die die ÖVP sucht, seien noch nicht da. "ÖVP, aber auch die SPÖ sind leider beide nicht verlässlich und könnten nach der Wahl zu Türöffnern für diese Orbánistan-Pläne werden“, warnte der Grünen-Chef.
Notfall-Plan: Loser-Koalition
Der Begriff "Brandmauer" sei aus seiner Sicht der richtige Ausdruck, um andere Parteien zu adressieren. Doch was, wenn die FPÖ bei der Wahl als Erste ins Ziel kommt und somit – gemäß demokratischen Prinzipien – den Regierungsauftrag erhält? Laut Kogler heißt das noch nichts, "denn auch der Zweite, Dritte, Vierte und Fünfte können eine Regierung formen – das ist keine perverse Idee". Auch wenn es sich dabei um eine Loser-Koalition handelt, gehe es am Ende um parlamentarische Mehrheiten, betonte der Vizekanzler.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Die Grünen fordern eine Brandmauer gegen die FPÖ, nachdem FPÖ-Chef Herbert Kickl vor einer solchen Mauer gewarnt hatte
- Vizekanzler Werner Kogler und Justizministerin Alma Zadic betonten die Gefahren einer rechtsextremen Regierung und forderten ÖVP und SPÖ auf, sich klar von der FPÖ abzugrenzen, selbst wenn dies eine "Loser-Koalition" bedeuten würde