FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl im großen Heute-Interview
Sabine Hertel
"Heute": Herr Klubobmann Kickl, glauben Sie nach den verheerenden Unwettern in Niederösterreich an den Klimawandel?
Herbert Kickl: Das ist keine Glaubens-, sondern eine Wissensfrage. Niemand leugnet den Klimawandel. Die Frage ist einzig, ob die Maßnahmen in einer Relation zum Nutzen stehen.
Stehen Sie?
Ich glaube, das geht negativ aus. Das ist zu unserem Schaden. Deshalb bin ich nicht bereit, bei diesem klima-kommunistischen Projekt mitzumachen.
Video: Der komplette Kickl-Talk
Ja zu Renaturierung?
Wir alle haben ein Interesse an guten Böden, sauberer Luft und einer intakten Pflanzenwelt. Ich denke, wir werden kein Problem haben, in Österreich ein Bodenschutzgesetz auf den Weg zu bringen, wo wir uns mit Entsiegelung auseinandersetzen. Ich bin aber gegen das Modell einer zentral gelenkten Planwirtschaft, ausgehend von der Europäischen Kommission – bei deren Plänen würden ja die Sowjet-Kommunisten vor Begeisterung mit der Zunge schnalzen. Nein, wir machen das selbst.
Soll die CO2-Steuer bestehen bleiben?
Nein. Die Wahrheit ist: Österreichs Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß beträgt 0,17 Prozent. Und von diesen 0,17 Prozent entfallen 16 Prozent auf die Autofahrer. Die ÖVP lässt sich hier von Frau Gewessler wie ein Tanzbär in der Manege herumführen.
Die Österreicher leiden massiv unter der Teuerung. Die Regierung meint, die Kaufkraft blieb erhalten. Wurde Ihrer Meinung genug unternommen?
Das ist eine unglaubliche Eiseskälte – oder ein Für-Dumm-Verkaufen. Die Menschen können sich den Einkauf kaum noch leisten und haben riesige Probleme mit den Miet- und Energiekosten.
„In wenigen Jahren raus aus fossiler Energie? Weg mit dieser halsbrecherischen Rosskur.“
Herbert KicklSpitzenkandidat (FPÖ)
Was hätten Sie getan?
Auch wenn ich kein Freund davon bin: Wenn es notwendig ist, muss man in die Preisgestaltung eingreifen – mit einem Mietendeckel. Und das Zweite ist: Wir müssen Energie verbilligen. Also weg von dieser halsbrecherischen Rosskur, dass wir binnen weniger Jahre raus müssen aus fossiler Energie.
Würden Sie auch an russischem Erdgas festhalten?
Ja, es ist eine saubere und günstige Alternative.
Wir finanzieren damit allerdings Putins Angriffskrieg.
Russland bleibt auch nicht auf Gas und Öl sitzen, wenn wir es nicht nehmen – sondern verkauft es an andere Staaten wie zum Beispiel Indien.
„Sozialleistungen nur noch für österreichische Staatsbürger. Geld ist ein Pull-Faktor.“
Sie kennen den von "Heute" aufgedeckten Fall einer syrischen Großfamilie, die 4.600 € Mindestsicherung erhält. Gehört das System reformiert?
Das ist ein Systemfehler. Wir haben es mit einem System der Inländer-Diskriminierung zu tun. In der Zwischenzeit wissen wir, dass Asylantenfamilien auch wunderschöne neue Wohnungen bezogen haben, die sich Wiener nicht mehr leisten können.
Und was erhalten dann Asylwerber und subsidiär Schutzberechtigte?
Sachleistungen. Sie brauchen ein Quartier, elementare medizinische Versorgung und etwas zu essen. Das funktioniert im Übrigen auch in jeder Kaserne so. Geld ist ein Pull-Faktor.
Asylwerber, die Heimaturlaub machen …
… müssen einen Daueraufenthalt daraus machen. Ab in die Heimat, sie haben ihre Chance verwirkt.
„Jede Stimme für die FPÖ ist ein Investment in fünf gute Jahre.“
Ist eine Stimme für die FPÖ am Sonntag nicht in Wahrheit eine verlorene? Niemand will mit Ihnen koalieren.
Im Gegenteil. Es ist ein Investment in fünf gute Jahre.
Wie denken Sie würde der Bundespräsident auf einen FPÖ-Wahlsieg reagieren?
Der, der die Wahl gewinnt, soll mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Das entspricht dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen.
Das heißt: Bei Platz 1 stellen Sie den Führungsanspruch im Land?
Ja. Das ist ja nichts Unanständiges. Wenn man die Wahl gewinnt, will man eine Regierung bilden.
Und wenn Sie Zweiter werden?
Dann werde ich keinen Anspruch stellen. Es wundert mich aber, dass die Konkurrenz diesen Satz nicht über die Lippen bringt. Das zeigt, dass diese Menschen schon sehr weit weg sind von der Demokratie, die sie angeblich verinnerlicht haben.
„Mein Ziel ist es, erster freiheitlicher Regierungschef zu werden.“
Glauben Sie, dass Alexander Van der Bellen das genauso sieht wie Sie?
Er hat noch keine gegenteilige Aussage getätigt. Sie kennen den Satz: Wer schweigt, stimmt zu.
Denken Sie, dass ein freiheitlicher Erster Nationalratspräsident eine Mehrheit im Plenum erhalten würde?
Jeder in Österreich weiß, dass das bisher immer so gewesen ist. Alles andere wäre widersinnig. Die anderen Parteien sollten Farbe bekennen: Wird das von ihnen anerkannt oder denken Sie darüber nach, den Wählerwillen mit Hinterzimmer-Packeleien auszuschalten?
Interessiert Sie die Position des Ersten Nationalratspräsidenten?
Ich habe ein anderes Ziel – nämlich erster freiheitlicher Regierungschef zu werden.
Haben Sie schon einen Kandidaten im Kopf für das Nationalratspräsidium?
Nicht einen, mehrere. Und auch mehrere Geschlechter.
Mit wem würden Sie gerne in einer Koalition zusammenarbeiten?
Es braucht Stabilität, keine Experimente mit irgendwelchen filigranen Austro-Ampeln. Das heißt: Eine Zweier-Koalition. Hier muss man nach der Wahl schauen: Mit wem geht sich das aus? Und mit wem gibt es inhaltlich die größten Schnittmengen? Zuerst würde ich natürlich mit dem Zweiten sprechen.
Sie schließen Karl Nehammer nicht aus?
Ich schließe überhaupt niemanden aus. Das steht mir nicht zu.
Ist für Sie eine Zusammenarbeit mit der Babler-SPÖ vorstellbar?
Wenn ich mir die derzeitige Positionierung ansehe, ist das sehr schwer möglich. Aber ich gehe davon aus, dass die SPÖ eine Wahlniederlage erleiden wird – dann wird der große Wahlverlierer Andreas Babler auch nicht derjenige sein, der für die SPÖ spricht und entsprechende Weichenstellungen vornimmt. Dann ist es durchaus möglich, dass es auch in der Sozialdemokratie eine Abkehr von diesem links-extremistischen Kurs und eine Rückkoppelung an die Realität gibt. Vielleicht ist dann eine bessere Gesprächsbasis da.
„Es gibt ein großes Bedürfnis, dass wir im Asylbereich mit einer 'Festung Österreich' die Trendwende zusammenbringen“
Abschließend: Sie werben ja mit "5 guten Jahren" für Österreich. Was würden Sie als Kanzler als Erstes umsetzen?
Es sind drei Dinge: Es gibt ein großes Bedürfnis nach Sicherheit, also dass wir im Asylbereich mit einer "Festung Österreich" die Trendwende zusammenbringen. Das Zweite ist der ganze Bereich Gesundheit und Pflege – ein riesiges Problem. Ich glaube nicht, dass hier eine Periode ausreicht, aber es braucht eine Kraftanstrengung, dass das von der Regierungsspitze gelöst wird. Und dann natürlich, dass man von seinem erwirtschafteten Einkommen in Österreich wieder leben kann.
Sind Sie für einen Mindestlohn?
Ich denke, dass die Möglichkeit gegeben sein soll, gesetzlich einzugreifen, wenn wir in einzelnen Branchen mit den Kollektivverträgen nicht mehr mitkommen. Interessant, dass das die SPÖ immer abgelehnt hat – wo man doch angeblich so für den "kleinen Mann" ist. Aber klar: Damit verliert man die Spielwiese, auf der man sich als Gewerkschaft und Arbeiterkammer wichtig machen kann.
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