In der letzten Parlamentssitzung vor den Wahlen beschloss der Nationalrat schräge Gesetzesänderung im Bezug auf Geschlechter.
Helmut Graf
Das wohl letzte in dieser Regierungsperiode fixierte Gesetz lässt aktuell die Wogen hochgehen. Und zwar hat der Nationalrat am Mittwoch ausgerechnet über eine Änderung des Bundesgleichbehandlungsgesetzes quasi die Abschaffung von Frauen und Männern beschlossen.
Tatsächlich geht es in Artikel 11 des Bundesgleichbehandlungsgesetzes nicht mehr um die "Gleichstellung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern", sondern um die "Gleichstellung und Gleichbehandlung aufgrund des Geschlechts".
Keine "Frauen und Männer" mehr im Gesetz
Die Formulierung "von Frauen und Männern" wird also abgeschafft und durch die Wortfolge "aufgrund des Geschlechts" ersetzt.
„Der Begriff 'Geschlecht' ist im vorliegenden Gesetz umfassend zu verstehen und bezieht sich auf biologische wie soziale Dimensionen“
Änderung Bundesgleichbehandlungsgesetz
In weiterer Folge definieren die Gesetzgeber auch neu, was künftig unter "Geschlecht" zu verstehen ist. Und zwar soll ins Gesetz folgender Absatz eingefügt werden: "Geschlecht im Sinne dieses Bundesgesetzes umfasst Geschlechtsmerkmale, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechterrolle."
In den Erläuterungen zu der Gesetzesnovelle heißt es dann: "Der Begriff 'Geschlecht' ist im vorliegenden Gesetz umfassend zu verstehen und bezieht sich auf biologische wie soziale Dimensionen."
Männlich, weiblich, intersexuell
Auf die einzelnen Begriffe wird auch weiter eingegangen. So sei mit "Geschlechtsmerkmalen" die "biologische Dimension" des Geschlechts gemeint: "Von diesem Begriff sind männliche und weibliche Personen sowie solche mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich und weiblich (Intersexualität als Variante der Geschlechtsentwicklung) erfasst.
Innerlich gefühltes Geschlecht
Weiters sieht das Gesetz eine "innerlich gefühlte Geschlechtsidentität eines Menschen" - die müsse nicht seinem biologischen Geschlecht entsprechen und werde auf Basis seines Empfindens festgelegt.
Die "Geschlechterrolle" bezieht sich auf soziale Aspekte – männliche und weibliche Rollenvorstellungen – und im Kontext von Transidentität gehe es darüber hinaus um die Frage, "welche soziale Geschlechterrolle (Kleidung, Habitus, soziale Rolle u. a.) jemand unabhängig vom biologischen Geschlecht lebt".
„Völlig unbestimmte und untaugliche Gesetzesbegriffe“
Faika El-NagashiNationalratsabgeordnete (Grüne)
Vorgelegt wurde der Gesetzesentwurf von der schwarz-grünen Regierungskoalition. Neben ÖVP und Grünen stimmte auch die SPÖ dafür. Nicht so die FPÖ – der blaue freiheitliche Abgeordete Werner Herbert kritisierte, dass Änderungen im Bundesgleichbehandlungsgesetz in Bezug auf Definitionen zu Geschlechterrollen "in eine falsche Richtung" gingen".
Kritik kommt auch von der grünen Abgeordneten Faika El-Nagashi, die der Abstimmung fern blieb und auf X einen "Paradigmenwechsel in der österreichischen Frauen- und Gleichstellungspolitik" anprangerte. Die neuen Begriffe würden "den Bedarf an Diskriminierungsschutz von Frauen nicht obsolet machen". Die Gesetzesnovelle gehe daran vorbei, deswegen sei sie der Abstimmung ferngeblieben.
Es seien "völlig unbestimmte und untaugliche Gesetzesbegriffe, die keine kategoriale Fassung ermöglichen. Wir brauchen aber Kategorien für effektiven Diskriminierungsschutz", so El-Nagashi. Biologisch gebe es "zwei Geschlechter: Männer und Frauen. Rechtlich gibt es für intergeschlechtliche Menschen bereits die Möglichkeit, sich in dritter Personenstandskategorie als "divers" oder "inter" zu bezeichnen", so El-Nagashi.
„Die ÖVP unter Nehammer dreht nun völlig durch“
Herbert KicklFPÖ-Chef
Ein Wut-Posting zum Thema setzte FPÖ-Chef Herbert Kickl auf Facebook ab: "Die ÖVP unter Nehammer dreht nun völlig durch", empört er sich: "Mann und Frau wurden nun abgeschafft, die Geschlechter orientieren sich an der gefühlten Geschlechteridentität und an selbstgewählten Geschlechterrollen."
ÖVP rudert zurück
Am Tag nach dem Gesetzesbeschluss ruderte ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl zurück: "War Fehler."
Helmut Graf
Die ÖVP selbst ruderte am Donnerstag zurück. "Die Volkspartei lehnt die im Zuge der Dienstrechtsnovelle beschlossene Anpassung bei der Geschlechtsdefinition entschieden ab. Die ursprüngliche Geschlechts-Definition wäre vollkommen ausreichend gewesen, eine Änderung der Rechtslage war unnötig.", so ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl in einer Aussendung. Und weiter: "Leider ist mit der Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes im Verlauf des gestrigen letzten Sitzungstages des Nationalrates vor der Wahl eine Bestimmung mitbeschlossen worden, die wir entschieden ablehnen."
„Leider ist mit der Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes eine Bestimmung mitbeschlossen worden, die wir entschieden ablehnen“
Wolfgang GerstlÖVP-Verfassungssprecher
Bei nächster Gelegenheit wolle man "den Fehler betreffend Geschlechtsdefinition reparieren", betont die ÖVP. Insgesamt sei die Dienstrechtsnovelle aber ein "hervorragendes Gesamtpaket". Schon die ÖVP-Abgeordnete Romana Deckenbacher, die den Abänderungsantrag einbrachte, hatte darauf verwiesen, "dass im Bundesgleichbehandlungsgesetz ein Passus enthalten sei, den ihre Fraktion nicht unterstütze, es jedoch Kompromisse gebraucht habe, um dieses 'umfassende Paket' umsetzen zu können".
Zustimmung nur zu einzelnen Teilen des Gesetzespakets war nicht möglich. Deshalb hatte auch El-Nagashi an der Abstimmung insgesamt nicht teilgenommen.
Die Geschlechterdiskussion wird uns jedenfalls auch in der kommenden Parlamentsperiode beschäftigen. Die ÖVP hätte das Thema gern gleich in der konstituierenden Sitzung des neuen Nationalrats auf der Agenda.
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