"Inspector Schmidt - The Ebbing" entführt Spieler nach dem Vorgänger "A Bavarian Tale" in das Deutschland des Jahres 1870, genauer gesagt in die malerische Küstenstadt Havstedt an der Nordsee. Das ab sofort erhältliche PC-Detektiv-Rollenspiel (Steam) bietet eine spannende Geschichte voller Intrigen und Geheimnisse. Nach dem überwältigenden Lob für den Vorgänger war der Hype im Vorfeld riesig – und die Macher der Active Fungus Studios haben zum Glück erneut abliefern können. Und wie! Das Spiel lässt sich primär den Genres Adventure und Rollenspiel zuordnen, bietet aber auch viele Mystery- und dieses Mal sogar Horror-Elemente.
Mit einem deutschen Entwickler und dem Einsatz lokaler Sprecher für norddeutsche Dialekte ist bereits für jede Menge Authentizität gesorgt. Die Handlung des Games beginnt damit, dass der junge Beamte Valentin Schmidt seinen wohlverdienten Urlaub in der Küstenstadt Havstedt verbringen möchte. Seine Pläne werden aber durch den Mord an Bente Hansen unterbrochen. Schnell gerät er in ein dichtes Netz aus Intrigen, Lügen und Geheimnissen, während er versucht, den mysteriösen Fall aufzuklären. Ohne zu viel zu verraten: Unheimliche Telegrafensignale, seltsame Symbole und eine Gefahr, die im Moor lauert, verstärken die mysteriöse Atmosphäre.
Das narrative Design zeichnet sich durch einen verzweigten Handlungsstrang mit mehreren Enden aus, die von den Entscheidungen des Spielers beeinflusst werden können. Die Geschichte wird dynamisch erzählt und legt Wert auf Dialoge und skurrile Charaktere. Der historische Kontext des 19. Jahrhunderts in Norddeutschland, einer Zeit bedeutender sozialer und technologischer Umbrüche, darunter die Inbetriebnahme des ersten transatlantischen Telegrafenkabels, die Industrialisierung und der drohende Deutsch-Französische Krieg, bildet einen wichtigen, aber nicht immer ganz bierernst genommenen Hintergrund für die Ereignisse.
Unser Protagonist Schmidt wird als junger Beamter eingeführt, der auf exzentrische NPCs trifft, während er die dunklen Geheimnisse der Stadtbewohner in Gesprächen und beim Untersuchen von Schauplätzen aufdeckt. Die eigentliche Detektivarbeit ist aber eingeschränkt, es geht nicht so sehr um das selbstständige Kombinieren, sondern fast ausschließlich um das Finden von bestimmten Plätzen und Gegenständen oder das Durchlaufen von Befragungen und Hinweisen in Dialogen. Die Motivation wird allerdings dennoch hochgehalten, einerseits durch witzige Geschehnisse und Dialoge, andererseits durch die Aussicht auf mehrere Enden des Spiels.
Das Gameplay ist stark auf Ermittlungen ausgerichtet und legt den Fokus auf Dialoge, die über eine spezifische Gesprächsmechanik geführt werden. Spieler müssen zudem in einer Vielzahl von Rätseln ihr logisches Denkvermögen unter Beweis stellen, darunter Logik-, visuelle, Such-, Kombinations- und Zahlenrätsel. Ergänzt werden diese durch Rollenspielelemente wie Charakterentwicklung und Fertigkeitsüberprüfungen, die im Stil klassischer Pen-and-Paper-Rollenspiele mit Würfelwürfen durchgeführt werden. Außerdem können durch das Sammeln von Ressourcen Gegenstände herzustellen, was aber nur einen Nebenschauplatz darstellt.
Wichtiger sind dagegen die überarbeiteten Stealth-Mechaniken, die es erfordern, in verbotenen Bereichen unentdeckt zu bleiben und die Gefahren des Moores zu überwinden. Die Spielwelt präsentiert sich als offene Umgebung in der Küstenstadt Havstedt des Jahres 1870, die frei erkundet werden kann, um nach Hinweisen zu suchen. Ein spezieller "Detektivmodus" hilft dabei, verborgene Beweise aufzuspüren. All das Beschriebene spielt sich ähnlich einem "Assassin's Creed", bleibt aber deutlicher an der Oberfläche und wird kaum komplexer. Spaß macht es allerdings trotzdem, die Welt zu erkunden und sich auch mal ordentlich zu gruseln.
Die Perspektive des Spiels ist primär die Ego-Ansicht. Die Grafik in Echtzeit-3D mit der Unreal Engine zielt auf einen realistischen Stil ab, muss aber deutliche Abstriche machen, was die Details angeht – kein Theme bei einem solch kleinen Studio. Die Spielwelt ist eine Küstenstadt des Jahres 1870, die mit vielen Gebäuden, abwechslungsreichen Umgebungen wie Wäldern und Küsten, und schön umgesetzten Figuren auffällt. Im Bereich Soundeffekte gibt es eine wunderbare Hintergrundkulisse und toll vertonte Dialoge mit authentischen, norddeutschen Dialekten. Auf Wunsch erfolgt die Sprachausgabe auch auf Englisch mit deutschen Untertiteln.
Das Spiel bietet verschiedene Spielmodi, die quasi als wählbarer Schwierigkeitsgrad fungieren: Im Story-Modus gibt es Hilfestellungen im Questlog und vereinfachte Fertigkeitsprüfungen, im Detektiv-Modus dagegen weniger Hinweisen für ein anspruchsvolleres Erlebnis. Zudem kann der Schwierigkeitsgrad der Stealth-Passagen angepasst werden, ebenso wie die Prüfungen der Fertigkeiten vereinfacht oder sogar deaktiviert werden können. All das ermöglicht es, dass sowohl Ermittler-Anfänger als auch -Profis sich ihre Herausforderung in "Inspector Schmidt - The Ebbing" selbst zusammenstellen können, um genau den richtigen Härtegrad zu treffen.
Technisch muss aber auch noch mehr Lob ausgesprochen werden, auch wenn einiges noch auf der To-Do-Liste der Entwickler steht. So soll das Game über die kommenden Monate auch das Steamdeck unterstützen, statt mit Maus und Tastatur auch mit Controller gezockt werden können und Portierungen für die PlayStation 5 und die Xbox Series X|S bekommen. Außerdem sei auch ein Upgrade auf die Unreal Engine 5.5 in Vorbereitung, heißt es in der Roadmap. Was getan werden müsste, wäre auch ein kleines Performance-Upgrade, denn wenngleich die Hardware stark genug ist, kommt es immer wieder zu kleinen Rucklern während des Spielens.
Hardware-hungrig ist das Spiel indes nicht unbedingt. Mindestens sollen es Windows 10, ein AMD 1600X oder Intel i5 3rd Gen Prozessor, acht Gigabyte (GB) Arbeitsspeicher, eine Radeon RX 590 oder GeForce GTX 1660 Grafikkarte und 20 GB freier Speicherplatz sein. Empfohlen werden wiederum ein AMD 3600X oder Intel i7 6th Gen Prozessor, 16 GB Arbeitsspeicher und eine Radeon 5700 XT oder GeForce 2070 Super Grafikkarte. Heißt: Das Game sollte in den meisten Fällen selbst auf Laptops äußerst problemlos laufen.
"Inspector Schmidt - The Ebbing" präsentiert sich als ein wunderbares Indie-Detektiv-RPG, das in einem unverbrauchten, historischen Setting angesiedelt ist. Die Kombination aus vielen abwechslungsreichen Rätseln, einer verzweigten und dynamischen Geschichte sowie Rollenspielelementen bietet ein fesselndes Spielerlebnis. Die Darstellung der norddeutschen Küstenregion im Jahr 1870, unterstützt durch einen halbwegs realistischen Grafikstil und lokale Sprachausgabe, trägt zur immersiven Atmosphäre bei. Kleinere Schwächen zeigen sich bei der Detektivarbeit, die zum größten Teil aus absolvierten Dialogen und gefundenen Orten besteht.
Dennoch empfiehlt sich "Inspector Schmidt - The Ebbing" für alle Spieler, die narrative Detektivspiele mit historischem Hintergrund und anspruchsvollen Rätseln schätzen. Die gelungene Mischung aus Adventure- und RPG-Elementen sowie die atmosphärische Präsentation machen das Spiel zu einem interessanten Titel für Genrefans. Für alle Interessierten, die noch immer unsicher sind: Mit "Inspector Schmidt - The Ebbing - Prolog" gibt es auf Steam eine kostenlose Möglichkeit, einen begrenzten Teil des Titels einfach auszuprobieren. Die Vollversion gibt es im Einführungsangebot bis zum 14. April um 18 Euro.