Spiele-Test
"No Rest for the Wicked" – "Diablo" trifft "Dark Souls"
Seit kurzer Zeit befindet sich "No Rest for the Wicked" der "Ori"-Macher im Early Access. Und dort macht das Action-Game eine hervorragende Figur.
Die Wiener Spiele-Schmiede Moon Studios haut einen nach dem anderen Videospiel-Hit raus. Anders als die beiden bereits erschienenen "Ori"-Games ist "No Rest for the Wicked", das nun im Early Access für PC auf Steam erschien, aber ein knallhartes Action-Rollenspiel, das optisch an "Diablo" und spielerisch an "Dark Souls" erinnert. Im Early Access wird zwar weiter fleißig am noch "unfertigen" Game gewerkelt, es macht aber bereits in dieser Phase einen fantastischen Eindruck. "Ori"-Zocker seien aber gewarnt, denn nicht nur ist der Inhalt von "No Rest for the Wicked" äußerst düster, auch spielt sich das Action-RPG knallhart und verzeiht keine Fehler.
Um es gleich vorwegzunehmen: Am Ende der Early-Access-Phase, das bisher noch nicht feststeht, wird das Game wohl etwas anders aussehen als jetzt. Die Macher kündigen nämlich für das finale Game unter anderem einen 4-Spieler-Koop, PvP-Kämpfe, erweiterte Story-Inhalte und Kapitel, zusätzliche Kartenregionen, Farming, mehr Items wie Waffen, Rüstungen, seltene Gegenstände und Ausrüstung sowie neue Gegner und Bosse an. In der aktuellen Form gibt es bereits ein langes erstes Kapitel der Story-Kampagne, optionale Quests, einige Boss-Kämpfe und jede Menge Ausrüstung zur Verfügung. Zudem gibts bereits ein wiederspielbares Dungeon.
Vom heiligen Krieger zum fast wehrlosen Schiffbrüchigen
Doch worum geht es überhaupt? "No Rest for the Wicked" spielt im Jahr 841, in dem die Nachricht vom Tod König Harols das Land erschüttert. Was seinem Sohn Magnus an Erfahrung fehlt, gleicht Harols Nachfolger durch seine Arroganz wieder aus – in einer Zeit, in der die seiit tausend Jahren schlummernde Pestilenz wieder ins Königreich zurückkehrt. Was von der Seuche berührt wird, verdirbt, egal ob Natur oder Menschen. Darin wiederum ortet die Kirchen-Anhängerin Madrigal Seline ihre große Chance, ihren Glauben auf die Probe zu stellen. Es entwickelt sich ein Machtkampf zwischen Königreich, Kirche, Rebellen sowie Splittergruppen.
Spielerinnen und Spieler schlüpfen in dem von Krankheit und Zerstörung gebeutelten Land in die Rolle eines heiligen Kriegers, zur damaligen Zeit als sogenannte Cerim bekannt. Sie haben einen Eid geschworen, die Pestilenz mit allen Mitteln zu bekämpfen – und haben durch diese Lebensaufgabe übermenschliche Kräfte und Fähigkeiten entwickelt. Doch bis man all das erfährt, vergehen einige Spielstunden, denn zum Start erkundet man erst kurz und ohne Vorwissen ein Schiff, das auf die verfluchten Lande zusteuert. Und bevor man sich versieht, wird das Schiff attackiert und wir finden uns schiffbrüchig an einem düsteren Strand wieder.
Attacken und Mechaniken erinnern an "Dark Souls"
Anders als in einem "Dark Souls", zu dem "No Rest for the Wicked" spielerische Parallelen aufweist, geizt der Titel der Moon Studios aber nicht mit einem anständigen Tutorial, das eigentlich die erste Mission des Spiels darstellt. Hier lernen wir, mit NPCs zu kommunizieren, nach Schätzen und Ausrüstung zu suchen und verschiedene Attacken einzusetzen. Gespielt wird dabei jedoch in Top-Down-Grafik, die an "Diablo" erinnert. Später kann man sich "Souls"-traditionell mächtig aufwerten und mit starken Waffen und Rüstungen versorgen, anfangs aber muss alles zum Schutz herhalten, was herumliegt, Looting ist ein sehr essenzieller Bestandteil.
Eine Besonderheit ist die Ausdauer-Anzeige, die unsere Figur bei jeder Aktion abseits des normalen Herumgehens – also Attacken, Dashs, Paraden und Rollen – verbraucht. Sie wird über eine kleine Kreis-Anzeige über unserem Charakter eingeblendet und leert sich dort sichtbar, wie wir es aus den neuen "The Legend of Zelda"-Abenteuern kennen. Eher statisch zeigen sich anfangs die schwachen Gegner – allerdings reicht oft schon eine einzige Attacke aus, um uns in Jenseits zu schicken. Da fällt es leichter, die "Souls"-artigen Bewegungsmuster zu üben, etwa ein ganz schwerer Überraschungsangriff von hinten oder das perfekte Parieren.
Nicht ganz so brutal, aber dennoch extrem herausfordernd
Generell kommt das bekannte Kampfgeschehen zum Einsatz: Wir weichen gegnerischen Attacken aus und warten auf eine Schwachstelle in der feindlichen Deckung, bevor wir unsererseits zuschlagen. Jeder Feind verfügt dabei über ganz eigenes Timing und individuelle Bewegungsabläufe. Bei all den "Souls"-Anleihen verwundert allerdings, dass der Spieltod unseres Charakters nicht ganz so dramatische Folgen hat. So nimmt beim nächsten Anlauf die Haltbarkeit unserer Ausrüstung um einige Punkte ab und muss schneller repariert oder ausgetauscht werden, Spielwährung, Erfahrungspunkte und Beute sind aber abgesichert.
Dennoch kann nicht einfach im Serien-Takt gestorben werden, denn zwangsläufig übersieht man die Haltbarkeit der Ausrüstung – geht sie kaputt, kann sie nicht mehr wiederhergestellt werden. Außerdem sind getötete Feinde nach dem Spieltod nicht sofort wieder am Leben, sondern oft erst, nachdem ein Areal oder Kapitel abgeschlossen wurde. Echte Hardcore-Spieler müssen sich aber keine Sorgen machen, dass "No Rest for the Wicked" zu leicht ausfallen könnte, denn sterben wird man anfangs auch öfters bei den vielen Standard-Feinden und die bisherigen Bosse sind dann so herausfordernd, dass es nicht ohne mehrmalige Versuche geht.
Viel Bewegungsfreiheit, teils aber auf Kosten der Übersicht
Das Spiel führt uns abseits des Kampfes in verschiedene Umgebungen und Städte, in denen wir an Werkbänken an unserer Ausrüstung herumschrauben und nebenher überraschend viele und unterhaltsame Gespräche mit NPCs führen dürfen. Ebenso innovativ: Es gibt auch eine Art Bau-Mechanik, mit der wir die Städte erweitern können, um neue Funktionen wie das Herstellen von Items freizuschalten. Das nimmt natürlich keine "Sim City"-Ausmaße an, ist aber eine schöne Abwechslung zu ähnlichen Spielen. Ebenfalls einzigartig: Trotz Top-Down-Sicht dürfen wir die Levels ausgiebig auch in die Höhe und Tiefe untersuchen, ohne sonderlich begrenzt zu sein.
Stehen Mauern und Hügel herum oder tun sich vor uns Höhlen und Abgründe auf, sperrt uns das Spiel zu großen Teilen weder vom Betreten aus, noch stößt es uns mit der Nase darauf, auf welchem Weg wir die versteckten Areale betreten können. Der Wiederspielwert steigt dadurch immens und die Motivationen, jeden Zentimeter der Spielwelt zu durchsuchen, ist hoch. Nicht ganz so gut sieht es da mit der Übersicht aus, denn "No Rest for the Wicked" hat zwar eine Mini-Map und Quest-Marker – wenig Hinweise gibt es aber auf den genauen Ort, wenn man sich in einer Umgebung mit mehreren Ebenen bewegt. Und etwas Grind ist auch noch nötig.
Schon jetzt gibt es nur sehr wenige Kritikpunkte
Die Entwickler versuchten zwar, Spieler mühsames und langes Materialien-Sammeln so gut es geht zu ersparen, besonders in den extrem anspruchsvollen Bosskämpfen sind aber die Heil-Tränke schneller verdampft als eine Schneeflocke in der Wüste. Entsprechend müssen die Zutaten für die Tränke erst wieder eingesammelt und neue Heil-Items hergestellt werden, denn ohne hat man meist keinerlei Chance gegen die Widersacher. Das war es dann aber auch bereits mit den Kritikpunkten – bemerkenswert, wie gut ein Game sein kann, obwohl es erst im Early Access ist und der Großteil der Inhalte gerade erst von den Machern bearbeitet wird.
Optisch macht das Game einiges her und die Bosskämpfe sind das absolute Highlight des Action-Rollenspiels, aber auch die gezeichneten Zwischensequenzen und die hervorragende Vertonung überzeugen. Flüssig läuft das Game ebenfalls – allerdings braucht es dazu die entsprechend starke Hardware. Als Minimalanforderungen werden ein Intel Core i5-8400 oder AMD Ryzen 5 2600 sowie 16 GB RAM und eine Nvidia GeForce GTX 970 oder AMD Radeon RX Vega 56 genannt. Ideal sollten es ein Intel Core i7-11700K oder AMD Ryzen 7 5800X mit 16 GB RAM, SSD-Speicher sowie eine Nvidia GeForce RTX 2060 oder AMD Radeon RX 5600 XT sein.
"No Rest for the Wicked" – "Diablo" trifft "Dark Souls"
Mit "No Rest for the Wicked" wollen die Macher nach eigenen Angaben das Genre des Action-Rollenspiels neu erfinden. Zumindest im Early Access geschieht das nicht, was aber an eigenen Ideen und bekannten Mechaniken gemixt wurde, macht wahnsinnig viel Spaß. Zumindest, wenn man auf knallharte Games steht, denn es handelt sich nicht um einen "Diablo"-Ableger für Fans, sondern um ein Spiel mit einem fast wahnsinnig hohen Schwierigkeitsgrad. Das wird Spieler von "Soulslikes" freuen, Gelegenheitszocker könnten sich daran allerdings die Zähne ausbeißen. Wie meist in diesem speziellen Genre liegen Liebe und Frust ganz nah beieinander.
Die Moon Studios haben indes alles richtig gemacht. "No Rest for the Wicked" überzeugt bereits im Early Access fast vollkommen und seit dem Start dieser Phase wurden bereits viele Verbesserungen und Neuerungen eingearbeitet. Zudem gefällt die Gestaltung der Spielwelt mit ihren vielen Geheimnissen, die Handlung macht im Auftaktkapitel einen spannenden Eindruck und die Kämpfe sind zwar knallhart, aber meist fair und mit dem Willen, besser zu werden, auch bewältigbar. Wer eine Herausforderung à la "Dark Souls" aus einer neuen Perspektive sucht und wem "Diablo" zu leicht war, der oder die ist bei "No Rest for the Wicked" bereits jetzt goldrichtig.