"Heute"-Interview
Prödl: "Arnautovic muss dankbar sein, dass er mit ist"
Sebastian Prödl war im ÖFB-Team ein Abwehrturm, als EM-Experte für ServusTV ist er offensiv. Im "Heute"-Talk spricht er über Rangnick und Alaba-Ärger.
Sebastian Prödl machte 74 Länderspiele, verteidigte in Deutschland und England auf Top-Niveau. Für ServusTV analysiert der 36-jährige Ex-Innenverteidiger offensiv die Fußball-EM in Deutschland und vergibt Zeugnisse an die ÖFB-Stars. "Es kribbelt schon", sagt er im "Heute"-Interview. "Ich möchte nicht mehr Fußballprofi sein. Wenn ich das Stadion jetzt als TV-Experte betrete, kommt das Gefühl wieder zurück."
"Heute": Unterschätzt Österreich noch wer bei dieser EM?
Sebastian Prödl: "Nein, diese Zeiten sind vorbei. Obwohl, die Franzosen werden es mit ihrer Mentalität weiter tun. Sie haben diese positive Arroganz, die führte auch schon zu Problemen. Darauf hoffe und baue ich. Holland und Polen haben sich nicht Österreich gewünscht. Die Holländer sind nicht besser als wir, aber turniererfahrener. Polen ist der Underdog und ekelhaft zu spielen."
"Heute" im Talk mit ÖFB-Star Marko Arnautovic über die EURO
„Ohne Schlager bröckelt das beste Mittelfeld Europas“
Wie gut sind wir?
"Wir haben das beste Nationalteam, das wir je hatten. Es gab auch früher große Spieler, aber nicht in dieser Anzahl bei diesen Topvereinen. Wir haben uns zuletzt ständig weiterentwickelt. Trotzdem schwappt die Euphorie nicht über, was die Fallhöhe verringert. Das liegt an den prominenten Ausfällen und der schwierigen Gruppe. Frankreich ist der Topfavorit, Holland ein Geheimfavorit."
Sie sprachen die Ausfälle an: Wer fehlt am meisten?
"Schlager, Seiwald, Sabitzer, Laimer – das ist für mich aktuell das beste Mittelfeld Europas. Ohne Schlager bröckelt das. Seiwald ist ein bissl ein Bauchwehkind. Er hat nicht so viel gespielt in Leipzig und nicht den Schritt gemacht, den ihm alle zugetraut haben. Doch unter Rangnick hat er immer performt und sich nie was zu schulden kommen lassen. Er ist ein Putzerfisch, hält das Aquarium sauber. Er passt genau ins System. Darum vertraut ihm Rangnick."
„Alaba war zu 99 Prozent der Beste, außer er hatte einen Disput mit Koller“
Und Alaba?
"Er ist der Gewinner-Typ. Und er absorbiert Druck. Es ist gut, dass er bei der EM mit ist. Ich habe David mit 16 Jahren kennengelernt. Er wollte in jedem Training der Beste sein. Zu 99 Prozent war er es auch, außer er hatte einen Disput mit Teamchef Koller. Was Rangnick einfordert, gewinnen wollen, das verkörpert Alaba."
Was hat Rangnick eigentlich verändert?
"Foda stand für Anpassung. Er war extrem erfolgsorientiert, passte das System flexibel an die Gegner an. Der ÖFB wusste, was er mit Foda bekam. Foda hatte einen Umbruch zu meistern und war erfolgreich. Für den neutralen Zuseher war es schwerer, eine Identität zu erkennen. Unter Rangnick ist das anders. Er zieht sein System voll durch. Das erkennt der Fan sofort."
Was macht er in der Arbeit mit den Spielern anders?
"Ich war öfter beim Training dabei. Er holt die Spieler komplett in den Mittelpunkt. Nach dem Motto: Die Bühne gehört euch. Ich begleite euch, vertraue euch, aber ihr müsst liefern – das ist der Kompromiss. Es gibt nur 100 Prozent. Damit hat er das österreichische Selbstverständnis verändert. Nach dem 1:1 gegen Frankreich im Test war er so sauer, weil nicht alle 100 Prozent daran geglaubt haben. Abseits des Platzes heißt es unter Rangnick: Leinen los! Da ist jeder frei und hat sich viel verändert."
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„Marko ist nicht so der Rangnick-Spieler“
Überrascht, dass er Österreich den Bayern vorzog?
"Es hat jeden überrascht, dass er geblieben ist. Er hat mir erzählt, dass er sich nach dem ÖFB-Cup-Finale eine Stunde hingesetzt hat und so tat, als ob er Bayern-Trainer wäre. Das Bauchgefühl hat sich dann nach Österreich angefühlt. Rangnick hat die Qualität, dass er Dinge zu Ende bringen will. Überall, wo er angetreten ist, baute er etwas auf. Überall reden die Leute davon."
Wie wichtig wird Arnautovic?
"Marko ist eine spannende Personalie. Er muss dankbar sein, dass er unter Rangnick noch dabei ist. Diese Aussage wird ihm nicht gefallen. Er ist intelligent genug, zu wissen, dass mit Rangnick seine ÖFB-Karriere aus sein hätte können."
Warum?
"Marko ist nicht so der Rangnick-Spieler. Er hat seine Qualitäten verändert – vom Außenstürmer zum Mittelstürmer, weil er die Wege nicht mehr machen kann. Er wird sagen, er kann das noch."
Trotzdem ist er dabei.
"Und das ist auch richtig. Ob er Stammspieler sein wird, bezweifle ich. Marko bringt diesem Team aber den Käfig-Effekt, das Unberechenbare. Das brauchst du im System. Er bindet zwei Spieler, findet Lösungen. Er bricht beim Gegner etwas auf. Marko braucht die Scheinwerfer, dann zündet er und kann jedem wehtun. Gegen die Franzosen tut es bei einem knappen Ergebnis gut, wenn er zum Schluss aufräumt. Gegen Polen hat er berechtigte Chancen, um den Verteidigern von Anfang an weh zu tun und sie müde zu machen. Die größte Waffe in der Offensive ist aber Baumgartner."
Er schoss fünf Tore in fünf Spielen zuletzt.
"Er spielt, wie wenn er 1,90 m groß wäre und 100 Kilo hätte. Ein Bulle vor dem Herren, der technisch top ist. Er geht in jeden Zweikampf, der wehtut. Er ist richtig giftig – und er hat alles: Dynamik und Technik."
Auf den Punkt gebracht
- Sebastian Prödl, ehemaliger österreichischer Fußballspieler, analysiert die Fußball-EM und gibt Zeugnisse an die ÖFB-Stars
- Er betont, dass Österreich das beste Nationalteam habe und spricht über die Ausfälle von wichtigen Spielern
- Prödl äußert sich auch kritisch über Marko Arnautovic und dessen Rolle im Team unter Trainer Ralf Rangnick
- Trotzdem betont er Arnautovics Bedeutung für das Team