Heimischer Medaillen-Held

"Ich trainiere härter als Hirscher in Glanzzeit"

Thomas Frühwirth ist Sportler des Jahres und seit 20 Jahren gelähmt. In "Heute" spricht er über die Hoffnung auf Heilung, Sex, Inkontinenz und mehr.

Martin Huber
"Ich trainiere härter als Hirscher in Glanzzeit"
Frühwirth: "Ich trainiere härter als Hirscher."
GEPA

"Im Sommer nicht wie eine Schildkröte aus dem Meer zu krabbeln zu müssen und dann drei Kilo Sand am Körper picken zu haben – das wäre super. Auch auf die lästige Inkontinenz könnte ich verzichten. Und natürlich vermisse ich eine Bergtour mit Freunden."

Thomas Frühwirth ist Österreichs Sportler des Jahres. Seit 20 Jahren ist er ab dem Nabel abwärts gelähmt.

Vor dem "Heute"-Interview hat der 43-jährige Steirer die Winterreifen an seinem Auto selbst gewechselt. "Früher habe ich das in einer halben Stunde gemacht, jetzt brauche ich halt eineinhalb Stunden dafür. Ich kann fast alles selbst machen."

Thomas Frühwirth in Action

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    Thomas Frühwirth, geboren 1981, erlitt mit 23 Jahren nach einem Motorradunfall in Polen eine Querschnittslähmung. Wenige Jahre später begann seine Karriere als Para-Athlet.
    Thomas Frühwirth, geboren 1981, erlitt mit 23 Jahren nach einem Motorradunfall in Polen eine Querschnittslähmung. Wenige Jahre später begann seine Karriere als Para-Athlet.
    privat/Thomas Frühwirth

    "Der Geist steuert den Rest"

    Bei den Paralympics in Paris holte der Handbiker zwei Silbermedaillen – und begeisterte viele Sportfans vor dem Fernseher mit seiner offenen Art. Nur 2,7 Sekunden fehlten ihm auf Gold.

    Dabei legte ihn zwei Wochen vor dem Saison-Höhepunkt das Coronavirus flach. "Ich bin im Rennen hinten raus fast gestorben. Es war eine mentale Meisterleistung. Mein Zugang war die radikale Akzeptanz. Nach dem Motto: Alles wird gut."

    Wenn man mit Thomas Frühwirth spricht, wird rasch klar, dass er zu jenen Sportlern zählt, die am Geist ebenso gewissenhaft feilen wie an ihrer Ausdauer und Maximalkraft.

    "Der Geist steuert den Rest", sagt er. "Nur ich bin derjenige, der etwas an meinem Leben ändern kann." Sein erster Satz beim Zähneputzen jeden Tag in der Früh: "Ich liebe mich und mein Leben."

    Ich war ein Trottel. Mir fehlte der Mut
    Thomas Frühwirth

    Frühwirth hat nicht immer so gelebt. "Ich war ein Trottel. Mir fehlte der Mut, meinen Weg zu gehen. Ich hätte in der Jugend einen gebraucht, der mich bei den Ohren zieht."

    Mit sieben Jahren fuhr er in den Hügeln der Südoststeiermark bereits Moped, in der Jugend dreht sich viel um Alkohol und Raufereien. "Bis ich mich nicht mehr gespürt habe."

    Frühwirth ist 23 Jahre jung, als er mit seiner Maschine bei einer sechswöchigen Europa-Reise zwischen Krakau und Warschau zu Sturz kommt. "Es war unspektakulär. Als ich am Boden schlitterte, ärgerte ich mich und dachte mir: Das hätte jetzt aber nicht sein müssen."

    Mit nur fünf km/h prallt der leidenschaftliche Motorradfahrer gegen die Mittelleitschiene. Es macht einen Knacks, sein Lendenwirbel zersplittert: "Die Füße brannten", erinnert er sich. Seit diesem Tag ist Frühwirth ab dem ersten Lendenwirbel gelähmt, sitzt im Rollstuhl.

    In seinem neuen Buch "Zum Leben Danke sagen" (Verlag edition a) erzählt er seine Lebensgeschichte und gibt Tipps für Wege aus der Krise.

    Thomas Frühwirth: Zum Leben Danke sagen - Wie auch Du in jeder Krise gewinnst, edition a, 24 Euro
    Thomas Frühwirth: Zum Leben Danke sagen - Wie auch Du in jeder Krise gewinnst, edition a, 24 Euro
    edition a
    Mir war sofort klar: Ich versauere nicht in irgendeiner Ecke
    Thomas Frühwirth

    "Warum ich? Das habe ich mich nie gefragt", erzählt er "Heute". "Meine große Liebe, das Motorradfahren war weg, der Traum von der Rallye Dakar geplatzt. Hadern und nachtrauern bringt aber nichts. Mir war sofort klar: Ich versauere nicht in irgendeiner Ecke. Glück hängt nicht davon ab, gehen zu können. Der Sport lehrte mir: Egal, was passiert – mache das Beste daraus."

    Bereits in der Reha beginnt er mit Monoski und Tennis, fährt mit dem Quad im Wald. "Die wichtigste Gabe ist es, Veränderungen zu akzeptieren. Nimm es an, du kann es nicht ändern."

    Nach einer kurzen Nachdenkpause sagt er: "Für viele bin ich immer noch ein Spinner, weil ich meinen Kopf trainiere. Es gibt Hunderte Bücher und Wege, das zu tun. Eigentlich sollte im Kindergarten damit begonnen werden."

    Jammern ist Sabotage an mir und meiner Umwelt
    Thomas Frühwirth

    Die Härte zu sich selbst hilft Frühwirth nach dem Unfall am Weg in ein neues Leben. Disziplin ist für ihn der "Königsweg zum Glücklichsein". "Nur wer diszipliniert ist, ist wirklich frei."

    Jammern ist für Frühwirth "Sabotage an mir und an meiner Umwelt. Es hilft wirklich keinem weiter." Nachsatz: "Ich gönne mir Selbstmitleid – aber nur für eine Sekunde lang."

    Viele Spitzensportler spielen Sport, nur wenige reizen es aus
    Thomas Frühwirth

    Frühwirth blickt auf die beste Saison seiner Karriere zurück. Wenige Wochen nach den Paralympics kürte er sich in Zürich zum Weltmeister im Einzelzeitfahren.

    Seine neue Mission: Olympia 2028 in Los Angeles. "Ich trainiere härter als Hirscher in seiner Glanzzeit", ist er überzeugt. "Ich habe viel am Olympiastützpunkt Salzburg geschuftet. Viele Spitzensportler spielen Sport, nur wenige reizen es wirklich aus. Ich gehöre zu diesem kleinen Kreis."

    Thomas Frühwirth (r.) als Sportler des Jahres mit Para-Legende Thomas Geierspichler
    Thomas Frühwirth (r.) als Sportler des Jahres mit Para-Legende Thomas Geierspichler
    GEPA

    Hoffen auf Heilung

    Es gibt auch diese Tage, wo er auf Heilung hofft. "Ich würde das Geschenk gerne annehmen. Ich habe aber keine Lust darauf, im Wohnzimmer zu warten."

    Frühwirts Weg zum Glück hat auch Schattenseiten. Was links und rechts von ihm passiert, liegt in diesem Schatten. "Ich bin ein Egoist und habe zu wenig Empathie für andere. Zwischenmenschlich habe ich sicher Defizite. Geburtstage interessieren mich zum Beispiel Nüsse."

    Wie geht seine Freundin Barabara – eine Unternehmensberaterin, die er auf einer Dating-Plattform kennenlernte – damit um? "Wir lassen uns Freiheiten. Ihren Kinderwunsch teile ich nicht. Für mich ist es nicht sinnvoll, ein Kind zu haben, wenn ich 200 Tage im Jahr unterwegs bin. Sex ist für mich möglich – auch ohne blaue Pille. Aber meine Libido ist geringer."

    Auf den Punkt gebracht

    • Thomas Frühwirth, seit 20 Jahren gelähmt, wurde zum Sportler des Jahres gekürt und spricht im Interview über seine Hoffnungen auf Heilung, seine Herausforderungen im Alltag und seine sportlichen Erfolge
    • Trotz seiner Behinderung hat er bei den Paralympics in Paris zwei Silbermedaillen gewonnen und strebt nun nach weiteren Erfolgen, während er betont, dass Disziplin und mentale Stärke der Schlüssel zu seinem Glück sind
    mh
    Akt.