"Heute"-Interview
ÖFB-Star Wimmer: "Lieber Traktor als ein Goldketterl"
Patrick Wimmer fiebert der EM in Deutschland entgegen. Im "Heute"-Interview gewährt der ÖFB-Star spannende Einblicke in sein Leben.
Trainerwechsel, Syndesmosebandriss, nur 621 Pflichtspielminuten – Patrick Wimmer erlebte beim VfL Wolfsburg eine zähe Saison. Aber: Pünktlich zur EM kam der 23-jährige Niederösterreicher wieder in Schuss, erzielte im Test gegen Serbien sein erstes Länderspieltor.
Vorläufiges Highlight: die standesamtliche Hochzeit mit Freundin Sarah. Die Flitterwochen müssen warten – denn der Niederösterreicher hat bei der Endrunde in Deutschland Großes vor.
Im "Heute"-Interview spricht Wimmer über sein turbulentes Jahr, das Leben am Bauernhof, seine Gewichtheber-Karriere, geschickte Handwerker-Hände und Matratzen.
Herr Wimmer, Sie haben mit Wolfsburg eine schwierige Saison hinter sich. Was war gut, was war weniger ideal?
"Am Anfang ist es ganz gut gelaufen, dann habe ich mich leider verletzt. Ich bin fast vier Monate ausgefallen, das ist nie schön. Es dauert, bis man wieder den Rhythmus findet. Gegen Ende der Saison bin ich wieder besser reingekommen, ich fühle mich wieder wohl, bin voll im Saft."
Sie sprechen die lange Verletzungspause an. Positiv betrachtet: Sie müssten noch Energiereserven für die EM haben.
"Das würde ich so nicht sagen, weil eine Reha oft noch schlimmer ist als das normale Training. Von dem her bin ich schon auch ausgelaugt, aber auf die EM freut sich natürlich jeder."
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Seit März trainiert Ralph Hasenhüttl Wolfsburg. Ist es ein Vorteil, einen Landsmann als Chef zu haben?
"Nein. Man muss sich alles hart erarbeiten, das ist auch bei mir so. Ich muss mich genauso im Training reinhauen."
Wie haben Sie ihn in den ersten Monaten erlebt, hat er viel verändert?
"Ja, es ist jetzt ein ganz anderes Spielsystem als unter Niko Kovac. Wir spielen jetzt gleich wie im Nationalteam, also im 4-2-2-2, ein bisschen das RB-System. Da hat sich also einiges getan. So verstehe ich mich sehr gut mit dem Trainer, wir haben immer einen Schmäh laufen, wir reden viel miteinander."
Fühlen Sie sich im 4-2-2-2 wohl?
"Ich finde das System cool. Man ist extrem variabel, kann schnell in ein 4-2-3-1 oder 4-4-2 wechseln. Wir machen es phasenweise sogar so, dass wir in ein 5-4-1 switchen. Man hat immer andere Pressing-Möglichkeiten, entweder mit den Sechsern, mit dem äußeren Zehner, dem abkippenden Stürmer. Das System passt sehr gut zu mir, weil man offensiven Fußball spielt, das liegt mir."
Sie haben drei Bundesliga-Jahre hinter sich. Was haben Sie in dieser Zeit gelernt?
"Ich wurde zu einem standhaften Spieler geformt, habe mich weiterentwickelt. Das Tempo und die Qualität sind ganz anders als in Österreich, auch die Infrastruktur der Vereine. Ich habe gleich mehrere Schritte nach vorne gemacht in Deutschland. Auch abseits des Platzes bin ich erwachsener geworden. Man kommt in eine andere Lebensphase. Ich bin weg von der Familie, man ist viel auf sich selbst gestellt. Das prägt."
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Apropos Familie: Sie sind in Niederösterreich auf einem Bauernhof aufgewachsen. Sie kennen also das Leben abseits der schillernden Fußballwelt. Ist es ein schwieriger Spagat, zwischen diesen Welten zu switchen?
"Gar nicht. Das Business ist die eine Sache, Patrick Wimmer die andere. Ich krieg das ganz gut hin, ich mach ja auch noch vieles daheim. Hier sieht man erst, was richtige Arbeit ist. Fußball ist schön und gut, macht Spaß, aber es sind zwei, drei Stunden am Tag. Wenn man dann weiß, wie es ist, wenn man den ganzen Tag hackeln muss, ist das schon was anderes. Ich sehe das sicher anders als jemand, der in einer Akademie drin war. Ich bin froh, dass es ist, wie es ist – aber ich vermisse auch das Leben daheim ein bisschen."
Auf Instagram zeigen Sie sich am Traktor und mit Scheibtruhe. Warum nicht mit Porsche und Goldkette?
"Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich sogar einen Porsche habe. Bei Autos werde ich schwach, die liebe ich. Es muss aber nicht immer teuer sein, ich mag auch kleine Autos und Oldtimer. Von Goldketten und Schmuck halte ich eigentlich nichts. Da kaufe ich mir lieber mal einen teureren Traktor, das gibt mir mehr."
Sie waren als Teenager Gewichtheber. Sind Sie in der Kraftkammer immer noch der Stärkste?
"Das ist unterschiedlich. Im Fußball ist es halt so, dass jeder weiß, was er in der Kraftkammer braucht und was nicht, das ist für jeden anders. Ich selbst bin zum Beispiel gar nicht mehr so oft dort, ich mach eher die Schnelligkeits-Sachen. Daher kann ich gar nicht sagen, wer der Stärkste ist, wir haben da keine Wettbewerbe."
Wie viele Kilos haben Sie damals gestemmt?
"Hm, das ist lange her. Beim Stoßen waren es irgendwo zwischen 60 und 70, ich war allerdings erst zwölf Jahre alt. Beim Reißen 40 bis 50. Genau weiß ich es wirklich nicht mehr."
Ebenfalls ungewöhnlich für einen Fußball-Profi: Sie haben eine Ausbildung in Mechatronik absolviert. Hilft das im Alltag?
"Mechatronik ist eine Sache, die man überall braucht. Das steckt im Maschinenbau und in der Elektrik drin. Wenn mal ein Auto zu zerlegen ist, ein Licht installiert gehört, ein PC auseinandergeschraubt gehört. Es ist wichtig, wenn man ein bisschen was selbst weiß, nicht immer gleich einen Handwerker rufen muss. Es hilft also sehr im Alltag. Wenn jemand Hilfe benötigt, stehe ich gerne zur Verfügung."
Herr Wimmer, welche Gefühle kommen bei Ihnen beim Gedanken an die EM hoch?
"Vorfreude. Im Land herrscht Euphorie, jeder steht hinter der Mannschaft. Ich denke an Fans, die das ganze Land überlaufen, es wird Public Viewings geben. Es ist ein richtiger Gänsehaut-Moment. Ich war früher selbst als Fan im Stadion, habe zugeschaut. Wenn man jetzt selbst ein Teil davon ist, ist das ein unglaubliches Gefühl. Noch dazu steigt die EM in Deutschland, die Österreicher haben es also nicht weit."
Die Gegner in der Vorrunde heißen Frankreich, Polen und Holland. Was fällt Ihnen zu diesen drei Nationen ein?
"Wenn man Europameister werden will, muss man die Besten schlagen. Es stört uns nicht, wenn wir es in der Gruppe schon machen."
Sprich, gegen jeden ist was drin?
"Auf jeden Fall. Gegen Frankreich haben wir letztes Jahr schon zwei Mal gespielt und gezeigt, was wir leisten können. Wir hatten auch Gegner wie Italien, Deutschland und Belgien, haben gut gegen sie abgeschnitten. Gegen uns ist es sicher nicht schön zu spielen. Wenn man Österreich hört, denken die Gegner nicht mehr 'schön', sondern wissen, es wird intensiv und ein harter Kampf. Für uns ist alles möglich. Wir wissen zwar, welche Qualität die Gegner haben, aber wir müssen uns alles zutrauen, wir können jeden schlagen. Wir haben eine sehr gute Mannschaft, haben gegen jeden Chancen."
Bei einem Turnier ist es auch wichtig, sich die Zeit abseits der Spiele und Trainings gut einzuteilen. Was werdet ihr ins Quartier mitnehmen? Wuzzler und Tischtennistisch sind bereits vor Ort.
"Ich denke, es wird alles dort sein, was wir brauchen, um ein bisschen Ablenkung zu bekommen – Golf, Darts, Padel-Tennis. Auch für die Regeneration ist gesorgt, es gibt einen tollen Wellness-Bereich. Es wird auch jeder seine eigenen Sachen mithaben. Bei uns ist es ja so, dass jeder sogar seine eigene Matratze mitnehmen kann, wenn er will. Es ist so geregelt, dass sich jeder wie daheim fühlt."
Ihr könnt eure Matratze mitnehmen?
"Ja genau, oder es wird eine zur Verfügung gestellt. Wenn wir wollen, können wir quasi unser eigenes Zimmer dort aufbauen lassen."
Wer ist der beste Tischtennis-Spieler im Team?
"Ich würde mich in die Liste der Top-Spieler sicher einreihen, den Besten haben wir tatsächlich noch nie ermittelt."
Das deutsche Nationalteam hat 2006 während des "Sommermärchens" in eurem Quartier, dem Schlosshotel, gehaust. Ein gutes Omen?
"Wenn man daran glaubt, auf jeden Fall. Der Standort ist schon gut gewählt, das ist eine überragende Location. Wir haben viel Grün um uns herum. Es wird passen. Wenn das Turnier gut ausgeht, liegt es meiner Meinung nach dennoch am Fußball, weniger am Drumherum."
Ab wann würden Sie von einer erfolgreichen EM sprechen?
"Ganz einfach: Als Fußballer will man Titel gewinnen."