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Iran-Pionier Knett: "Hier bin ich ein Superstar"

Christopher Knett ist der erste Österreicher, der im Iran als Fußball-Profi sein Geld verdient. "Heute" sprach mit dem Keeper über Land und Leute.

Erich Elsigan
Die Foolad-Fans liegen Knett zu Füßen.
Die Foolad-Fans liegen Knett zu Füßen.
zVg

Sommer 2021. Christopher Knett, damals ein 29-jähriger Tormann aus Österreich, ist auf Klubsuche – sein Vertrag beim griechischen Klub Panetolikos lief aus. Angebote trudeln ein, das Richtige ist aus seiner Sicht vorerst nicht dabei. Die Zeit vergeht, die Optionen lösen sich in Luft auf. "Ich habe mich verpokert", sagt der Fußballer.

Plötzlich läutet das Telefon, Manager Reza Mostafaie ist am Apparat. Er berichtet von der Möglichkeit, im Iran zu unterschreiben, als erster Österreicher überhaupt. Der Keeper lehnt dankend ab.

Aber: Als der Vater von zwei Söhnen vom Vertragsinhalt erfährt, gibt Knett der Sache eine Chance, macht sich vor Ort ein Bild – und unterschreibt schließlich bei Sepahan. Ein Jahr später folgt der Wechsel zu Konkurrent FC Foolad. Im Mai verlängerte der Schlussmann vorzeitig bis 2025.

"Heute" erreichte Knett am Telefon, wollte mehr über das Abenteuer am Persischen Golf erfahren. Die erste Frage ist aufgelegt: warum Iran?

"Es war nie meine Intention, im Iran zu leben. Aber die Rahmenbedingungen waren schon lukrativ. Ich bin hingeflogen, habe mir alles angesehen und innerhalb eines Tages unterschrieben. Man glaubt es nicht, aber es geht wirklich sehr professionell zu. Die ganze Infrastruktur kann sich echt sehen lassen. Sepahan und Foolad sind wie europäische Vereine geführt."

"Heute": Die Rahmenbedingungen schließen auch das Gehalt ein. Ist es der beste Vertrag, den Sie je unterschrieben haben?

"Zum damaligen Zeitpunkt schon. Im Vorjahr bin ich innerhalb der Liga zu Foolad gegangen, habe  bis 2025 verlängert – jetzt ist das der beste Vertrag, den ich je unterschrieben habe."

Knett im Februar 2023 mit Cut.
Knett im Februar 2023 mit Cut.
Imago

Haben Sie ausgesorgt?

"Mir geht es gut, sagen wir so. Ausgesorgt habe ich vielleicht nicht, aber ich muss mir für längere Zeit keine finanziellen Sorgen machen, muss nicht auf Knopfdruck nach der Karriere gleich einen Job finden. Und ja, sicher geht es auch um das Finanzielle. Es ist schade, dass uns das viele negativ auslegen. Viele Fußballer haben die Schule nicht abgeschlossen, können nicht studieren gehen, haben keine Ausbildungen, hängen nach der Karriere in der Luft. Deswegen musst du schon schauen, dass du so viel wie möglich auf die Seite bringst. Und dich eben auch mal auf ein Abenteuer wie Iran einlässt."

Sie hatten auch aus Saudi-Arabien ein Angebot. Wäre es nicht reizvoll gewesen, gegen Cristiano Ronaldo zu spielen?

"Wir haben damals in der asiatischen Champions League gespielt, haben dort gut abgeschnitten. Dann kam das Angebot. Es war allerdings nur ein Ein-Jahres-Vertrag. Ich wollte aber mal Ruhe haben mit Klub-Wechsel, habe deshalb bei Foolad verlängert. Man weiß ja nie, was passiert."

Warum kicken in der iranischen Liga kaum internationale "Altstars"?

"Ich glaube, dass es vielen Spielern wie mir geht: Man hört Iran und denkt sich, sicher nicht. Weil du eben im Internet meist wenig Gutes über das Land liest. Außerdem gibt es eine Ausländerregel. Es dürfen maximal drei Legionäre in der Mannschaft sein. Auch deshalb kommen nicht so viele her. Aber die Liga ist wirklich gut, ich muss da gar nichts schönreden. Der Iran fährt ja auch regelmäßig zur Weltmeisterschaft, im Nationalteam sind fast nur Spieler aus der Liga. Mit Österreich ist es schwer zu vergleichen. Es ist ein anderer Fußball. Die besten Mannschaften könnten aber sicher im oberen Play-off mitspielen."

Wie ist die Stimmung in den Stadien, wie viele Fans kommen zu den Partien?

"Während der Corona-Zeit waren auch hier Geisterspiele. Mittlerweile haben sie wieder aufgemacht. Es gibt ein paar große Stadien, da kommen dann bis zu 70.000 oder 80.000 Leute. Aber es gibt auch Spiele, zu denen nur ein paar Tausend Fans kommen. Das variiert sehr."

Wie fühlt es sich an, in einem Land zu leben, in dem die Menschenrechte oft ignoriert werden? Sie sind ja mit Frau und Kindern hier.

"Ich muss ehrlich sagen, wir hatten noch nie Probleme. Meine Frau geht auf die Straße, geht einkaufen, geht Kaffeetrinken. Wir bekommen von all den Dingen, die in diesem Land passieren, tatsächlich nichts mit. Oder zumindest wenig. Es gab schon Demonstrationen. Als die in unserer Stadt waren, sind wir nicht rausgegangen. Es war nicht so schlimm. Meine Familie und ich werden hier wirklich gut behandelt. Für die Bevölkerung ist es natürlich eine schwierige Situation. Auch die iranischen Spieler leiden mit."

Werden Sie als Fußballer anders behandelt?

"Bestimmt. Als Fußball-Legionär hast du sicher einen anderen Status. Die Leute im Süden und in Ahwaz, wo wir wohnen, sind sehr herzlich, sehr gastfreundlich."

Können Sie sich frei bewegen?

"Natürlich. Ich gehe jeden Tag raus, auch die Kinder und meine Frau gehen auf die Straße. Das war nie ein Problem."

Wie kommunizieren Sie mit den Kollegen?

"Ich verstehe einige Sachen, sprechen ist aber schwierig. Meist kommunizieren wir auf Englisch. Und ich habe das Glück, dass Ashkan Dejagah mit mir in der Mannschaft spielt. Der war in der deutschen Bundesliga und in der Premier League, spricht perfekt Deutsch und übersetzt für mich, wenn ich Hilfe brauche."

Fahren Sie im Iran selbst mit dem Auto?

"Nein, ich habe einen Fahrer, der mich überall hinbringt, auch zum Training. Selbst fahren ist schwierig, weil hier gibt es keine Regeln. Und die Straßenschilder kann ich auch nicht lesen."

Was lässt sich über das Essen sagen?

"Die persische Küche ist schon sehr gut, da geht einem nichts ab. Außer vielleicht das Schnitzel."

Was treiben Sie in der Freizeit?

"Das ist ein bisschen schwierig. Wir versuchen einfach, so viel wie möglich mit den Kindern rauszugehen. Der Kleine geht bei uns im Verein zum Beispiel in die Fußballschule. Kulturelle Angebote gibt es in Europa natürlich viel mehr. Wir schauen uns aber schon so viel wie möglich an. Das Land ist wirklich schön, es hat alles. Im Norden fällt sogar Schnee, es gibt Berge, Skigebiete. Ich selbst bin aber nicht gefahren, weil wir im Winter durchgespielt haben. Es gibt auch Regionen, da hat es bis zu 50 Grad im Schatten."

Werden Sie auf der Straße erkannt?

"Ja. Man kann es schon so sagen, hier bin ich ein Superstar. Früher dachte ich über Ronaldo und Co., dass es cool wäre, selbst auch erkannt zu werden und Autogramme zu geben. Wenn du es dann selbst erlebst, ist es aber mit der Zeit anstrengend. Am Anfang war es super, jeder will Selfies machen. Mittlerweile ist es ein wenig nervig, muss ich gestehen. Ich verstehe die Spieler in Europa jetzt viel mehr, wenn sie mal 'nein' sagen oder auf einen Reporter angefressen sind."

Sie sind leidenschaftlicher Tätowierer, haben auch selbst viele Tattoos. Stimmt es, dass die beim ersten Shooting wegretuschiert wurden, weil sie als unmoralisch gelten?

"Das stimmt. In der Zeitung war ich plötzlich ohne meine Tattoos zu sehen. Ich habe das dann aber klar angesprochen, habe gesagt, dass das nicht geht, sie mich mit Tätowierungen verpflichtet haben. Seitdem ist nie wieder etwas retuschiert worden, gibt es kein Problem mehr. Ich spiele mit Kurzarm-Shirt, meine Tattoos sieht man also jede Woche im Fernsehen. Mittlerweile habe ich sogar meine Tätowier-Maschine mit. Es kommen sogar Mitspieler, um sich stechen zu lassen."

Verfolgen Sie das Geschehen in der österreichischen Bundesliga?

"Ja, jede Woche. Ich schaue die Spiele, auch die deutsche Liga. Ich kann alles empfangen."

Was vermissen Sie an Österreich?

"Meine Mutter, meine Familie. Das Leben im Iran ist anders. Man kann es nicht mit Österreich vergleichen."

Hat Ihre Mutter Angst um Sie?

"Am Anfang schon. Da hat sie auch gefragt, was ich im Iran mache. Sie liest ja auch Zeitungen und schaut Nachrichten. Mittlerweile hat sich die Angst gelegt. Als ich ihr von der Vertragsverlängerung erzählt habe, hat sie sich für mich gefreut."

Werden Sie auch von Freunden besucht?

"Ja. Mein bester Freund aus Deutschland war knapp ein Monat hier. Auch er kannte den Iran nur aus Zeitungen. Er hat dann gemeint, dass es eigentlich richtig angenehm hier ist, es ganz anders ist, wie man es sich vorstellt."

Sportlich läuft es allerdings nicht ganz nach Plan: Foolad beendete die Saison auf Rang sieben.

"Wir müssen schauen, dass wir nächste Saison angreifen. Der Klub hat großes Potenzial, wir sind eigentlich eine der besseren Mannschaften in der Liga. Die Saison hatten wir viel Pech mit Verletzungen. Wir waren aber zumindest im Viertelfinale der asiatischen Champions League."

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