Weltenbummler im Talk
Windbichler: "Gehöre nicht zur Louis-Vuitton-Partie"
Richard Windbichler heuert in den USA bei San Antonio an. Der ÖFB-Legionär kommt seinem Ziel, auf der ganzen Welt gespielt zu haben, näher.
"Ja, ich bin ein Abenteurer", grinst Richard Windbichler im "Heute"-Interview – und packt seine Koffer. Der 32-jährige ÖFB-Verteidiger hat bei US-Zweitligist San Antonio unterschrieben, in einer Woche beginnt die Reise.
Für Windbichler ist Amerika der vierte Kontinent, auf dem er Profi-Fußball spielt. Europa (Österreich, Dänemark), Asien (Südkorea, China) und Australien kann er bereits abhaken. Nur Afrika und Südamerika fehlen noch.
Was der Ex-Admira- und Austria-Kicker auf seinen Reisen erlebt hat, welche Rolle Geld spielt und wo es am schönsten ist, verriet er wenige Tage vor seinem Abflug.
"Heute": Herr Windbichler, erfüllt sich mit dem Wechsel in die USA ein Traum?
Richard Windbichler: "Als ich jünger war, war die MLS mein Ziel, aber es hat sich nie etwas ergeben. Ich habe dann einen Plan B geschmiedet, dass ich über die zweite Liga doch noch zum Abenteuer USA komme. Jetzt war die Zeit reif dafür."
Nordamerika ist der vierte Kontinent, auf dem Sie Profi-Fußball spielen. Es fehlen dann noch Afrika und Südamerika. Ein Ziel?
"Ich hatte es mir mal zum Ziel gesetzt. Dazu gibt es eine Geschichte. Als ich mit 26 in Südkorea war, wusste ich nicht so recht, was ich mit meiner Karriere noch machen will. Ich wollte nicht in Korea bleiben, habe überlegt, was realistisch wäre. Ich bin auf die Idee gekommen, dass überall auf der Welt Fußball gespielt wird. Wieso also soll ich das nicht nutzen, um alles zu sehen und meine Persönlichkeit weiterzuentwickeln? Es ist dann allerdings nicht immer das eingetreten, was ich wollte. Ich habe ein bisschen umdenken müssen. Keine Ahnung, wie lange das Abenteuer hier in Amerika dauert, aber im Hinterkopf schweben die anderen Kontinente natürlich schon noch mit. Schauen wir, das Alter spielt auch eine Rolle. Zwei, drei Jahre gehen vielleicht noch. Es kommt auf den Moment an. Und es ist auch die Frage, wie man in diese Märkte reinkommt."
Von San Antonio wäre Südamerika nicht allzu weit weg.
"Genau. In Texas leben viele Menschen mit südamerikanischen Wurzeln. Wer weiß, in wen man da reinläuft."
Wie intensiv beschäftigen Sie sich vor einem Wechsel mit dem neuen Klub? Die meisten hat man nicht am Radar.
"Sehr. Ich hatte zuletzt in China zwei super Jahre. Ich dachte, wenn ich jetzt in die USL gehe, muss es ein Topverein der Liga sein. Ich habe einen Spieler kontaktiert, der drei Jahre dort verbracht hat, habe mit dem Co-Trainer telefoniert, habe im Internet recherchiert. Ich war recht angetan, es ist ein gut geführter Verein. Den Eigentümern gehören auch die San Antonio Spurs. Es hat also alles Hand und Fuß."
Sehen Sie sich als Abenteurer?
"Ja, das ist kein Geheimnis. Es ist immer wieder ein Neustart. Es kribbelt, ich bin nervös. Das sind für mich die Zeichen, dass es die richtigen Schritte sind. Wenn es immer dasselbe ist, bringt mir das nichts. Ich will lernen, mich weiterbilden. Das Leben geht nach der Karriere noch lange weiter. Es ist daher wichtig, die Persönlichkeit zu schmieden."
Zahlt es sich als Weltenbummler aus, die Wohnung einzurichten?
"Ich habe immer möblierte Wohnungen. Ich schmücke sie nicht großartig aus, weil es zahlt sich tatsächlich nicht aus."
Ist Ihnen Materielles wichtig? Wenn man von Kontinent zu Kontinent zieht, ist weniger Gepäck kein Nachteil.
"Das ist ein Punkt. Das Materielle hat mir noch nie viel gegeben. Ich gehöre nicht zur Louis-Vuitton-Partie, brauche keine Designer-Sachen oder teure Uhren. Das Geld, das ich verdiene, gebe ich für meine Leute aus, gehe essen, mache Urlaub. Ich bin kein großer Ausgeber."
Kein Sportwagen in der Garage?
"Dadurch, dass ich selten daheim bin, habe ich in Österreich gar kein Auto. Ich schnapp mir dann das von der Mama und sie nimmt das von der Oma. Wenn ich mal mit der Karriere fertig bin, werde ich mir schon einen Audi gönnen, denke ich."
Wo haben Sie am besten verdient?
"In Asien, eindeutig. In den USA muss ich jetzt deutliche Abstriche machen. Aber ich sehe das als Investment. Sagen wir, ich bekomme jetzt ein Fünftel vom bisherigen Gehalt. Die vier Fünftel, die ich nicht bekomme, sind ein Investment in meine Persönlichkeit. Wenn ich nur in China bleibe, habe ich zwar mehr Geld, kann mich aber nicht so weiterentwickeln, wie ich das möchte. So verzichte ich auf Geld, habe aber eine neue Erfahrung, neue Werte, ein neues Netzwerk."
Welche Station war die schönste in Ihrer Karriere?
"Jeder würde Melbourne vermuten – und es ist auch tatsächlich die lebenswerteste Stadt. Aber meine mit Abstand beste Zeit hatte ich jetzt in China. Hauptausschlaggebend war die riesige Fanbase. Wir haben jedes Wochenende vor 40.000 Leuten gespielt, in der Stadt wurde ich erkannt, ich hatte positive Interaktionen mit den Fans. Mit einem englischen Mitspieler und Tormann-Trainer Hans-Peter Berger habe ich mir einen kleinen Freundeskreis aufgebaut. Wir waren so richtig zusammengeschweißt, wir haben extreme Erinnerungen geschaffen, auf die wir unser Leben lang zurückblicken werden. Und auch die Stadt war großartig. In China musst du schon aufpassen, in welche Region du gehst, aber Chengdu ist richtig international, das macht es einfacher. Sportlich lief es auch super. Wir haben einen Rekord aufgestellt mit 26 Spielen ohne Niederlage als Aufsteiger. Es war rundum perfekt."
Wenn Sie in eine neue Stadt ziehen, kennen Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit niemanden. Ist das mühsam?
"Ich mag das Ungewisse. Als ich das erste Mal nach Korea kam, war es schon zach, vor allem in den ersten Wochen. Die Koreaner sind zu Beginn relativ kalt. Es dauert ein bisschen, ehe sie dich in ihre Kreise aufnehmen. Dann sind sie supernette Menschen. Man muss sich anpassen können und ihnen zeigen, dass dir Dinge wichtig sind. Melbourne oder jetzt die USA sind sicher einfacher, schon alleine von der Sprache her. Mich hat jetzt schon ein Spieler von San Antonio angeschrieben, bevor ich überhaupt drüben bin. Das finde ich leiwand."
Nutzen Sie die Karriere-Stationen auch zum Sightseeing?
"Jein. Chengdu ist zum Beispiel die Brutstätte der Panda-Bären. Jeder Panda hat dort seine Wurzeln. Ich habe es geschafft, mir das nicht ein einziges Mal anzusehen. Mir geht es eher ums Alltägliche, um die Leute, um Coffee-Shops, um die Kultur, das Zwischenmenschliche. Die Attraktionen sind für mich nebensächlich."
Verfolgen Sie am anderen Ende der Welt auch das Geschehen in Österreich?
"Ja schon, vor allem den Sport. Ich habe hier noch viele Freunde, aber mein Jahrgang stirbt langsam aus im Profi-Fußball. Markus Katzer ist zum Beispiel ein guter Freund, also verfolge ich, was bei Rapid so passiert. Mit Stefan Schwab bin ich auch sehr gut, somit bekomme ich auch aus Griechenland einiges mit. Mit den Zeitverschiebungen hat es sich auch oft so ergeben, dass ich die Spiele anschauen konnte."
Werden Sie oft von der Familie besucht?
"Die Mama besucht mich jährlich, auch Tante und Cousine folgen mir überall hin. Ansonsten passiert viel übers Telefon."
Wann planen Sie die Rückkehr nach Österreich?
"Ich will mich auf nichts versteifen, ich kann es nicht voraussagen. Ich nehme es wirklich Jahr für Jahr. Sportlich würde ich nicht um jeden Preis zurückkommen, es müsste das Gesamtpaket passen. Ich würde gerne nach der Karriere ins Trainerwesen wechseln, ein Klub mit vielen Jungen wäre spannend. Dort kann ich meine Erfahrungen weitergeben. Das würde mich schon interessieren."
Wäre mit all Ihren Kontakten eine Karriere als Sportdirektor oder Manager nicht naheliegender?
"Würde Sinn machen, aber da sehe ich mich nicht. Da fehlt mir die Passion. Mir geht es eher darum, wie Fußball gedacht wird in unterschiedlichen Kulturen und Ländern. Wenn du überall was aufschnappst, hast du sicher einen gewissen Vorsprung gegenüber einem, der sein Leben lang im selben Teich schwimmt. Das könnte mir helfen."