Spiele-Test

"System Shock" ist auch auf Konsole noch bahnbrechend

1994 revolutionierte "System Shock" die Welt der Ego-Shooter, im Vorjahr gab es ein Remake. Und nun gibt es den alten, neuen Klassiker für Konsolen.

Rene Findenig
"System Shock" ist auch auf Konsole noch bahnbrechend
"System Shock" im Test – es ist auch auf Konsole noch bahnbrechend und macht auf PlayStation 5 immens Spaß.
Nightdive Studios

Das Game "System Shock" revolutionierte beziehungsweise begründete gemeinsam mit "Doom" das Genre des Ego-Shooters. 1994 erstmals noch auf MS-DOS erschienen, bot der Titel eine bis dahin fast nicht vorstellbare Freiheit bei Steuerung und Levelerkundung, die 3D-Grafik galt zudem als geradezu revolutionär. Lange hieß es für eine neue Generation an Zockern allerdings zu warten, denn ein vor Jahren angekündigtes Remale von "System Shock" ließ einfach so lange auf sich warten, bis kaum jemand noch damit rechnete. Im Jahr 2023 kamen dann endlich PC-Spieler in den Genuss der Neuauflage, nun sind endlich auch Konsolen dran.

"System Shock" ist – auch das war für damalige Zeiten spektakulär – nicht einfach ein Baller-Game, sondern auch mit Rollenspiel-Elementen versehen. Das bleibt auch im Remake der Nightdive Studios so, wobei sich die neue Version für PC- und PlayStation- sowie Xbox-Konsolen inhaltlich und spielerisch sehr nah am Original bewegt. Erwarten darf man sich vom Remake aber kein vollkommen neues Game am neuesten Stand der Technik – so wurden die Spielszenen des Originals eher liebevoll in "Handarbeit" in ein neues Gewand gesteckt, statt komplett neu geschrieben und aufgebaut. Die Grafik wirkt sogar beim Remake etwas altbacken.

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    Das Game "System Shock" revolutionierte beziehungsweise begründete gemeinsam mit "Doom" das Genre des Ego-Shooters.
    Das Game "System Shock" revolutionierte beziehungsweise begründete gemeinsam mit "Doom" das Genre des Ego-Shooters.
    Nightdive Studios

    Gruselige Story und tolle Schwierigkeits-System

    In Sachen Story hat sich indes nichts verändert. Wieder schlüpft man in die Rolle des Protagonisten und sieht durch seine Augen das Innenleben der Raumstation Citadel. Dorthin hat uns ein Hacker-Auftrag eines mysteriösen Unternehmens-Moguls verschlagen – und der läuft anfangs recht glatt. So entfernen wir die ethischen Beschränkungen der Künstlichen Intelligenz SHODAN, die die Raumstation steuert, gehen als Belohnung straffrei aus und bekommen auch noch ein Hightech-Implantat eingesetzt, auf das wir es lange abgesehen hatten. Doch als wir aus dem OP-Schlaf erwachen, sind wir von Cyborgs und Leichen umgeben.

    Eine Besonderheit beim Start des Remakes, die es bereits im Original gab: Spieler dürfen nicht nur aus drei generellen Schwierigkeitsgraden wählen, sondern die Herausforderung in den einzelnen Bereichen Kampf, Mission, Cyber und Puzzle in drei Stufen selbst bestimmen. Im Segment "Kampf" wird dadurch die Anzahl und Stärke der Feinde bestimmt, "Mission" legt das Vorhandensein von Wegpunkten und Zeitlimits fest, "Cyber" lässt uns die Cyberspace-Bereiche des Games entweder entspannt oder unter immensem Gegner-Druck erkunden und "Puzzle" bestimmt den Härtegrad der Rätsel. So sollte jeder Spieler seine ideale Herausforderung finden.

    Ganz eigene Erfahrung bei Erkundung und Aufleveln

    Sagenhaft ist die Spielwelt – wo andere Games uns auf düstere Raumstationen werfen und so gut wie alles in Finsternis hüllen, bietet "System Shock" viele Areale mit viel Licht, bunten Farben und einem enormen Detailgrad. Das mag nicht alle Shooter-Fans freuen, ist aber definitiv sehenswert. Auch sprintet und ballert man sich nicht durch jeden Raum, sondern bekommt – da zeigt sich der Rollenspiel-Anteil – genug Zeit, die gesamte Umgebung auch mal in Ruhe zu erkunden, in Dokumenten Storyfetzen nachzulesen und Module einzubauen. Die dienen auch gleich als Auflevel-Möglichkeiten, denn Skills steigert man nicht klassisch per Kills.

    Vieles aus dem originalen "System Shock" inspirierte wohl kürzlich "Cybperpunk 2077" und ist nun auch wieder im Remake zu finden, denn die Module können so gut wie alles ermöglichen – angefangen bei der Bereitstellung von Informationen zu gegnerischen Schwachstellen über die Aktivierung von Fähigkeiten wie einem Schutzschild bis hin zur Aktivierung von Systemen der Raumstation. Ungewohnt wenige Schadens-, Gesundheits- und andere eingeblendete Werte freuen in einem damit sonst damit so überladenen Genre – was in "System Shock" wichtig ist, soll nicht vom Bildschirm abgelesen, sondern in der Spielwelt ge- und untersucht werden.

    Statt immer mehr Tempo bremst euch "System Shock" aus

    Außerdem macht es das Shooter-Rollenspiel Gamern nicht so einfach wie moderne Vertreter – statt Zielmarkern heißt es entweder Suchen oder ganz genau die Auto-Botschaften auf der Raumstation durchzuhören, um das nächste Ziel zu finden. Nur selten finden sich tatsächliche Wegschilder auf Citadel. Spieler werden auch vom Remake beim Gameplay gezwungen, den Fuß vom Baller-Gaspedal zu nehmen und sich auf die Spielwelt einzulassen. Bedeutet ein Stehenbleiben in den "Doom"-Neuauflagen den Tod, ist es in "System Shock" umgekehrt. Wer ständig herumhetzt, übersieht minutenlang die notwendigen Schalter und Objekte im Level.

    Grafisch sieht diese Detailvielfalt ebenfalls großartig aus, ganz auf der Höhe der Zeit sind die Animationen und Effekte aber nicht. Für verschwommene und grobe Objekte und Figuren werden Spieler aber von einem netten Retro-Effekt entschädigt, bei dem die Umgebungen und Feinde in eine Art Pixel-Look des Originals wechseln, wenn man nah genug an sie rangeht. Nur leicht verändert wurde indes das Leveldesign – die rechteckigen Grundrisse wurden auch vom Remake übernommen, allzu lange Laufwege wurden aber durch ein paar neue Abkürzungen entschärft. Erkundet und gesucht wird viel und ständig – das erinnert an die "Metroid"-Games.

    Viele Laufwege und viel Backtracking sind notwendig

    Das ganze Gameplay-Konzept heißt aber auch: Legt man "System Shock" einige Zeit zur Seite und spielt dann nach mehreren Tagen oder Wochen weiter, beginnt das immer zwangsläufig mit einer intensiven Durchforstung auch teils bereits absolvierter Etagen und Räume. Der Grund: Ständig ist man im Spiel auf der Suche nach einem Mechanismus, einem Ort oder einem Rätsel – und ohne Hinweis-Logbücher und Wegmarker sind bisher erledigte Wege schnell vergessen. Backtracking und unnötige Laufwege, bis man wieder ins Game "gefunden" hat, sind da die Folge. Ebenso ungewohnt aufwendig ist übrigens das Inventar-Management in "System Shock".

    Wo andere Shooter kein oder nur ein Mini-Inventar für Waffen und Munition sowie vielleicht ein paar Granaten bieten, ist das Riesenlager von "System Shock" schon nach kurzer Spielzeit bis zum Rand mit Utensilien gefüllt. Und so gut wie jedes Objekt lässt sich außerdem manipulieren – eingesammelte Getränkedosen etwa austrinken oder Teile und Munition aus den Waffen wechseln. Spielerisch bleibt man immens frei – eine Erleichterung bringt das Remake aber: Weil viel Eingesammeltes einfach für gar nichts brauchbar ist, kann man es nun an in der Welt verteilten Maschinen zu der Ingame-Währung umwandeln und damit Mods und Items kaufen.

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    Ebenfalls brandneu ist ein Aufzug, in dem überschüssige Gegenstände gelagert werden können – denn trotz riesigem Inventar-Platz reißt der Strom an sammelbaren Gegenständen einfach nicht ab. Hier zeigt sich der Rollenspiel-Anteil des Ego-Shooters deutlich. Außerdem bringt die Remake-Version noch ein paar neue Rätselvarianten beim Verbinden von Stromkreisen, um Türen und Maschinen mit Energie zu versorgen. Alles kleine Verbesserungen, die dennoch die spielerische Freiheit und das Flair des Originals erhalten. Die packende Geschichte um eine größenwahnsinnige Künstliche Intelligenz, die die Menschheit bedroht, spielt sich wie damals.

    Auf eine deutsche Synchronisation verzichtet das Remake, SHODANs englischer Robo-Stimme zu lauschen ist aber sowieso eines der Highlights des Games. Die Vibrationsfunktion und der Trigger-Effekt des PS5-DualSense werden unterstützt, extra darauf ausgelegt wurde das Game in der Neuauflage aber nicht. Dafür läuft das Spiel superflüssig und Ladezeiten gibt es so gut wie keine. Das Remake von "System Shock" ist auch auf Konsole noch bahnbrechend und hebt sich noch heute von der Masse an Shootern ab – durch immersive Missionen ohne Aufgaben- und Weg-Hinweise, eine gigantische spielerische Freiheit und einen enormen Rollenspiel-Anteil.

    rfi
    Akt.