Spiele-Test

"Evotinction" lässt dich spannend um dein Leben hacken

Ein bisschen "Metal Gear Solid", etwas "Cyberpunk 2077", und doch etwas ganz Eigenes: "Evotinction" ist ein richtig abgefahrenes Stealth-Hacking-Game.

Rene Findenig
"Evotinction" lässt dich spannend um dein Leben hacken
Der optische Eindruck trügt: Leider nicht immer sieht "Evotinction" so hervorragend wie auf diesem Bild aus.
Spikewave Games

Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich selbst weiter und wird schließlich zur Bedrohung für die Menschheit? Auf dieser aktuellen und vielleicht bereits etwas ausgelutschten Welle reitet auch das neue "Evotinction" der chinesischen Entwicklers Spikewave Games (besteht aus einigen ehemaligen Mitarbeitern einer Zweigfirma von 2K) und des Publishers Astrolabe Games für PC und PlayStation 4 sowie 5. Das Science-Fiction-Stealth-Spiel braucht dazu auch gar nicht viele Zutaten: Neben der KI kommen ein mysteriöser Virus, ein mutiger Wissenschaftler, eine Drohne und eine Handvoll Hacking-Werkzeuge zum Einsatz. Und doch überrascht das Resultat.

Keine Sorge, auch wenn der Titel Evolution und Auslöschung ("Extinction") verbindet, wartet hier kein philosophisches Erlebnis, sondern ein recht bodenständiger Schleich- und Action-Titel. Abseits der allgegenwärtigen KI-Bedrohung unserer Zeit ist die Handlung durchaus für etwas Spannung und Unterhaltung gut. Als Wisschenschaftler Thomas Liu erwacht man in einer vollautomatisch agierenden Hightech-Fabrik, in der ein Computervirus namens RED das System befallen hat, das nun Menschen als Feinde ansieht. In einem Schutzanzug und in Third-Person-Perspektive sollen wir durch die Einrichtung schleichen und erkunden, was hier passiert ist.

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    Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich selbst weiter und wird schließlich zur Bedrohung für die Menschheit? Auf dieser aktuellen und vielleicht bereits etwas ...
    Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich selbst weiter und wird schließlich zur Bedrohung für die Menschheit? Auf dieser aktuellen und vielleicht bereits etwas ...
    Spikewave Games

    Gute Abwechslung bei Gameplay und Handlung

    Hilfe bekommen wir nicht nur über die Scan- und Hacking-Funktionen unseres Anzugs, uns steht auch vom ersten Moment an die Assistenz-Drohe Oz zur Seite, die uns über Missionsziele am Laufenden hält und sogar etwas Smalltalk hält. Das folgende Gameplay zeigt sich als gute Mischung aus Schleichpassagen, dem Scannen wichtiger Objekte und dem Ausschalten von Robo-Wächtern und Drohnen per Elektroschocks oder mit Hacking-Werkzeugen. Immer wieder stößt man in der sehr linearen Spielwelt auch auf Dokumente, die Anhaltspunkte geben, was genau passiert ist. Sowohl spielerisch als auch erzählerisch ist die Abwechslung sehr gut.

    Unterbrochen werden die Gameplay-Szenen immer wieder von kurzen Videosequenzen, auch das gefällt. Etwas seltsam ist das Game allerdings, wenn es um die Grafik geht. Zwei Drittel des Spiels sehen großartig aus, die Räume erscheinen mit fantastischen Licht- und Rauch-Effekten, sind vollgestopft mit Lüftungsschächten, Kisten, Drohnen und Instrumententafeln, dazu gibt es beinahe kinoreife Videosequenzen. Und dann stößt man – nicht oft, aber dafür umso auffälliger – auf arg karge Räume mit wenig mehr als Boden und Wänden und fragt sich, ob die Entwickler auf diese Passagen vergessen haben. Schade, denn der Rest sieht wirklich extrem gut aus.

    Spannendes Konzept aus Schleichen und Rätseln

    Spielerisch ist die Lernkurve angenehm. Anfangs aktiviert man verschiedene Systeme in der Umgebung, um patrouillierende Wachen auf einen anderen Weg zu lenken oder Zugänge mit Zeitlimits zu öffnen, später kann man Drohnen und andere Gegner auch überladen und damit abschalten. Das wird allerdings nie zur Allzwecklösung, denn der Batteriestand unseres "E-Blasters", der auch zum Abfeuern einer rettenden Energieladung verwendet werden kann, ist sehr begrenzt. So muss man taktisch planen, wann der Einsatz des Blasters notwendig ist und wann es schlicht ausreicht, sich außerhalb der Sensoren-Reichweite der Drohnen zu bewegen.

    Später im Spiel kommen auch nicht allzu knifflige, aber feine Rätsel-Elemente dazu. So sind Drohnen und Überwachungssysteme miteinander gekoppelt und lassen sich nicht mehr einfach deaktivieren, ohne dass gleich drei andere Robo-Wächter alarmiert werden. Umgekehrt ergeben sich dadurch aber auch neue Chancen, denn wenn man die Gelegenheit bekommt, die Systeme eines gekoppelten Feindes zu hacken, kann man damit ganzen System die technischen Augen oder Ohren nehmen. Und ja, das Ganze spielt sich so, wie es klingt, als nicht ganz so packender, aber dennoch spannender Videospiel-Mix aus "Cyberpunk 2077" und einem "Metal Gear Solid".

    Attraktive spielerische Freiheit beim Schleichen

    Ab etwa der Hälfte des Spiels und mit der Freischaltung verschiedenster Systeme ist die spielerische Freiheit immens, denn die Schleich-Passagen können auf unterschiedlichsten Wegen absolviert werden – so kann man Routen-Bewegungen der Drohnen und Wachen beobachten und Lücken suchen, Kameras hacken und damit Wege vorausplanen oder die Gegner ablenken, indem man verschiedenste Apparaturen in der Nähe aktiviert und sich dann still und heimlich aus dem Staub macht. Für Notfälle bleibt natürlich auch die Möglichkeit, zu brachialen Methoden wie dem Überladen der Feinde oder Verschießen von Energie zu greifen.

    Auch die Ausrüstung füllt sich etwas auf und führt neue Möglichkeiten ein, bei denen sich zum Großteils alles um ablenkende Hologramme dreht. So lassen sich Holo-Wände aufziehen, um hinter ihnen vorbeizuschleichen, oder Drohnen und Co. lassen sich zu einem Hologramm des Protagonisten locken, während dieser sich versteckt fortbewegt. Das spielt sich fantastisch, es gibt aber auch einige Frustmomente. So sind die Zeitlimits beim Hacking knackig bis unfair und Geschütze schießen uns ohne Vorwarnung, dass wir entdeckt wurden, tot. Ein Entdeckungs-Warnsystem gibt es aber, es arbeitet aber in einem Tempo, dass es spielerisch unnütz ist.

    Eine bessere Balance hätte dem Spiel gutgetan

    Auch ein interessantes System, nämlich das Hacking von Computern und Instrumenten, wird durch unnötige Mechanismen schnell frustrierend. Spaß macht, dass Hacks je nach Komplexität des zugehörigen Programms sowie der Entfernung unseres Protagonisten vom Hacking-Ort mehr oder weniger wertvolle Zeit, in der wir entdeckt werden können, kosten. Als lästig empfanden wir dagegen eine Art QuickTime-Event, bei der diese Hacking-Zeit mit dem Druck des richtigen Buttons verkürzt werden kann. Nicht, weil das nicht funktioniert, sondern weil es das Spiel meist förmlich verlangt, um beim Hacking nicht entdeckt zu werden.

    Heißt auch gleichzeitig: Manche freischaltbare Fähigkeiten des Spiels sind ein Muss, um voranzukommen, andere dagegen fast vollkommen unnütz. Hier hätte eine bessere Balance dem Spiel gutgetan, ebenso wie ein besseres Tutorial. Per Einblendungen werden jeweils neu eingeführte Fähigkeiten und Mechanismen zwar kurz per Text und Mini-Animationen erklärt, einige davon erfordern aber Besonderheiten, die man mühsam selbst herausfinden muss. Etwa beim Abschalten von Drohnen – genannt wird, dass man sich dazu an die Drohne anschleichen und den Strichcode auf der Rückseite scannen muss – nicht, wie nahe man da dran sein muss.

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    "Evotinction" lässt dich spannend um dein Leben hacken

    Überraschend langweilig fallen schlussendlich die Bosskämpfe aus, in denen man gegen besonders starke Drohnen und Wächter antritt. Sie laufen allesamt nach demselben Muster ab – sehr wenig Stealth, umso mehr Abschießen von markierten Schwachstellen. Und genau in diesen Kämpfen fällt dann auch noch ein optisches Problem auf: Hier fliegen verschiedenste HUD-Infos zu Feinden, umliegenden Systemen, Fähigkeiten-Einsatzmöglichkeiten und Werte, von denen man gar nicht weiß, worum es sich handeln soll, überlappend über den Bildschirm. Schade, denn abseits davon ist wie erwähnt Informationsarmut beim Schleichen angesagt.

    "Evotinction" ist ein spannender und interessanter Stealth-Action-Titel, der sich irgendwo zwischen "Metal Gear Solid" und "Cyberpunk 2077" ansiedelt, deren Klasse aber nicht erreicht. Die Grafik ist super, die Erzählung unterhält, um aber vollends zu überzeugen, wäre noch einiges an Feinschliff notwendig gewesen. Was nicht ist, kann aber zumindest noch werden – vielleicht schießt der Entwickler ja noch das eine oder andere Update nach, die das Gameplay besser ausbalancieren, Frust bei zeitkritischen Passagen minimieren und die Tutorial-Mechanismen etwas ausführlicher gestalten. Stealth-Fans sollten "Evotinction" jedenfalls im Auge behalten.

    Auf den Punkt gebracht

    • "Evotinction" ist ein spannendes Stealth-Hacking-Game, das Elemente aus "Metal Gear Solid" und "Cyberpunk 2077" kombiniert, jedoch nicht deren Klasse erreicht
    • Trotz beeindruckender Grafik und unterhaltsamer Erzählung mangelt es dem Spiel an Feinschliff, insbesondere bei der Balance und den Bosskämpfen
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    Akt.