Beginn der "dritten Republik"
Harte Babler-Abrechnung – ÖVP-Grande zu Kanzler Kickl
In einem Interview äußerte sich nun Ex-ÖVP-Politiker Franz Fischler zu den Ampel-Verhandlungen und der bevorstehenden blau-schwarzen Regierung.
In nur drei Tagen änderte sich in der österreichischen Innenpolitik alles. Am Freitag fiel mit dem Absprung der NEOS die Austro-Ampel um. ÖVP und SPÖ wollten dennoch weiterverhandeln, doch auch diese Gespräche wurden am Samstag abgebrochen – Bundeskanzler Karl Nehammer trat sogar zurück.
Jetzt soll es FPÖ-Chef Herbert Kickl richten. Der Freiheitliche wurde bislang vom Verhandlungstisch ausgeschlossen – trotz Wahlsieges. Jetzt habe sich die Situation aber geändert, stellte auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Montag nach dem Gespräch mit dem FPÖ-Chef klar.
"Riesenschaden angerichtet"
Dann erteilte das Staatsoberhaupt einen neuen Regierungsbildungsauftrag an Kickl. Er soll ab jetzt Gespräche mit der von Generalsekretär Christian Stocker geführten ÖVP führen. Damit steht Österreich wieder am Beginn der Regierungsbildung.
Für die Ampel-Verhandler hagelt es gleichzeitig an Kritik. Nicht nur von der Wählerschaft, sondern auch zwischen den Parteien gibt es zahlreiche Schuldzuweisungen – intern ist die Lage angespannt. In einem Interview mit dem "Standard" äußerte sich nun der ehemalige EU-Kommissar und Ex-ÖVP-Politiker Franz Fischler.
"Es wurde von den Beteiligten ein Riesenschaden angerichtet. Zwei ehemals staatstragende Parteien sind mit dem Anspruch angetreten, dafür zu sorgen, dass es keine Kickl-Regierung gibt", fasste er die letzten Wochen eingangs zusammen. Viele Bürger seien nun enttäuscht und "werden der Politik den Rücken kehren".
Fischler selbst werde jetzt sogar aus der Partei austreten, wie er zuvor angekündigt hatte, falls die Volkspartei Herbert Kickl zum Kanzler macht. "Dabei bleibt es. Das ist meine private Position. Ich habe keinen Grund, das zu ändern", so das ÖVP-Urgestein.
Harte Abrechnung mit Babler
Fischler sei der Meinung, dass die Austro-Ampel-Verhandler sitzen hätten bleiben sollen. "Sie hätten sich aber auch im Klaren sein müssen, weil das von vornherein festgestanden ist, dass es nur miteinander geht", betonte der Ex-Politiker und rechnete dabei knallhart mit SPÖ-Chef Andreas Babler ab: "Das heißt gleichzeitig, dass man zu wirklichen Kompromissen bereit sein muss und nicht jeder zum x-ten Mal seine Wunschliste vorlesen kann, was Herr Babler ja immer noch macht."
Keine Schuld sehe er hingegen beim Bundespräsidenten. Fischler sei der Meinung, dass man sich nicht wirklich was erspart hätte, wenn Van der Bellen dem FPÖ-Chef von Beginn an den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt hätte. "Daher war die Vorgangsweise des Bundespräsidenten schon richtig."
ÖVP könnte sich "zerreißen"
Jetzt stehe man aber vor einer blau-schwarzen Regierung. Fischler sehe diese als "reaktionär" an, also als "nicht mehr zeitgemäß" oder "fortschrittsfeindlich". Der EX-ÖVP-Politiker habe das Vorhaben von Nehammer unterstützt, doch dieser sei, wie ein zentraler Teil der ÖVP "in Summe gescheitert".
Fischler warnte schon in der Vergangenheit vor einer FPÖ-ÖVP-Regierung. In der "Tiroler Tageszeitung" sagte er etwa, dass dieser Zusammenschluss die Volkspartei "zerreißen" könnte. "Ja, die Gefahr, dass es sie zerreißt, ist enorm gestiegen", betont er jetzt erneut.
Der Beginn der dritten Republik
Fischler rechne mit Gegenstimmen, sobald die Verhandlungen mit den Freiheitlichen starten. "Das beginnt ja jetzt schon. Es sind ja sogar schon Demonstrationen angesagt. Auch in der ÖVP wird es eine Gegenbewegung geben. Aber das Ganze wird zugedeckt werden mit der pragmatischen Feststellung: Ja, irgendwer muss regieren. Damit wird man sich da drüberschwindeln", erklärte er.
Letztlich wagt er im Interview sogar einen Blick in die Zukunft: "Ich schließe nicht aus, dass wir irgendwann in den Geschichtsbüchern lesen werden, dass der Beginn des Jahres 2025 der Beginn der Dritten Republik in Österreich war. Mit Blau-Schwarz könnte sie beginnen."
Darf keine Bankrotterklärung geben
Er fordert von seiner Partei jetzt vor allem, dass es "weiterhin Grenzen der Machbarkeit geben" muss. "Eine Bankrotterklärung, dass man zur Gänze die Kickl-Politik übernimmt, kann es nicht geben. Deswegen ist es meiner Meinung nach zu einem gewissen Grad offen, ob es zu einer Regierungszusammenarbeit kommen wird, denn irgendwann wird auch die Bevölkerung sagen: So geht’s nicht, das geht uns zu weit, da spielen wir nicht mehr mit", so Fischler abschließend.
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Auf den Punkt gebracht
- In der österreichischen Innenpolitik kam es zu drastischen Veränderungen, als die NEOS aus der Austro-Ampel-Koalition austraten und Bundeskanzler Karl Nehammer zurücktrat.
- Nun soll FPÖ-Chef Herbert Kickl die Regierungsbildung übernehmen, was zu einer möglichen blau-schwarzen Regierung führen könnte, die von Ex-ÖVP-Politiker Franz Fischler als reaktionär und fortschrittsfeindlich kritisiert wird.