Kursk-Offensive beendet

Markus Reisner: "Das wäre lebensmüde, selbstmörderisch"

Sudscha ist in die Hände der russischen Armee gefallen. Damit ist die ukrainische Kursk-Offensive vorbei. Oberst Reisner erklärt die dramatische Lage.
Roman Palman
19.03.2025, 10:23

"Ich möchte betonen, dass ihnen, wenn sie ihre Waffen niederlegen und sich ergeben, Leben und eine menschenwürdige Behandlung gemäß den Normen des Völkerrechts und den Gesetzen der Russischen Föderation garantiert werden" – mit diesen Worten forderte Kriegstreiber Wladimir Putin die ukrainischen Soldaten in der Kursk-Region zur Kapitulation auf. Es sind nur leere Worte.

"Leider gibt es auch Bilder von Erschießungen. In einem Fall zeigt eine Aufnahme mehrere Soldaten nach der Gefangennahme und ein weiteres Video zeigt dieselben Männer kurze Zeit später am Boden liegend mit hinter dem Rücken gefesselten Händen. Sie wurden offensichtlich von der russischen Seite erschossen", schildert Oberst Markus Reisner am Montag auf "n-tv".

Die ukrainischen Einheiten befinden sich seit dem Fall von Sudscha auf dem Rückzug. "Rein militärisch nüchtern betrachtet ist die Kursk-Operation zu Ende", weiß der österreichische Offizier. Mit der Stadt habe man die beste Möglichkeiten für einen Abwehrkampf verloren, rundherum gebe es bis zur Grenze nur freies Feld: "Da kann man sich nicht festsetzen, das wäre lebensmüde, selbstmörderisch. Und damit ist die Offensive beendet."

„Das Ziel der Russen scheint vorerst erreicht.“
Oberst Markus Reisnerzur Lage in der Region Kursk, 17. März 2025

Auf russischer Seite sei gerade die letzte Phase der Rückeroberung angelaufen: Konsolidieren des gewonnenen Geländes, Beseitigen des letzten Widerstandes und Versuche, ukrainische Soldaten gefangen zu nehmen.

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Die Lage auf dem Boden bleibt aber weiter undurchsichtig. Kreml-Kanäle (und auch Donald Trump) behaupteten, dass bis zu 7.000 ukrainische Soldaten in der Kursk-Region eingeschlossen wurden. "Die Meldung entbehrt jeder Grundlage".

Genau das Gegenteil einer Einkesselung sei zu sehen: "Die Ukrainer fluten zurück und werden von den eigenen Kräften jenseits der Grenze aufgenommen. Die könnten nur umzingelt werden, wenn den Russen eine Umfassung entlang der Grenze gelingt. Im Moment ist das nicht zu sehen."

Oberst Markus Reisner leitet seit 1. März 2024 das Institut für Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt.
Bundesheer/Kristian Bissuti

Auch auf Ebene des Informationskriegs gebe es von einer großen Einkesselung keine Spur. Reisner erinnert an Mariupol: "In der eingeschlossenen Stadt wurden damals Hunderte Ukrainer gefangengenommen. Bilder zeigten Gefangene, in Kolonne marschierend. Man sah Soldaten, die gezwungen wurden, sich nackt auszuziehen, ihre Tätowierungen zu zeigen. Die Russen haben Mariupol medial vollkommen ausgeschlachtet. All das fehlt jetzt."

Fakt ist aber, dass sich noch einige ukrainische Verbände auf dem Rückzug befinden. Diese hätten sich aber im Gelände versprengt, würden oft zu Fuß flüchten.

"Konnten nur ihr nacktes Leben retten"

Auch durch den Druck durch russische Drohnenteams hätten die ukrainischen Verbände aber viel Gerät und Ausrüstung zurücklassen müssen. Das meiste sei bereits unbrauchbar gewesen oder später von der russischen Armee aufgeklärt und zerstört worden.

"Ein Video zeigt, wie ein M1 Abrams Panzer abtransportiert wird. Nützlich sind diese Geräte den Russen nicht mehr, aber sie fehlen den Ukrainern. Soldaten kommen praktisch kampfunfähig wieder zurück hinter die Grenze, weil sie nur ihr nacktes Leben retten konnten, nichts oder nur wenig an Ausrüstung und Waffen."

Die Lage an der Front bei Sudscha in der Region Kursk am 17. März 2025
ISW

Die Ukrainer würden nun in aller Eile zeitlich begrenzte Verteidigungslinien einige Kilometer hinter der Front hochziehen. Die schon vor Monaten errichteten umfangreichen Stellungssysteme befänden sich erst weiter in der Tiefe. Ein russischen Gegenangriff auf die ukrainische Stadt Sumy zeichne sich hingegen (noch) nicht ab.

Massive Verteidigungslinie mit Stacheldraht und Drachenzähnen bei Stezkiwka zwischen Sumy und der ukrainisch-russischen Grenze. Aufgenommen im Jänner 2025.
IMAGO/NurPhoto

Faustpfand verloren

Ab der Hälfte der Wegstrecke wandle sich das offene Gelände in zum Teil stark bewaldetes, höher gelegenes Gebiet, das für die Verteidigung viel günstiger ist. Genau dorthin hat sich die Masse der ukrainischen Verbände abgesetzt, weiß Reisner: "Ich rechne nicht damit, dass die Russen sich in diesen Waldgebieten in Kämpfe mit den ukrainischen Verbänden verwickeln wollen. Das würde erst dann passieren, wenn Moskau es als günstig erachtet und genug Kräfte verfügbar hat. Derartige Anstrengungen sieht man momentan jedoch nicht."

Warum? "Das Ziel der Russen scheint vorerst erreicht. Die Ukrainer können kein russisches Territorium mehr als Faustpfand bei Verhandlungen einsetzen."

Die Lage an der übrigen Front

Von Kupjansk aus nach Süden, Richtung Saporischschja hätten die Kämpfe bei den Hotspots der letzten Wochen erkennbar nachgelassen. "Bei Pokrowsk hat es sich etwas beruhigt, in Torezk konnten die Ukrainer einen Teil der Stadt zurückerobern". An den übrigen Frontabschnitten werde aber unverändert hart gekämpft.

{title && {title} } rcp, {title && {title} } Akt. 19.03.2025, 11:18, 19.03.2025, 10:23
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