Nach IS-Anschlag in Villach

"Der falsche Weg" – Terror-Expertin watscht Karner ab

Der Innenministerwill "anlasslos" gegen Syrer und Afghanen vorgehen. Damit würde er die IS-Propaganda nur weiter befeuern, warnt Daniela Pisoiu.
Newsdesk Heute
17.02.2025, 15:38

Am Samstag hat ein 23-jähriger Asylberechtigter aus Syrien in der Villacher Innenstadt wahllos auf Passanten eingestochen und einen 14-jährigen Schüler dabei getötet. Der 23-Jährige dürfte sich innerhalb kürzester Zeit – die Rede ist von wenigen Wochen – auf der Plattform TikTok radikalisiert haben, so die Ermittler in ersten Stellungnahmen. Der mutmaßliche IS-Terrorist soll Anhänger eines radikalislamistischen Influencers gewesen sein.

Noch-Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) forderte nach dem Terror-Anschlag "anlasslose Massenüberprüfungen in Unterkünften, die vorwiegend von Fremden bewohnt werden". Er hat es damit vor allem auf Asylberechtigte mit syrischem oder afghanischem Hintergrund abgesehen.

So eine zielgerichtete Repression aufgrund ethnischer Herkunft oder Religion wäre nicht nur gegen das Verfassungsgesetz von 1973 über das Verbot rassischer Diskriminierung, sondern auch ein Schuss ins eigene Knie.

"Es ist der falsche Weg"

"Teil der extremistischen Propaganda ist es, zu behaupten, dass westliche Gesellschaften Muslime hassen und man sich dagegen wehren sollte. So eine Maßnahme wird die Propaganda sogar noch bestätigen. Das könnte tatsächlich sogar kontraproduktiv sein", warnt Terror-Expertin Daniela Pisoiu am Montag im "Ö1 Morgenjournal".

Die Extremismusforscherin schärft nach: "Ja, in dem Fall war der Attentäter Syrer. Das heißt aber nicht, dass nicht in ein, zwei Wochen ein Attentäter nicht jemand sein kann, der eine ganz andere Staatsbürgerschaft hat." Radikalisieren könne sich wirklich jeder, ungeachtet der Herkunft oder Religion.

Zur Person

Daniela Pisoiu ist Senior Researcher für Internationale Sicherheit, Terrorismus und Antiterror-Politiken am Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) sowie Dozentin an der Universität Wien. Sie forscht seit über 15 Jahren zum Bereich Radikalisierung und Extremismus.

"Es ist der falsche Weg, zu fragen, was sind die Personenmerkmale, die so eine Entwicklung begünstigen oder anfällig machen für Radikalisierung. Das sind Eigenschaften, keine Ursachen", sagt Pisoiu. Ein besonders anfälliges Personenprofil habe man auch nach jahrzehntelanger Forschung nicht festmachen können.

"Sie emotionalisieren, fangen die Leute"

Stattdessen müsse man das Problem bei der Wurzel packen, bei den Sendern und nicht den Empfängern. Der Prozess der Radikalisierung über das Internet sei inzwischen gut verstanden: "Da geht es sehr schnell, weil in den Sozialen Medien – und gerade auf Tiktok aufgrund der Art dieser Plattform – kann man sehr schnell von unauffälligen Videos hin zu IS-Propaganda." Diese Inhalte seien auch frei verfügbar und für jeden einsehbar.

Der Beginn der Reise vom Normalbürger zum IS-Terroristen sei meist recht unscheinbar mit einem generellen Interesse für den Islam oder Politik. Gerade der Krieg in Gaza und die außenpolitische Reaktion europäischer Staaten habe sehr polarisiert. Viele junge Leute würden im Netz dazu Antworten suchen.

Das nutzen auch die Extremisten aus: Ihr Angebot hat sich vervielfacht. "Sie emotionalisieren und fangen damit junge Leute in den Online-Bubbles, führen sie zu extremeren Inhalten bis zu einem Aufruf zu Gewalt", erklärt die Expertin.

"Schlüsselpersonen aus dem Verkehr ziehen"

Dreh- und Angelpunkt sind auch hier Influencer, die ihre Hetze zur Karriere machen, Personen rekrutieren und radikalisieren. Als Beispiel bekannter Szene-Köpfe nennt die Expertin "Hassprediger" Mirsad O., der 2022 zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt worden ist. Dieser habe "unglaublich viele Leute für den Krieg in Syrien begeistert, sie radikalisiert und auch ermutigt, hinzufahren".

Der Staatsschutz müsse nun genau diese Akteure, die ihre Hassbotschaft so geschickt verbreiten, dass sie junge Leute innerhalb weniger Monate radikalisieren und tatsächlich zu blutigen Handlungen bringen können, beobachten und die Politik zu einer "Entscheidung kommen, etwas zu tun".

Pisoius Ansage ist glasklar: "Diese Schlüsselpersonen müssen aus dem Verkehr gezogen werden" und nicht ganze Ethnien unter Generalverdacht gestellt werden.

Held von Villach

Noch Schlimmeres verhindert hat Alaaeddin Alhalabi (42). Der Vater dreier Kinder stammt ebenfalls aus Syrien und lebt nach eigenen Angaben seit neun Jahren in Villach und liebt die Stadt. Als er blutende Menschen am Boden entdeckte, handelte er sofort und rammte den Messer-Attentäter mit seinem Auto.

"Ich habe nur gewusst, ich musste ihn stoppen. Gott sei Dank flog ihm dann das Messer direkt aus der Hand", sagt Alhalabi. Die Polizei spricht von einer "Heldentat". Der couragiere Einwanderer von Bürgerpflicht: "Ich habe nur gemacht, was ich machen musste."

Radikale Islamisten bezeichnet er als "Idioten": "Ich bin auch aus Syrien, ich habe keine Ahnung, warum die Menschen so etwas machen. Unsere Religion sagt so etwas nicht. Vielleicht verstehen einige Idioten die Religion falsch. Wir lieben alle Menschen, wir sind alle Menschen".

Mehr dazu: Held von Villach verhinderte noch größeres Blutbad

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 18.02.2025, 08:30, 17.02.2025, 15:38
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