ÖVP-Chef Stocker und SPÖ-Vorsitzender Babler nähern sich einer Koalition an – nehmen sie NEOS-Frontfrau Beate Meinl-Reisinger mit an Bord?
Helmut Graf, Denise Auer, iStock / Montage "Heute"
Eine Woche ist es her, dass die blau-schwarzen Koalitionsgespräche geplatzt sind. Seitdem loten ÖVP und SPÖ aus, ob sie es doch wieder miteinander probieren. Die Gespräche auf Ebene der Parteichefs Christian Stocker (ÖVP) und Andreas Babler (SPÖ) sowie in kleinen Teams laufen auf Hochtouren. Laut "Heute"-Informationen sitzt man täglich viele Stunde zusammen, oft bis spät in die Nacht. Schon nach einem Tag kamen Stocker und Babler auf mehr gemeinsame Stunden am Verhandlungstisch als der ÖVP-Chef mit FPÖ-Obmann Herbert Kickl in rund vier Wochen, heißt es.
"Verhandler meinen es ernst"
Auch am Mittwoch sitzen ÖVP und SPÖ seit in der Früh wieder zusammen. Die Gespräche laufen unter höchster Geheimhaltung. "Es gibt keine Sabotage-Akte, keine Leaks – das zeigt, dass die Verhandler es ernst meinen", sagt ein hochrangiger Stratege. Alle seien sich bewusst, dass jetzt die "staatspolitische Verantwortung im Vordergrund" stehen müsse.
Von echten "Verhandlungen" für eine schwarz-rote Regierungszusammenarbeit will freilich noch niemand sprechen. Ob es in solche mündet, soll jetzt "zeitnah" entschieden werden. Donnerstag oder Freitag wollen Stocker und Babler laut "Heute"-Informationen bekannt geben, in welche Richtung es geht, das heißt, ob sie eine Koalition versuchen. "Kann aber auch sein, dass es noch übers Wochenende dauert", meint ein Insider. Ist diese Grundsatzentscheidung gefallen, will man jedenfalls auch die Öffentlichkeit informieren.
Die Verhandlerteams
Für die ÖVP verhandeln neben Parteichef Stocker federführend Klubobmann August Wöginger und Generalsekretär Alexander Pröll. Ebenfalls nahezu durchgehend dabei ist auf Seiten der Schwarzen Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer. Ein Comeback beim Budget-Thema feiert Stefan Steiner, Intimus von Ex-Kanzler Sebastian Kurz.
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OÖ-Chef Thomas Stelzer ist Verbindungsmann zu den schwarzen Länder-Granden...
Sabine Hertel
...und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer das Pendant der Wirtschaft zu den Gewerkschaftsgranden der SPÖ.
Helmut Graf
ÖVP-Obmann Christian Stocker – hier mit Generalsekretär Alexander Pröll – ist schwarzer Chefverhandler.
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com
SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler führt das rote Team an.
Helmut Graf
SPÖ-Ikone Doris Bures gilt als sehr erfahrene Koalitionsverhandlerin und soll die "Reparatur-Koalition" über die Ziellinie bringen.
Denise Auer
SPÖ-Vizeklubchef Philip Kucher sitzt auch am Tisch.
Sabine Hertel
SPÖ-Frauenchefin Eva-Maria Holzleitner.
Helmut Graf
FSG-Boss Josef Muchitsch gilt als pragmatisch,...
Helmut Graf
...das trifft auch auf ÖVP-Klubobmann August Wöginger zu.
Denise Auer
ÖVP-Generalsekretär Alexander Pröll ist für die Schwarzen wieder mit von der Partie.
Denise Auer
OÖ-Chef Thomas Stelzer ist Verbindungsmann zu den schwarzen Länder-Granden...
Sabine Hertel
...und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer das Pendant der Wirtschaft zu den Gewerkschaftsgranden der SPÖ.
Helmut Graf
ÖVP-Obmann Christian Stocker – hier mit Generalsekretär Alexander Pröll – ist schwarzer Chefverhandler.
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com
SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler führt das rote Team an.
Helmut Graf
Bei den Roten wurden Parteichef Andreas Babler die Dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures, Klubvize Philip Kucher, Frauen-Chefin Eva-Maria Holzleitner und Gewerkschafter Josef Muchitsch zur Seite gestellt. Im Hintergrund stark eingebunden ist ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian.
Raufen sich ÖVP und SPÖ nicht zusammen, kommen die von Bundespräsident Alexander Van der Bellen skizzierten Optionen einer Expertenregierung oder Neuwahlen zum Zug. Die vierte Möglichkeit einer Minderheitsregierung aus ÖVP und NEOS dürfte nicht realistisch sein.
Die Gespräche dürften jedenfalls in konstruktivem Klima und sehr effizient laufen, ist aus Verhandlerkreisen zu hören. Man musste ja auch nicht von Null weg beginnen – immerhin hatte man sich in den letztlich geplatzten Ampelgesprächen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS schon in etlichen Punkten geeinigt. "Es liegt schon viel am Tisch, das nicht mehr verhandelt werden muss", heißt es.
Erster großer Knackpunkt ist das Budget. FPÖ und ÖVP hatten einen Budgetplan nach Brüssel geschickt, um ein EU-Defizitverfahren zu vermeiden. Dieser Plan sieht für 2025 Einsparungen beziehungsweise zusätzliche Einnahmen von 6,4 Milliarden Euro vor. Das blau-schwarze Papier wird nun noch einmal genau durchgegangen – die Frage ist, inwieweit die SPÖ die vorgeschlagenen Maßnahmen akzeptiert. Einiges dürfte noch einmal aufgeschnürt oder umgewichtet werden.
SPÖ-Chef Babler hatte in den Ampel-Verhandlungen ja bis zuletzt auf größere Beiträgen von Vermögenden und "Krisengewinner-Branchen" zur Budgetkonsolidierung gepocht. Das umfasst auch eine höhere Bankensteuer – immerhin wurden die Geldinstitute in der Finanzkrise ab 2008 mit Steuermilliarden gerettet, die sie nach wie vor nicht voll zurückgezahlt haben.
Während die Schwarzen von einer Bankenabgabe zunächst nichts wissen wollten, stehen sie der Causa inzwischen etwas offener gegenüber. Wenn es temporär sei und intelligent gemacht, werde sich die ÖVP nicht querstellen, ist aus schwarzen Verhandlerkreisen zu hören. Es gehe immer auch darum, wofür das Geld verwendet werde – zuletzt war etwa die Rede von einem von den Banken dotierten Fonds, aus dem Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur finanziert werden sollen.
Das ursprüngliche SPÖ-Modell einer höheren Bankensteuer, das inklusive einer befristeten Sonderabgabe eine Milliarde Euro jährlich hätte bringen sollen, wird aber nicht mehr herangezogen, ist zu hören. Kein Thema mehr dürften auch die SPÖ-Dauerbrenner Erbschafts- und Vermögenssteuern sein.
"Keine Denkverbote"
Neben den Budgetfragen standen bei den schwarz-roten Gesprächen dem Vernehmen nach vor allem die Bereiche Sicherheit und Migration im Fokus. Die ÖVP pocht nach dem Villach-Attentat wieder stark auf eine Überwachung von Messenger-Diensten wie WhatsApp, Telegram, Signal – die SPÖ war früher strikt dagegen, ist diesbezüglich nun aber gesprächsbereit. Wenn es um die Sicherheit gehe, dürfe es keine Denkverbote geben, sagte der rote Klubvize Philip Kucher am Dienstag im ORF-Report.
ÖVP und SPÖ wollen auch sinnvolle Vorschläge aus den Vereinbarungen mit den Blauen zur Umsetzung bringen, "um ihnen kein Oppositionsmonopol der Marke 'Wir gegen die Einheitspartei' zu überlassen", formuliert es ein hochrangiger Stratege.
Gesprochen wird natürlich auch über Zuständigkeiten. Begehrlichkeiten hinsichtlich des Finanz- UND Innenministeriums haben beide Parteien, wird kolportiert. Bevor man die Ressortverteilung ernsthaft diskutieren könne, müsse jedoch eine weitere Grundsatzentscheidung fallen, meint ein schwarzer Stratege – nämlich ob man die NEOS vielleicht doch mit an Bord hole.
Kommen die NEOS an Bord?
Wenn sich ÖVP und SPÖ zur Zusammenarbeit entschließen, sei danach auf Ebene der Parteichefs zu klären, in welcher Form wegen der wackligen Mehrheit von nur einem Mandat im Parlament die NEOS eingebunden werden: ob als Teil einer Regierungskoalition oder in Form einer Themenpartnerschaft oder ob das von Fall zu Fall entscheiden zu sei. Erster Meilenstein einer neuen Regierung wird die Verabschiedung des Budgets im Nationalrat sein – geplant ist ein Doppelbudget für die Jahre 2025 und 2026. Da braucht es eine solide Mehrheit.
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