Budget, Asyl, Pensionen

Regierungs-Showdown – Worum Stocker und Babler streiten

ÖVP und SPÖ wollen im zweiten Anlauf doch eine Koalition zusammenbringen. Von Null starten sie nicht: Wo sie sich schon einig waren, wo es sich spießt
Angela Sellner
17.02.2025, 17:11

Ähnliches Szenario, nur einer der Hauptdarsteller wurde ausgetauscht: Statt Karl Nehammer redet nun sein Nachfolger an der ÖVP-Spitze, Christian Stocker, mit SPÖ-Obmann Andreas Babler über ein mögliches gemeinsames Regierungsprogramm.

"Allen ist bewusst, dass es jetzt Tempo braucht. Es müssen schnell Ergebnisse her", sagen Strategen beider Parteien zu "Heute". Inhaltlich will man sich noch nicht in die Karten schauen lassen – "wenn wir Vertrauen aufbauen wollen, ist nun wirklich Vertraulichkeit angesagt", wird betont.

Vergleichsweise schnell gehen könnte es in der Tat – denn die Teams von ÖVP und SPÖ können auf umfangreichen Vorarbeiten der letztlich gescheiterten Verhandlungen für eine Dreier-Koalition mit den NEOS aufbauen. Ein 285 Seiten starkes geheimes Protokoll der Ampel-Gespräche mit Stand 30. Dezember 2024, das "Heute" vorliegt, zeigt, dass man sich in vielen Bereichen bereits geeinigt hatte. Freilich waren etliche Punkte in den sieben Kapiteln von Wirtschaft bis Bildung aber insbesondere zwischen ÖVP und SPÖ völlig kontrovers, also auf Rot gestellt.

Budget wieder im Fokus

Größte Anfangshürde am Weg zur "Großen" Koalition aus ÖVP und SPÖ dürfte einmal mehr das Budget sein. Zur Vermeidung eines drohenden EU-Defizitverfahrens hatte Interims-Finanzminister Gunter Mayr (ÖVP) Mitte Jänner einen Budgetplan in Brüssel vorgelegt – als anfängliches Ergebnis der inzwischen auch gescheiterten blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen. Dieser Plan sieht vor, dass Österreich allein heuer 6,4 Milliarden Euro einsparen muss.

Die Frage ist, wie Schwarz-Rot dieses Thema nun angeht. In den früheren Verhandlungen war die SPÖ dafür, ein EU-Defizitverfahren zu riskieren – der Spardruck wäre dann geringer. Abgesehen davon herrschte grundsätzlich Uneinigkeit zwischen Volkspartei und Sozialdemokraten über den Weg der Budgetkonsolidierung. Die Schwarzen wollten rein ausgabenseitig sparen, die Roten pochten auf eine stark einnahmenseitige Komponente.

ÖVP-Einlenken bei Bankenabgabe

Auch wenn es dem Vernehmen nach hier Annäherungen gibt – die ÖVP dürfte hinsichtlich der von der SPÖ geforderten Bankenabgabe einlenken – ist das Budget Insidern zufolge ein "großer Brocken" am Weg zu Schwarz-Rot. Zuversicht hinsichtlich einer Einigung signalisiert Kärntens SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser: "Ich denke, dass der Budgetpfad, der von FPÖ und ÖVP für das erste Jahr nach Brüssel gemeldet ist, in wesentlichen Teilen übernommen werden kann", so Kaiser in Ö1.

Streitpunkt Lohnnebenkosten

Wo es sich dem "alten" Verhandlungsprotokoll zufolge aber spießte zwischen Schwarz und Rot, ist beispielsweise die dringende ÖVP-Forderung nach einer Senkung der Lohnnebenkosten. Die SPÖ lehnt das ab (es sei denn, die Unternehmen finanzieren es sich selbst) – unter anderem fürchtet die Gewerkschaft sonst einen Kahlschlag bei Gesundheitsleistungen.

Die ÖVP will auch die Unternehmenssteuer (KöSt) weiter senken, die SPÖ möchte sie wieder anheben.

Hassprediger-Register

Im Bereich Asyl/Integration wurde in den Ampel-Gesprächen zwar ein Paket ausgehandelt, das unter anderem die Umsetzung des auf EU-Ebene beschlossenen Asyl- und Migrationspakts, ein Kopftuchverbot für Mädchen bis 14 sowie ein verpflichtendes Integrationsjahr mit Deutsch- und Wertekursen für Geflüchtete "ab dem ersten Tag" vorsieht. Österreich will sich auch für die Schaffung eines europäischen Hassprediger-Registers samt Einreiseverbot in den Schengen-Raum stark machen.

Im brisanten Asylbereich gibt es jedoch Knackpunkte. Auf Rot standen etwa noch Aspekte einer Neuregelung des Familiennachzugs, die Frage einer Wohnsitzauflage für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte, die Einführung einer Sicherungshaft für Asylwerber bei Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Wobei das Verhandlungsprotokoll streckenweise nicht mehr den Letztstand der Gespräche wiedergeben dürfte.

Messenger-Überwachung auf Rot, aber...

Keine Einigkeit herrschte hinsichtlich der von der ÖVP im Kampf gegen Terrorismus geforderten Überwachungsmöglicheit von Messengerdiensten wie WhatsApp. Nach dem islamistisch motivierten Attentat in Villach am Samstag steht das wieder ganz oben auf der Agenda – nachdem sich der Täter über die Videoplattform TikTok radikalisiert haben soll.

Allerdings signalisieren die Roten jetzt offenbar Gesprächsbereitschaft. Laut Ö1-Mittagsjournal hieß es aus dem SPÖ-Parlamentsklub, dass eine verfassungskonforme Überwachung der Messengerdienste zu prüfen sei. Der mächtige Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig hatte sich bereits nach dem vereitelten Anschlag auf das Taylor-Swift-Konzert in Wien vergangenen Sommer in diese Richtung geäußert. Er bekräftigte diese Haltung am Montag am Rande der Pressekonferenz zur Vorstellung der Kandidaten für die Wien-Wahl.

Handy-Check bei Asylanträgen?

Ebenfalls auf Rot steht in den Protokollen der Punkt: "Verpflichtung aller Fremder zur Bereitstellung und Öffnung ihrer Mobiltelefone bei Asylanträgen".

Generelle Nachschau in Handys von Asylwerbern fand keinen Konsens. Im Verdachtsfall womöglich schon – denn folgendes Vorhaben findet sich in dem Ampel-Dokument, allerdings ebenfalls noch auf Rot: "Asylsuchende dürfen kein nationales Sicherheitsrisiko darstellen. So soll künftig ein Katalog erstellt werden, der Asyl-Ausschlussgründe aufgrund eines festgestellten Sicherheitsrisikos auflistet, so zum Beispiel das Teilen von Terror und Extremismus verherrlichenden Inhalten auf den sozialen Medien." Dem Vernehmen nach waren die Verhandler hier letztlich schon weiter, einigten sich auf eine Formulierung.

Strafmündigkeit mit 12

Bei der Senkung des Alters der Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre waren sich FPÖ und ÖVP einig. Die SPÖ war in den Ampel-Verhandlungen dagegen.

Beim Thema Energie dürfte es auch noch Gesprächsbedarf geben: Den von SPÖ und NEOS unterstützten "Ausstieg aus fossilen Energiequellen im Einklang mit dem österreichischen Ziel der Klimaneutralität" lehnte die ÖVP zuletzt ab.

Pensionen, Oma-Karenz, Nikolo

Der Bereich Pensionen dürfte auch noch Streit-Potenzial bergen. Etwa hinsichtlich einer Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters, steuerlicher Anreize fürs Arbeiten nach dem Regelpensionsalter, Änderungen beim Pensionskonto.

Umstritten war zuletzt auch die ÖVP-Forderung nach einer "Oma- und Opa-Karenz" als Ergänzung des Kinderbetreuungs-Spektrums.

Keine Zustimmung fand die ÖVP bei der SPÖ zudem hinsichtlich des Plans, "unsere Fest- und Feiertagskultur (Nikolaus, Weihnachten, Ostern, Muttertag, Erntedankfest, etc.)" für Schule und Kindergarten gesetzlich verpflichtend festzuschreiben.

{title && {title} } sea, {title && {title} } Akt. 17.02.2025, 17:22, 17.02.2025, 17:11
Es gibt neue Nachrichten auf Heute.atZur Startseite