Wirtschaftskammer-Generalsekretär Wolfgang Hattmansdorfer war ÖVP-Chefverhandler in den gescheiterten Koalitionsgesprächen zuerst mit SPÖ und Neos, dann mit der FPÖ. Der 45-jährige Linzer war Soziallandesrat in der oberösterreichischen Landesregierung und ist seit Jahresbeginn in Wien in der Führungsetage der Wirtschaftskammer. Hattmannsdorfer gilt als Geheimtipp der ÖVP, sein Name fällt regelmäßig, wenn es (mindestens) um Ministerposten geht. Er selbst freilich wird nicht müde zu betonen, er bleibe Wirtschaftskammer-General.
Im "Heute"-Talk skizziert Hattmannsdorfer, warum der blau-schwarze Versuch crashte und wie es nun weitergehen soll.
Zum Aus der Gespräche mit der FPÖ sagt Hattmannsdorfer: "Die Verhandlungen sind an Herbert Kickl gescheitert, nicht an der Freiheitlichen Partei. Es gibt, glaube ich, weite Kreise in der FPÖ, die dieses Projekt wollten. Die sind jetzt auch extrem enttäuscht, dass Kickl es hat scheitern lassen."
„Die Verhandlungen sind an Herbert Kickl gescheitert, nicht an der Freiheitlichen Partei. Es gibt, glaube ich, weite Kreise in der FPÖ, die dieses Projekt wollten.“Wolfgang HattmannsdorferGeneralsekretär der Wirtschaftskammer (ÖVP)
Es sei aber "schlichtweg nicht möglich" gewesen, mit Kickl eine Regierung zu bilden: "Weil er ständig rote Linien überschritten und bewusst provoziert hat, mit zum Teil absurden Forderungen wie einem EU-Fahnenverbot oder der Ablehnung eines Holocaust-Museums."
Entscheidend für die ÖVP sei eine klare proeuropäische, internationale Ausrichtung Österreichs: "Unsere Wertschöpfung, unsere Jobs gibt es, weil wir weltweit unsere Produkte verkaufen, weil wir vom Export leben. Da braucht es eine Orientierung in Richtung Westen und nicht nach Osten", betont Hattmannsdorfer.
Ob Blau-Schwarz nun am Streit um die Ressortaufteilung – bekanntlich beharrte die FPÖ ja auf dem Finanz- UND Innenministerium – gescheitert sei oder an inhaltlichen Grundsätzen? "Sowohl als auch", sagt Hattmannsdorfer: "Herbert Kickl war leider nicht kompromissbereit, nicht bereit, auf Augenhöhe zu verhandeln." FPÖ und ÖVP seien "in etwa gleich starke Parteien", da geht es nicht, dass einer alle wesentlichen Ressorts beansprucht".
Sauer stößt Hattmannsdorfer auch auf, dass Kickl zuletzt seine Forderungen an die ÖVP über Facebook-Postings kommuniziert habe. "Bei uns in Oberösterreich gibt es ein Sprichwort 'Beim Reden kommen die Leut' z'samm'. Leider hat Herbert Kickl dieses Sprichwort nicht beherzigt."
Wie es jetzt weitergehe? Kommen ÖVP und SPÖ doch noch zusammen? Festlegen will sich Hattmannsdorfer nicht. Aber: "Österreich braucht raschest eine handlungsfähige Regierung. Keine Partei hat die absolute Mehrheit, also braucht es Zusammenarbeit – und zwar dringend, weil zentrale Fragen am Spiel stehen: die Erholung unserer Wirtschaft, die Sicherung von Jobs und Wohlstand."
„Mich stört derzeit am meisten das Gegeneinander in der Politik, dieses Hickhack, das muss aufhören. Da muss sich jede Partei an der Nase nehmen.“Wolfgang HattmannsdorferGeneralsekretär der Wirtschaftskammer (ÖVP)
Priorität müsse haben, dass Österreichs Wirtschaft international erfolgreich ist, dass die Rahmenbedingungen für die Exportindustrie passen. Retro-Politik der 70er Jahre habe da keinen Platz, sagt Hattmannsdorfer in Anspielung auf Forderungen von SPÖ-Chef Andreas Babler während der Ampel-Verhandlungen. "Abschottung à la FPÖ aber auch nicht."
Den Neustart von Gesprächen unter den Parteien sollten alle aber auch als solchen auffassen, appelliert Hattmannsdorfer: "Mich stört derzeit am meisten das Gegeneinander in der Politik, dieses Hickhack, das muss aufhören. Da muss sich jede Partei an der Nase nehmen, es geht um einen Beitrag zum Konsens, statt stur dazusitzen. Politik kannst du nur im Dialog machen."