FPÖ und ÖVP haben ihre Gespräche nach 37 Tagen offiziell beendet, Herbert Kickl hat am Mittwoch den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgelegt. In einer 45-minütigen Rede erklärte der Freiheitliche, warum die blau-schwarzen Verhandlungen aus seiner Sicht gescheitert sind – "Heute" berichtete.
Nachdem auch der zweite Anlauf zur Regierungsbildung misslungen ist, entscheidet nun Bundespräsident Alexander Van der Bellen, wie es jetzt weitergeht. In seiner Ansprache am Mittwochabend brachte er vier Optionen ins Spiel: Neuwahlen, eine Minderheitsregierung, eine Expertenregierung oder es findet sich doch noch eine Regierungsmehrheit.
Am Donnerstag kam es in der Hofburg zu einem regelrechten Meeting-Marathon. Van der Bellen führte Gespräche mit NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, Grünen-Chef Werner Kogler, ÖVP-Obmann Christian Stocker und SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler (in dieser Reihenfolge). Ein Statement nach den Treffen gab es seitens des Staatsoberhauptes keines.
Allerdings äußerten sich die Parteichefs vor bzw. nach den Treffen mit Van der Bellen. Zuerst kam Meinl-Reisinger in die Hofburg. Gegenüber Reportern vor Ort sagte sie, dass sie mit ÖVP und SPÖ in Kontakt sei, um die vorliegenden Varianten zu besprechen. "Zu all diesen Varianten sind wir bereit, uns konstruktiv zu verhalten. Die Bevölkerung hat keine Geduld mehr", so die NEOS-Chefin. Nach dem Treffen betonte sie, dass es wichtig sei, statt Vergangenheitsbewältigung "in die Zukunft zu schauen."
Grünen-Chef Werner Kogler fand deutliche Worte: Es sei "gut, wenn die Bevölkerung sieht, dass Kaiser Kickl nackt ist." Jetzt sei wieder die Chance da, eine proeuropäische Regierung zu bekommen. Doch dazu brauche es die viel beschworene "Zusammenarbeit der konstruktiven Kräfte". Vor allem bei den großen Parteien "wird es Bewegung geben müssen". Der Grünen-Chef ist aber sicher: "Ein Neustart ist möglich und den brauchen wir." Auch Kogler betonte, dass man sich "konstruktiv" verhalten werde, seine Partei werde für Mehrheiten eine Rolle spielen. Neuwahlen seien keine Tragödie, aber man habe gerade erst gewählt.
Gegen 14.20 Uhr ist Christian Stocker eingetroffen – er brachte Generalsekretär Alexander Pröll, Klubchef August Wögigner und OÖ-Landeshauptmann Thomas Stelzer mit. Gegenüber Pressevertretern sprach er mit Blick auf Mittwoch von einem "entscheidenden Tag für die Republik". Herbert Kickl hat seinen Regierungsauftrag nicht erfüllen könne, nun sei das Land in einer "schwierigen Situation". Jetzt gehe es darum, aus dieser Situation herauszukommen und eine "gute Lösung" zu finden.
Im Laufe des Nachmittags hat in der SPÖ eine Präsidiumssitzung begonnen. Die Roten wollen "aufs Gas steigen", hieß es im Vorfeld, die Akzeptanz der Bevölkerung sei "mehr als überstrapaziert". In allfällige erneute Koalitionsverhandlungen würde die SPÖ dem Vernehmen nach mit einem verschlankten Team antreten.
Kurz vor 16 Uhr ist Parteichef Babler vor die Presse getreten. Er kritisierte das "unwürdige Schauspiel", das das Land nicht verdient hätte. Jetzt wolle er mit der ÖVP Gespräche darüber führen, ob es eine Möglichkeit für eine stabile Koalition geben könne. Der Vorsitzende haben dem Bundesparteivorstand vorgeschlagen, ein kleines Verhandlungsteam zu nominieren. Dieses besteht aus Babler selbst, Doris Bures, Philip Kucher, Eva Maria Holzleiter und Josef Muchitsch.
Vor dem Treffen mit Van der Bellen sagte Babler, dass er sich ein "gutes Gespräch" erwarte. Gleichzeitig stellte er klar: "Ich würde es für das Land nicht gut finden, wenn wir in eine Neuwahl und Wahlkampfsituation über die nächsten Monate kommen", stellte der rote Parteichef klar. Jetzt brauche es eine rasche Regierung, die für Stabilität sorgt, "egal ob aus unseren Reihen oder mit anerkannten Persönlichkeiten besetzt". Sollten die Verhandlungen mit der SPÖ aber aufgenommen werden, stehen die Sozialdemokraten mit einem Team bereit, so Babler.
Am Abend war dann schließlich klar, eine schnelle Entscheidung wird es nicht werden. Aus der Präsidentschaftskanzlei hieß es: "Alexander Van der Bellen dankt den Parteiobleuten für die Gespräche. Sie haben in konstruktiver und vertrauensvoller Atmosphäre stattgefunden. Es wurde vereinbart, dass der Bundespräsident mit den Gesprächspartnern in den kommenden Tagen in engem Austausch bleibt. Allen ist klar, dass nun rasch und verantwortungsvoll gehandelt werden muss."