Defizit-Drama

"Jede Woche ohne Regierung wird es schwieriger"

Noch immer hat Österreich keine neue Regierung, doch der Schulden-Hammer hängt weiter über dem Land. Kommt nun doch ein EU-Defizitverfahren?
Newsdesk Heute
18.02.2025, 22:45

Jetzt versuchen es also ÖVP-Chef Christian Stocker und SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler – doch auch Schwarz-Rot ist alles andere als fix und beide Parteien liegen bei Posten und Inhalten erneut weit auseinander. Drängendstes Thema ist allerdings weiter das Budget. Und plötzlich droht auch wieder ein EU-Defizitverfahren für Österreich, das man eigentlich bereits mit den Verhandlungen der FPÖ mit der ÖVP als abgewendet abgehakt hatte. Das allerdings nur durch einen blau-schwarzen Sparplan, der nach Brüssel übermittelt wurde.

Pikant: Damit das Defizitverfahren abgewendet bleibt, müsste eine mögliche schwarz-rote Regierung den blau-schwarzen Budgetplan durch den Nationalrat bringen. Die Roten wollen allerdings erst einmal prüfen, welche Maßnahmen da eigentlich genannt wurden – und ob diese zur Politik der Sozialdemokratie passen. Falls nicht, müsste der Plan angepasst und womöglich ganz neu eingereicht werden. Die Zeit drängt allerdings für das Land, denn der nächste Überprüfungstermin für das vorerst abgewendete Defizitverfahren ist bereits Ende April.

Nicht so, dass "Troika einfliegt und entscheidet"

Wie dramatisch die Situation ist, schätzte der Wirtschaftsforscher Christoph Badelt am späten Dienstagabend in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Stefan Lenglinger ein. "Aus Budgetsicht ist es tatsächlich so, dass jede Woche, die wir keine Regierung haben, eine Budgetkonsolidierung schwieriger wird", so Badelt. Wenn es darum gehe, nichts anderes im Sinn zu haben, als kein Defizitverfahren zu erreichen, "was ich fast schon übertrieben finde", sei das bisher auf den Tisch gelegte ausreichend, so der Wirtschaftsforscher.

Aber, so warnte Badelt: Einerseits werde im Mai eine neue Konjunkturprognose erscheinen, die schlechter ausfallen werde, als bisher gedacht – andererseits habe man mit der Vermeidung eines Defizitverfahrens "noch keinen Cent" hereingeholt, um Projekte, die die Regierung umsetzen wolle, finanzieren zu können. "Ich glaube, dass wir in der Praxis in das Defizitverfahren reinwandern", so Badelt, "ich glaube nicht, dass das so eine Katastrophe ist", auch wenn er das als Fiskalrat "natürlich nicht" erstrebenswert empfinde.

Durch die "Verschlechterung der Umstände" könne ein Defizitverfahren leicht passieren, so Badelt, es wäre "relativ peinlich" für eine Regierung, wenn sie zum Start sage, dass man ein solches vermieden habe, und es dann doch eines gebe. Badelt beruhigte aber auch: Es sei nicht so, dass wegen jedem angeschafften Bleistift "die Troika einfliegt und entscheidet, was wir tun müssen". Badelt glaube übrigens nicht an das Milliardenpaket der Verhandler – es gebe sicher 100 Punkte, wo "vorbehaltlich der budgetären Deckung" dabeistehe. "Sie dürften keinen einzigen dieser Punkte umsetzen", so Badelt aus Budgetsicht.

Das sieht das bisher geplante Doppelbudget vor

Die Ampel-Verhandler von ÖVP, SPÖ und NEOS hatten sich seinerzeit zwar nicht einigen können hinsichtlich der Haltung zu einem allfälligen EU-Verfahren – riskieren oder abwenden – und schon gar nicht auf einen konkreten Budgetpfad. Einig war man sich aber im Ziel eines Doppelbudgets für die Jahre 2025/26. Das haben dem Vernehmen nach jetzt auch Schwarz und Rot im Visier.

Das Budget verhandeln jetzt federführend die Klubobleute August Wöginger (ÖVP) und Philip Kucher (SPÖ). Auf ÖVP-Seite hat bei diesem Thema übrigens, wie von "Heute" berichtet", Kurz-Stratege Stefan Steiner ein Comeback am Verhandlungstisch.

Klubobleute Philip Kucher (SPÖ) und August Wöginger (ÖVP) verhandeln Budget für Schwarz-Rot.
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Zwischen ÖVP und SPÖ herrschte ja während der Ampel-Gespräche ein grundsätzlicher Konflikt über die Budgetkonsolidierung. Die Schwarzen wollten rein bei den Ausgaben sparen, die Roten beharrten auch auf substanzielle, einnahmenseitige Maßnahmen.

Jetzt doch Bankenabgabe

Die SPÖ-Forderung nach einer Bankenabgabe war ein Mitgrund für das Scheitern der schwarz-roten-Gespräche Anfang Jänner. Denn die ÖVP lehnte, orchestriert von Raiffeisen im Hintergrund, eine höhere Bankensteuer strikt ab. Jetzt dürfte das Thema einigermaßen "befriedet" sein. Nachdem die Schwarzen sich zuletzt bereits etwas geöffnet hatten hinsichtlich eines Beitrags der Banken, sollte es auch jetzt an dieser Causa nicht scheitern, meinen Verhandlungs-Insider.

Das ÖVP-Modell einer "Bankenabgabe light" – eines freiwilligen Beitrags der Geldinstitute, der in einen Fonds für konjunktur-ankurbelnde Maßnahmen fließt – dürfte freilich nicht ganz reichen. Schließlich braucht die SPÖ etwas, das sie ihren Wählern als Beitrag jener, die von der Krise massiv profitiert haben, verkaufen kann. Die Banken wurden bekanntlich mit Milliarden an Steuergeld in der Finanzkrise ab 2008 gerettet, haben noch immer nicht alles zurückgezahlt und schreiben inzwischen wieder Milliardengewinne.

Das ursprüngliche SPÖ-Modell einer höheren Bankensteuer, das inklusive einer befristeten Sonderabgabe eine Milliarde Euro jährlich hätte bringen sollen, wird aber nicht mehr herangezogen, ist zu hören.

Kein Thema mehr dürften auch die SPÖ-Dauerbrenner Erbschafts- und Vermögenssteuern sein.

Pensionisten nicht belasten

Die Pensionisten zu belasten, könnte für Rot wie Schwarz ein No-Go sein. Im blau-schwarzen Budgetpfad waren 270 Millionen Euro eingeplant, die aus einer Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten kommen sollten. Auf Nachfrage wurde das damals schon als noch nicht fixe Manövriermasse bezeichnet. Das könnte jetzt rausfallen aus dem Budget, vielleicht durch die Bankenabgabe ersetzt werden.

Einziger Knackpunkt beim Budget ist die Bankenabgabe kaum. Der Budgetplan birgt noch etliche andere "heiße Eisen". Nicht zuletzt braucht es noch mehr als die 6,4 Milliarden – denn es müssen auch Maßnahmen zur Ankurbelung der darniederliegenden Wirtschaft finanziert werden. Sonst droht der ganze Sanierungspfad, der auf in naher Zukunft anziehendem Wachstum und sinkender Arbeitslosigkeit aufbaut, ins Leere zu münden...

Gute Nachrichten gab es am Dienstag zumindest aus Brüssel. Interims-Finanzminister Gunter Mayr nahm dort am Ecofin-Rat, dem monatlichen Treffen der EU-Finanzminister, teil. Diskutiert wurde dort unter anderem die budgetäre Lage einzelner Mitgliedsstaaten, die sich bereits in einem EU-Defizitverfahren befinden oder denen es droht. "Österreich stand aber nicht auf der Tagesordnung", berichtete Mayr – "und damit steht eine unmittelbare Neubewertung unserer budgetären Situation und auch die Einleitung eines Defizitverfahrens nicht im Raum".

"Das zeigt, dass die Europäische Kommission, trotz der durchaus herausfordernden innenpolitischen Situation in unserem Land, Vertrauen in das Funktionieren der österreichischen Institutionen hat", so Mayr: "Es bleibt also dabei, dass die Kommission die Budgetsituation Österreichs erst im April neu bewerten wird.“

{title && {title} } red, {title && {title} } 18.02.2025, 22:45
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