Heftiges Gezerre um Koalition
"Werden dauernd überrumpelt": Ampel steht an der Kippe
Der hitzige Konflikt zwischen ÖVP und SPÖ um die Budgetsanierung und neue Steuern schwelt weiter. "Das könnte die Ampel sprengen", meint ein Insider.
Die konkreten Gespräche, ob es zum ersten Polit-Dreier in Österreich kommt, sind in der zweiten Woche – und die Stimmung zwischen den Parteien dürfte sich bereits heftig eintrüben. Vor allem zwischen den beiden "Großen" – ÖVP und SPÖ – kriselt es und einzelne Stimmen, dass das Ganze vielleicht doch keine so gute Idee sei, werden lauter. Mit dem pinken Juniorpartner Neos hingegen scheinen beide recht gut auszukommen.
Aitor am Punkt zur Ampelregierung
Am Montag gingen die Verhandlungen in einigen Untergruppen weiter – es gibt ja, wie berichtet, sieben thematische "Cluster" und darunter in Summe 33 Untergruppen. Insgesamt sind rund 300 Verhandler aus den drei Parteien involviert.
Organisatorischer Marathon
"Das ist allein schon eine immense organisatorische Herausforderung", wird im Umfeld der Verhandler geätzt. Etliche Personen sitzen in mehreren Arbeitsgruppen, da ist bereits die Terminkoordination mühsam. Zumal einige ÖVPler "auf einer Vier-Tage-Verhandlungs-Woche beharren" würden, schildert ein SPÖ-Insider.
In einigen Gruppen soll es, allen Unkenrufen zum Trotz, gut laufen und ein gemeinsamer Nenner in Sichtweite sein. Bei Themen wie Sicherheit oder Bildung gibt es freilich Prioritäten, die zwischen Türkis, Rot und Pink leicht außer Streit zu stellen sind.
Wo es sich spießt, ist im "Wirtschafts"-Cluster, insbesondere in der Gruppe "Steuern/Finanzen". Kein Wunder, hier geht's um den Dreh- und Angelpunkt der nächsten fünf Jahre, das Budget. Und speziell das, was dort fehlt. In Österreichs Staatskasse klafft bekanntlich ein riesiges Loch. Rund 15 Milliarden Euro muss die künftige Regierung in den nächsten Jahren aufstellen, damit das Land aus dem Budgetdesaster rauskommt.
Wo dieses Geld herkommen soll – ob allein durch Sparen bei den Ausgaben (ÖVP-Priorität) oder auch mittels zusätzlicher Einnahmen durch neue Steuern (das will die SPÖ) – ist die Wurzel des am Wochenende ausgebrochenen Konflikts zwischen Türkis und Rot.
Treffen Mitte der Woche
Der Budgetstreit sorgt vor dem nächsten Treffen der Gruppe "Steuern/Finanzen" Mitte der Woche weiter für Verstimmung zwischen den Ampel-Verhandlern. "Man hat manchmal das Gefühl, einzelne SPÖ-Vertreter torpedieren die Gespräche", sagt ein türkiser Teilnehmer. Vor allem der rote Finanzsprecher Kai Jan Krainer wird hier genannt. "Bei ihm glaubt man, er sitzt immer noch im U-Ausschuss."
Krainer soll in den Verhandlungen eine harte Linie Richtung Vermögens- und Unternehmenssteuern fahren; für die ÖVP bekanntlich ein absolutes No-Go.
In der SPÖ wiederum ärgert man sich, dass die ÖVP "dauernd neue Sachen aufs Tapet bringt" und immer neue "Budget-Horrorzahlen" auf den Tisch gelegt würden. Nachdem die ÖVP den Finanzminister gestellt habe, müsste den Türkisen das ja wohl alles bekannt gewesen sein. "Wir fühlen uns ein wenig gefrotzelt", heißt es.
"Vertrauen erschüttert"
Und es sei nicht gerade vertrauensfördernd, wenn man ständig wieder mit neuen Fakten "überrumpelt" werde. "Wenn das Vertrauen schon nach einer Verhandlungswoche so erschüttert ist – wie soll das zu einer jahrelangen Regierungszusammenarbeit führen?", meint ein Insider gegenüber "Heute".
Bis Ende der Woche soll dem Vernehmen nach noch einmal ein Kassasturz erfolgen. Dass das immer noch nicht zur Gänze passiert ist, sorgt auch für Irritation. Immerhin ist seit Beginn der Sondierungsgespräche, also seit etlichen Wochen, eine Budget-Expertengruppe am Werk, welche die Verhandler "füttern" soll.
ÖVP-Tabu Vermögenssteuer
Ob es neue Steuern braucht, um den Staatshaushalt in den Griff zu bekommen, ist jedenfalls heiß umstritten. SPÖ-Chef Andreas Babler beharrt darauf, dass es ohne "einnahmenseitige Maßnahmen" nicht gehe. Dass es eine Vermögens- und/oder Erbschaftsteuer sein müsse, ist für den roten Parteichef nicht in Stein gemeißelt. Aber: Babler zufolge soll das Geld von jenen kommen, "die in den letzten Jahren mehr profitiert haben". Da könnten auch Übergewinnsteuern für Energieunternehmen oder eine Bankenabgabe ins Spiel kommen – auch das ist für die türkise Klientel wohl schwer akzeptabel.
Diskussion um höhere Grundsteuer
Diskutiert wird laut "Heute"-Informationen tatsächlich über eine Erhöhung der Grundsteuer, mit Ausnahmen für kleine Häuslbauer. Was auf den ersten Blick nur große Immobilienbesitzer treffen würde, hat gleich zwei Haken – einerseits würden die Mieten steigen, andererseits hätte die Maßnahme keinen Effekt für das Bundesbudget, schließlich fließt eine Grundsteuer den Kommunen zu. Auf ÖVP-Seite würden sich zudem die Bauern wohl extrem querstellen.
Der Geld- beziehungsweise Steuerstreit birgt also noch viel Sprengstoff. So viel, dass er die ganze Ampel noch vor Start sprengen könnte, meinen einige Involvierte.
Fix ist: Türkis und Rot brauchen beide Verhandlungserfolge, die auch bei ihren "Leuten" ankommen. Zu hören ist, dass es etwa im SPÖ-Team Stimmen gibt, die nicht "um jeden Preis" mitregieren wollen und von Parteichef Babler erwarten, dass er in Punkten wie der Vermögenssteuer keine Zugeständnisse macht.
Keine Zielvorgaben der Chefs
Was auch für Verärgerung sorgt: Es würden keine konkreten Aufträge von der Chefebene auf dem Tisch liegen, heißt es. "Deshalb fühlt sich jeder bemüßigt, nach seinem Ermessen draufloszureden", formuliert es ein Verhandler. Man brauche klare Zielvorgaben – "sonst können wir die Budgetthematik nicht mal ansatzweise stemmen".
Bis Ende der Woche soll mehr Klarheit hergestellt werden. Und für 12. Dezember ist dann ein Zwischenbericht aus allen Clustern angesetzt, als Basis für die Entscheidung, ob man Richtung Dreier-Koalition weitermacht. Erste Gerüchte machen aber bereits die Runde, dieser Termin sei vorerst ausgesetzt...
Das sind die Ampel-Verhandler
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Auf den Punkt gebracht
- Der Konflikt zwischen ÖVP und SPÖ über die Budgetsanierung und neue Steuern droht die Verhandlungen zur Bildung einer Dreier-Koalition in Österreich zu sprengen.
- Während die ÖVP auf Sparmaßnahmen setzt, fordert die SPÖ zusätzliche Einnahmen durch neue Steuern, was zu erheblichen Spannungen und Misstrauen zwischen den Parteien führt.