Ampel-Verhandlungen in Krise
"Das war drastisch": Jetzt spricht SPÖ-Insider Klartext
Polit-Experte Josef Kalina kennt die SPÖ wie kaum ein Zweiter. In "Heute" spricht er nun über den Sand im Getriebe der Koalitionsverhandlungen.
Zähflüssiger Verkehr bei den Ampel-Verhandlungen: Wie von "Heute" berichtet, laufen die Gespräche über eine Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos alles andere als rund. Bundeskanzler Karl Nehammer, SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler und Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger trafen diese Woche sogar schon zu einer ersten Krisensitzung zusammen.
Hintergrund: Die Erhöhung der Beamtengehälter im Schnitt um 3,5 Prozent stieß den Pinken sauer auf. Neos-Mann Sepp Schellhorn machte seinem Ärger lautstark in den sozialen Medien Luft.
SPÖ-Kenner: "Das war drastisch"
Polit-Experte und SPÖ-Kenner Josef Kalina betrachtet den Schritt der Neos als "sehr ungewöhnlich". Man könne ihre Verärgerung zwar verstehen, gesteht er der Truppe um Beate Meinl-Reisinger zu, "doch man wählt in dieser Phase der Verhandlungen eigentlich nicht den Weg einer öffentlichen Debatte".
Normal wäre es, so Kalina, "die Beschwerde bei den Partnern zu deponieren". Wie sieht er das Geschehene? "Das war drastisch. Man könnte wähnen, dass da auch andere Absichten dahinterstecken ..."
"Babler-Jünger" bremsen bei Wirtschaft und Klima
Längst nicht die einzige Baustelle für die Ampel-Männchen. Wie Verhandlungsteilnehmer ausplauderten, läuft es in einigen Clustern alles andere als rund, "nämlich dort, wo die Anhänger von Bablers reiner Lehre bremsen", wie es gegenüber "Heute" heißt. Dazu zählt man etwa Julia Herr, Michaela Schmidt, Kai Jan Krainer und Gewerkschafter Reinhold Binder.
Im Wirtschaftsbereich liegen die drei Parteien teils meilenweit auseinander, das Steuerthema ist rot markiert – heißt: Die Chefgruppe muss sich darum kümmern. Das Klima ist hier derart vergiftet, dass man wechselseitig Wortklauberei betreibt. "Entlastung" hält die SPÖ "für einen neoliberalen Kampfbegriff", umgekehrt zeigen sich Rote darüber verärgert, "dass die ÖVP den Begriff 'Teuerung' ablehnt" und hochrangige schwarze Verhandlerinnen Donnerstagmittag ins Wochenende Richtung Landsitz aufbrechen.
"Die ÖVP hat das verursacht"
"Das Wirtschaftskapitel ist sicherlich der Knackpunkt dieser Koalitionsverhandlungen", bringt es Insider Kalina auf den Punkt. Er war erst Kanzlersprecher von Viktor Klima und später SPÖ-Manager – in einer Zeit, als die Sozialdemokratie noch Wahlen gewonnen hat. "Ich verstehe die Nervosität der ÖVP in diesem Punkt, denn die Lage ist äußerst kritisch und die Schwarzen haben sie selbst verursacht. Das können sie auch nicht den Grünen in die Schuhe schieben."
Fakt ist für ihn: "Es herrscht irrer Finanzbedarf. Denn zuerst muss man das Defizit eindämmen – hier sind fünf Milliarden Euro pro Jahr einzusparen – und dann hat man noch immer keinen einzigen Cent für dringend notwendige Investitionen."
„Man muss den Menschen reinen Wein einschenken. Es braucht Steuern UND drastische Einsparungen.“
Kalina plädiert also dafür, "den Menschen reinen Wein einzuschenken. Das Budget wird eine Herkulesaufgabe und man wird auf der Ausgabenseite nicht so viel einsparen können, ohne soziale Verwerfungen in Kauf zu nehmen." Ausweg? "Die ÖVP hört das nicht gerne, aber die, die mehr leisten können, werden jetzt einige Jahre mehr leisten müssen. Es braucht Steuern – entweder erhöhte oder neue – UND zusätzlich drastische Einsparungen."
Kalina: "Alle müssen sich bewegen"
Wie die drei sehr unterschiedlichen Parteien auf einen gemeinsamen Nenner kommen können? "Alle werden sich bewegen und über ihren eigenen Schatten springen müssen. Welche Abgaben kommen, kann man sich ausmachen – es ist klar, dass ÖVP und Neos aus ideologischen Gründen keiner Vermögens- und Erbschaftssteuer zustimmen können."
Dass nach vier FPÖ-Wahlsiegen in Serie die angepeilte Zusammenarbeit von Tag eins weg den Malus einer "Verlierer-Koalition" habe, sieht er nicht so: "Wenn ÖVP, SPÖ und Neos das vernünftig abschließen, haben sie gute Chancen. Aber sie müssen den Menschen offen und ehrlich sagen: 'Wir sind eine Sanierungskoalition und müssen den Gürtel einige Jahre enger schnallen'."
„Menschen wählen dich nicht fürs Verhindern, sondern für das Machen.“
Das Ausrichten von Unfreundlichkeiten über Medien hält Kalina indes für nicht zielführend: "Menschen wählen dich nicht fürs Verhindern, sondern für das Machen. Das müssen alle handelnden Akteure rasch verinnerlichen."
Was er den Verhandlern ans Herz legt? "Leuchtturmprojekte definieren!" Welche dem langjährigen Polit-Beobachter da einfallen? "Den Gesundheitsbereich so herrichten, dass alle – nicht nur die privat Versicherten – rasch wieder zu Terminen kommen. Die Schulen im Zuge einer Bildungsreform neu aufstellen. Und ein massives Investitionsprogramm, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Ich denke, hier kann sich jeder der drei Partner wieder finden."
„Die SPÖ ist eine Partei, die das Land gestalten möchte, keine Oppositionspartei.“
Seiner Partei, der SPÖ, rät er "unbedingt" zur Rückkehr in die Bundesregierung: "Die SPÖ ist keine Oppositionspartei. Die SPÖ ist eine Partei, die das Land gestalten und sozial gerechter machen möchte. Unsere Leute waren immer bereit, Verantwortung zu übernehmen."
Dass sie in der Steiermark an der Seite der FPÖ Verantwortung übernehmen könnte, sei "Sache unserer Freunde in der Steiermark". Landeshauptmann Mario Kunasek? "Das ist Demokratie. Ich bin dafür, die Freiheitlichen anhand dessen zu beurteilen, was sie zustande bringen und nicht, indem wir ihre Wähler in ein rechtsextremes Eck stellen."
„Bei Asyl und Migration muss die Linke lernfähig sein. Die Menschen wollen Ordnung und keinen ungeregelten Zuzug.“
Dass aufgrund pragmatischer Verhandler im Migrations- und Integrationskapitel große Fortschritte gelingen, verwundert Kalina nicht: "Die Problemlage ist groß. Asyl und Migration ist weltweit das Brandthema Nummer eins und klar ist: Die Menschen wollen Ordnung. In diesen Fragen muss die Linke lernfähig sein, sonst kann sie niemals Erfolg haben."
Bedeutet? Kalina zu "Heute": "Kein ungeregelter Zuzug, straffällige Menschen und Integrationsunwillige rasch außer Landes bringen – und dem Wunsch der Bevölkerung nach Ordnung nachkommen. Dieses Thema darf man einfach nicht so 'dahinwabern' lassen ..."
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Auf den Punkt gebracht
- Die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos stecken in einer Krise, insbesondere aufgrund von Differenzen bei der Erhöhung der Beamtengehälter und wirtschaftspolitischen Fragen.
- Polit-Experte Josef Kalina betont die Notwendigkeit, dass alle Parteien Kompromisse eingehen und offen mit den Bürgern kommunizieren müssen, um eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu gewährleisten.