Ukraine-Krieg weitet sich aus
Oberst Reisner warnt Europa vor "ziemlich bösem Ende"
Stoppen die USA ihre Ukraine-Unterstützung, steht Europa geopolitisch mit heruntergelassenen Hosen da. Das werde schlimm enden, warnt Oberst Reisner.
Die Lage an der ukrainischen Ostfront ist dramatisch, "die Situation im Donbass sogar katastrophal", zeichnet Oberst Markus Reisner in seiner jüngsten Analyse für "T-Online" ein düsteres Bild. Den Verteidigern fehle es an nahezu allem, sie seien zermürbt und ausgedünnt durch den russischen Dauerbeschuss. "Die Lücken in den ukrainischen Linien sind groß, die Russen sickern dazwischen wie Wasser durch".
Inzwischen haben sich die Kämpfe bei der Stadt Pokrowsk bereits bis zur dritten und letzten Verteidigungslinie verlagert: "Wenn die Russen nun bei Pokrowsk durchbrechen, dann kann sie wenig aufhalten. Sie wären imstande, binnen kurzer Zeit rund 150 Kilometer weit nach Westen bis zum Dnipro vorzurücken." Das hätte enorme Tragweite im weiteren Kriegsverlauf.
Jetzt hängt alles davon ab, was nach dem Machtwechsel im Weißen Haus passiert. Am 20. Jänner 2025 übernimmt Donald Trump das Oval Office. An Vorhersagen, was der MAGA-Anführer tun wird, beißen sich rational denkende Menschen die Zähne aus, sagt Reisner: "Trump denkt anders, wir müssen auf Handlungen gefasst sein, die wir als irrational bewerten".
Friedensplan nur "kurzfristige Lösung"
Schon jetzt hat Trump den Ex-General Keith Kellog als Sonderbeauftragen für Russland und die Ukraine ins Spiel gebracht. Dieser hat auch schon einen Plan, der das Einfrieren des Konfliktes am derzeitigen Frontverlauf vorsieht – das wollen die Russen nicht – sowie eine mögliche NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine in die ferne Zukunft rückt.
Sollte Russland nicht darauf einsteigen, werde die USA so viele Waffen liefern, dass die Angreifer zurückgeschlagen werden können. Doch auch im Kreml wisse man, dass die USA für die Ukraine "nicht bis zum Äußersten" gehen werde.
Für den österreichischen Analysten wäre das jedenfalls ohnehin nur eine "kurzfristige Lösung für ein langfristiges Problem". Reisner: "Russland hält sich nicht an Verträge, das hat die ständige Verletzung völkerrechtlicher Abkommen durch Wladimir Putin hinlänglich bewiesen."
Europa steht schlecht da
Sollte Trump die Unterstützung der USA einstellen und einen isolationistischen Kurs einschlagen, stünde Europa vor einem "ziemlich großen Problem": "Ohne die Amerikaner geht es nicht. Falls sie sich von bestimmten Positionen zurückziehen, entsteht ein Vakuum. Es gibt aber auf Dauer kein Vakuum in der Geopolitik. Wo die USA rausgehen, werden andere reingehen" – und Europa kann das nicht.
Die europäischen Staaten hätten keine stringente Strategie, beklagt der Militärhistoriker. Weder für eine US-Abkehr, noch für einen nachhaltigen Umgang mit Russland. "Von einer Eindämmung der russischen Großmachtsambitionen ganz zu schweigen."
Der hochdekorierte Austro-Offizier warnt: "Falls die USA der Ukraine den Rücken kehren, braucht Europa aber eine Strategie – sonst hört der russische Spuk niemals auf. Das kann ziemlich böse enden. Und wir befinden uns erst am Anfang der Auseinandersetzungen, die uns noch drohen könnten."
Die geopolitische Dimension
Der Krieg gegen die Ukraine sei mittlerweile zu einem Konflikt eskaliert, der in weit größerem Rahmen betrachtet werden müsse. Russland könne diesen Konflikt aufgrund seiner technologischen und ökonomischen Probleme schon lange nicht mehr allein führen, "geschweige denn gewinnen".
Putin erhalte massive Unterstützung vom Globalen Süden (Iran, Nordkorea, Indien, China) – und dort wittere man einen geopolitischen Umsturz: "Xi Jinping aus China ist sich mit Putin einig, dass gerade weltpolitische Veränderungen möglich werden, wie es sie seit 100 Jahren nicht gegeben habe."
Das sei bereits zu beobachten: "eine Auseinandersetzung zwischen dem Globalen Norden, dessen Mitglieder historisch gesehen lange Zeit auf den besten Plätzen des politischen und wirtschaftlichen Gabentisches saßen, und dem Globalen Süden, der nun sein Recht einfordert. Wir müssen nun hoffen, dass der Konflikt nicht völlig außer Kontrolle gerät."
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Auf den Punkt gebracht
- Oberst Markus Reisner analysiert seit dem Einmarsch der Russen in der Ukraine das Kriegsgeschehen
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