Das Backstage-Protokoll

Geheim-Operation: Wird jetzt Schwarz-Rot geschmiedet?

Blau-Schwarz ist Geschichte, jetzt könnte ÖVP-Chef Christian Stocker sogar Kanzler werden. Eine mächtige Sozialdemokratin könnte die Weichen stellen.
13.02.2025, 05:45

In Österreich hat sich's schon wieder ausgekickelt, Blau-Schwarz ist gescheitert! 38 Tage nachdem er von Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach gescheiterten Ampel-Verhandlungen den Regierungsbildungsauftrag erhalten hatte, legte FPÖ-Chef Herbert Kickl diesen am Mittwoch wieder zurück.

Der Entscheidung waren turbulente Stunden vorangegangen. "Heute" hat das komplette Protokoll:

6.00 Uhr – blaue Offensive

Die wichtigsten Medien berichten über das durchgesickerte letzte Angebot von Herbert Kickl an die Volkspartei: Er gesteht den Schwarzen die Kulturagenden und ein Ressort mehr als der FPÖ zu. Beim Innenministerium bleibt er hart, die Blauen geben es nicht aus der Hand.

Das war das letzte FPÖ-Angebot an die ÖVP:

FPÖ: Bundeskanzler, Kanzleramt (Verfassung, Deregulierung, Medien, Digitalisierung), Finanzen, Inneres, Arbeit/Integration, Gesundheit/Sport/Tourismus

ÖVP: Vizekanzler, Auswärtige Angelegenheiten/EU, Verkehr/Infrastruktur, Wirtschaft/Forschung/Energie, Landesverteidigung/öffentlicher Dienst, Landwirtschaft/Umwelt, Soziales/Frauen/Familie/Jugend, Bildung/Wissenschaft/Kunst/Kultur

Unabhängig: Justiz, Staatssekretär für Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN)

9.56 Uhr – ÖVP kontert

Davon zeigt sich die ÖVP unbeeindruckt. Gegen-Offert: Ein eigener Minister für Asyl und Migration (im Tausch gegen das Finanzressort). Die entsprechenden Agenden würden aus dem BMI herausgelöst werden. Besteht die FPÖ auch auf die Finanzen, wäre maximal ein Asyl-Staatssekretär drinnen, so die Volkspartei.

10.58 Uhr – Blaue schmettern ab

Via Presseaussendung lehnt die FPÖ den Kompromiss ab.

In den Stunden darauf glühen die Handys

Dann laufen in beiden Parteien die Telefone heiß. Wechselseitig richten sich Spitzenfunktionäre öffentlich Unfreundlichkeiten aus. Allen ist nun klar: Es ist aus. Offen vorerst nur, wer die Koalition zuerst platzen lässt.

13.55 Uhr – Kickl in der Hofburg

Der blaue Frontmann vereinbart einen persönlichen Termin in der Hofburg, fährt in einer gemieteten schwarzen Mercedes S-Klasse am Ballhausplatz vor.

14.00 Uhr – Auftrag zurückgelegt

Im Beisein seines engsten Vertrauten Reinhard Teufel informiert Kickl Bundespräsident Van der Bellen darüber, dass die Gespräche mit den Schwarzen gescheitert sind und zieht sich aus der Regierungsbildung zurück.

14.50 Uhr – Scheitern öffentlich

Nach einem 50-minütigen Gespräch lässt Kickl – noch während er die Hofburg verlässt – erneut eine Mitteilung veröffentlichen. Die hat es in sich, der blaue Klubobmann teilt mit, den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgelegt zu haben.

Verhandlungen mit der SPÖ sieht er als "nicht zielführend" an. Sein "Volkskanzler"-Traum ist zumindest fürs Erste ausgeträumt.

Und jetzt – zurück zu den Roten?

Dafür könnte nun wieder die Stunde der SPÖ schlagen. Wie "Heute" erfährt, zieht Parteiikone Doris Bures nun hinter den Kulissen in ihrer Partei die Fäden. Sie drängt auf eine maßgeblich von den Sozialpartnern verhandelte "Große" Koalition, auch Wiens mächtiger SPÖ-Bürgermeister unterstützt diesen Plan. Die Hand der Sozialdemokratie Richtung Volkspartei sei "weit ausgestreckt", so Ludwig.

Christian Stocker könnte Kanzler werden

ÖVP-Parteichef Christian Stocker würde in dieser Konstellation Bundeskanzler; nötige Mehrheiten könnten sich Rot und Schwarz wechselseitig von Grünen und Neos stützen lassen. Bei der ÖVP drängt man "auf ein neues Verhandlungsteam" der SPÖ – heißt konkret: Man betrachtet Babler als rotes Tuch.

Andreas Babler ist für die ÖVP ein rotes Tuch.
Andreas Babler ist für die ÖVP ein rotes Tuch.
Denise Auer

Rote wollen Babler entmachten

Hinter den Kulissen soll die SPÖ an einer "Bypass-Konstruktion" basteln, berichten mehrere Spitzenfunktionäre übereinstimmend: Man weiß, dass man den Parteichef nicht sofort loswird, ist aber wild entschlossen, im Falle einer zweiten Chance andere Chefverhandler zu nominieren. Diese sollen Ergebnisse nicht an den Vorsitzenden, sondern direkt an das Präsidium, berichten. Dort wird dann mit einfacher Mehrheit über ein etwaiges Koalitionsabkommen abgestimmt.

SPÖ macht ÖVP "Posten-Geschachere" leichter

Konzept: Österreich alt. ÖVP-Bünde (Bauern, Wirtschaft) und Bundesländer sowie Gewerkschaft werden dann mit Posten bedacht. Die mächtige Wiener SPÖ will etwa Ex-ORF-Intendant Alexander Wrabetz in der Regierung versorgen; als Fixstarter für ein Ministeramt wurde auch immer NÖ-Shootingstar Sven Hergovich (Verkehr) genannt, der kein Problem damit hat, den Rathaus-Roten zum Lobautunnel zu verhelfen.

Spielt Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit? Bisher ließ sich das Staatsoberhaupt bei seinen Überlegungen nicht in die Karten schauen: "Wie diese Regierung zusammengesetzt ist, hat für mich grundsätzlich keine Rolle zu spielen, so lange sie auf dem Boden der Verfassung zusammenkommt." Er wird sich in den kommenden Tagen mit den Parteichefs besprechen: "Es geht ums Staatsganze", mahnte er "die Bereitschaft zum Kompromiss" ein.

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