Das Gezerre um eine blau-schwarze Regierung geht weiter, die Koalitionssuche droht aber zu platzen. FPÖ und ÖVP können sich bei der Ressortverteilung, aber auch bei inhaltlichen Themen nicht einig werden. Am Mittwochvormittag preschte die Volkspartei zwar mit einem neuen Angebot vor, dieses wurde von den Freiheitlichen aber kurzerhand abgelehnt.
Von der Volkspartei heißt es zudem, dass die FPÖ nicht mehr über Inhalte reden wollen würden und auf ein von den Schwarzen vorgelegt Grundsatzpapier nicht reagieren würde. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker will nun aber aufklären und informierte in einem Video auf YouTube: "Das Papier wurde unseren Verhandlern am Montag überreicht, aber selbst die ÖVP hatte kein Interesse, darüber im Detail zu sprechen."
Ein Wunder sei das aber nicht, denn "seit genau zwei Wochen redet die ÖVP mit uns nicht mehr über Inhalte, sondern über die Ressortverteilung. Das war ihr ausdrücklicher Wunsch. Wir wollten immer über Inhalte reden, aber die ÖVP nicht", so der freiheitliche General.
Um für Klarheit zu sorgen, sah sich Hafenecker das Dokument im Video genauer an: "Das Papier ist eigentlich eine Sammlung von Selbstverständlichkeiten, die aber zum Teil recht missverständlich, formuliert werden können. Und einen breiten Interpretationsspielraum bieten. Da heißt es zunächst, dass eine klar pro-europäische Positionierung und internationale Zusammenarbeit Grundlage einer Bundesregierung sind."
Die Freiheitlichen würden sich dabei klarerweise zur EU und der österreichischen Mitgliedschaft bekennen. Ebenso sei klar, dass die "Regierung sich über ihre Haltung zu wesentlichen Fragen in der EU abstimmt". Das sei bis zum "Ausbruch der Frau Gewessler immer so" gewesen.
Aber die Freiheitlichen wollen auch eine "Verbesserung der Europäischen Union haben", und zwar im "Sinne der Österreicher". Dazu würden etwa eine "bessere Asyl- und Migrationspolitik, ein Ende der wirtschaftszerstörenden Klimapolitik und eine EU mit freien Bürgern in souveränen Ländern, ohne Zensur und gesteuerte öffentliche Debatten" gehören.
Weiter heißt es im ÖVP-Papier, dass Österreich ein "verlässlicher Partner der freien Welt" bleiben müsse. Auch hier reagierte Hafenecker mit einem kühnen "ja eh". "Natürlich verurteilen wir den russischen Angriffskrieg und wir setzen uns gemäß unserem Auftrag als neutrales Land sogar für den Frieden ein. Natürlich sind wir ein Rechtsstaat, aber deshalb muss man nicht jedes absurde Urteil europäischer Höchstgerichte in seiner Maximalvariante umsetzen", so der Freiheitliche. Recht könne man auch ändern, "wenn die Umstände es erfordern".
"Die dritte Grundlage lautet, sich gegen politischen und religiösen Extremismus abzugrenzen. Ja eh. Natürlich lehnen wir jede Form von Extremismus ab und wollen Extremisten nicht mit unserem Geld der Steuerzahler fördern. Aber Extremismus ist mittlerweile ein Kampfbegriff geworden, der weiter über seinen Kernen ausreicht. Zum Extremisten wird jeder gemacht, dessen Meinung vom Mainstream abweicht. Und nicht nur diejenigen, die die Demokratie ablehnen und Gewalt als Mittel zu ihrer Beseitigung gutheißen", fuhr Hafenecker fort.
"Als vierten und letzten Punkt will sich die ÖVP zum Stopp der illegalen Migration, zu Asyl und Sicherheit bekennen. Hier ganz besonders. Natürlich wollen wir aufgrund der hunderttausenden illegalen Einwanderer in den letzten Jahren die EU-Notfallsklausel aktivieren und keine neuen Asylanträge annehmen. Aber das bedeutet auch, dies gegenüber der EU entschlossen zu vertreten und nicht beim ersten Gegenwind umzufallen", so Hafenecker.
Eine Kooperation mit internationalen Geheimdiensten wolle man natürlich fortführen. Sicherheitspolitisch spricht man sich in der FPÖ weiterhin für ein starkes Österreich aus. "Wir wollen den Luftraum neutralitätskonform verteidigen", das Sky-Shield lehne man aber weiter ab, weil es mit der Neutralität nicht vereinbar sei.
"Liebe Freunde, ihr seht, vieles auf dem ÖVP-Papier ist selbstverständlich. Aber wenn man zwischen den Zeilen liest, dann bedarf es einer Konkretisierung. Vor allem dann, wenn wir den fünften Grundsatz in Betracht ziehen, den die ÖVP vergessen hat, der uns Freiheitliche aber der wichtigste ist – alles für das Wohl der Österreicher zu tun", fuhr Hafenecker fort.
Über alle diese Punkte habe man zudem schon in den Verhandlungen gesprochen, in vielen schon eine Einigung erzielt. Bei anderen herrschte zwar noch Gesprächsbedarf, eine gemeinsame Linie zu finden wäre möglich gewesen, "wenn die ÖVP nicht vor zwei Wochen auf die Stopptaste gedrückt und die inhaltlichen Gespräche abgebrochen hätte, weil sie nur mehr über Posten reden wollte".