"Viel Zeit ist nicht"

Kein Auftrag von VdB – so verhandelt Schwarz-Rot schon

Nach ihren Terminen beim Bundespräsidenten verhandeln ÖVP und SPÖ jetzt im Geheimen über die Regierung. Nach draußen soll vorerst nichts dringen.
Clemens Oistric
14.02.2025, 16:52

Es ist die große Stille nach dem Crash von Blau-Schwarz. Offiziell will sich am Freitag niemand über die Geheim-Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ äußern. Hinter den Kulissen scheint klar: Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird vorerst keinen neuen Regierungsbildungsauftrag vergeben und über das Wochenende auch keine öffentliche Stellungnahme abgeben.

Die Parteichefs sollen einmal untereinander Gespräche führen und ausloten, ob eine tragfähige Regierung möglich scheint. Ist das nicht der Fall, kommt es zu einer Expertenregierung und Neuwahlen. "Wir kommen dem Wunsch des Bundespräsidenten nach und führen Gespräche mit den anderen Parteien. Wir werden sehen, welche weiteren Schritte der Bundespräsident setzen wird", so ÖVP-Generalsekretär Alexander Pröll auf "Heute"-Anfrage.

Die ÖVP hätte vom Staatsoberhaupt gerne ein offizielles Mandat für neue Verhandlungen bekommen – Van der Bellen kommt diesem Wunsch aber offen genauso wenig nach, wie er der ÖVP schon im Oktober nicht den Wunsch erfüllt hat, zuerst Wahlsieger Kickl mit der Regierungsbildung zu betrauen.

"Kickl ist in Machtrausch verfallen"

Die Schuld für das Aus der Verhandlungen mit Herbert Kickl sehen die Schwarzen übrigens ausschließlich bei der FPÖ. Die Volkspartei sei nicht gescheitert, so General Pröll. "Herbert Kickl ist gescheitert. Er ist in einen Machtrausch verfallen und wollte keinerlei Kompromisse schließen."

FPÖ: "Volkspartei ist postengeil"

Das lassen die Blauen nicht auf sich sitzen, verweisen um den Streit um Innen- und Finanzministerium. "Die postengeile Volkspartei hat dann mutwillig den Schwanz eingezogen und kam mit Fantasie-Forderungen daher, die natürlich niemals erfüllbar waren. Die Volkspartei bekommt offenbar nie genug, ja, die Gier ist halt ein Luder", donnerte Martin Antauer, Landtagsabgeordneter in Niederösterreich. Gebe man einem ÖVP-Mandatar die Hand, "fehlen bis zu drei Finger", zürnte er.

Wortmeldungen wie diese bestätigen ÖVP-General Proll wohl in seiner Sichtweise: "Kickl ist in der Rolle des Oppositionspolitikers stecken geblieben und nie in der eines Regierungschefs angekommen." Nachsatz: "Damit hat er eine bürgerliche Mitte-rechts-Regierung für Österreich verhindert."

Ohne sie geht in der SPÖ nichts: Dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures
Denise Auer

SPÖ will doch noch in Regierung

Bei der SPÖ drängen nun vor allem Partei-Ikone Doris Bures und Wiens mächtiger Bürgermeister Michael Ludwig auf die Bildung einer ÖVP/SPÖ-Koalition, mit maßgeblichem Beitrag der Sozialpartner. Doris Bures höchstpersönlich wird neben Parteichef Babler, Klubvize Philip Kucher, Gewerkschafter Josef Muchitsch und Frauenchefin Eva-Maria Holzleitner das Verhandlungsteam bilden.

Jetzt hängt alles an Bures/Ludwig und Mikl/Stelzer

Derzeit laufen die Gespräche auf unterschiedlichen Ebenen – ÖVP-Chef Christian Stocker redet mit SPÖ-Vorsitzendem Andreas Babler. Dazu kommt die pragmatische Achse der (Vize-)Klubchefs August Wöginger (VP) und Philip Kucher (SP). Schon beim Termin in der Hofburg an der Seite seines Parteichefs: Oberösterreich-Chef Thomas Stelzer, der einen Draht zu Ludwig hat und an die ÖVP-Landeschefs reportet.

Stocker selbst hat zudem beste Verbindungen in "seine" niederösterreichische Landesgruppe. In der ÖVP, in der sich nun Wirtschaftsbund und Industrie (diese hätte gerne Blau-Schwarz gehabt) in den Haaren liegen, geht bekanntlich nichts ohne den Sanctus von Johanna Mikl-Leitner.

ÖVP-Generalsekretär Alexander Pröll
Helmut Graf

Steht Regierung noch im Februar?

Ob man mit der Babler-SPÖ zusammenfinden kann, vermag in der ÖVP derzeit niemand vorherzusagen. "Es ist wirklich alles offen", sagt ein schwarzer Stratege. "Aber allen ist bewusst: Viel Zeit ist nicht und die Geduld der Bevölkerung ist bald erschöpft." Derzeit werde "intensiv geredet", nochmals zwei Wochen Verhandlungen bis zum Abschluss von Schwarz-Rot hielte man für "sehr lange". Parteigeneral Alexander Pröll zu "Heute": "Österreich braucht dringend eine handlungsfähige Regierung. Aber wir fürchten uns nicht vor Neuwahlen."

Ein schwarzer Spitzenfunktionär ergänzt: "In einem Regierungsprogramm müssen natürlich die Werte der ÖVP – Leistung, Familie und Sicherheit – klar vertreten sein. Wir haben unsere Seele nicht an Herbert Kickl verkauft und werden das auch bei Andreas Babler nicht tun." Klar sei, dass es dringend ein Standort-Programm und konjunkturstärkende Maßnahmen brauche, um wirtschaftlich nicht "total den Anschluss zu verlieren".

Pinkes und grünes Stützrad im Hohen Haus

Für die ÖVP ist klar: Zurück zur Ampel will man aufgrund des Zeitdrucks keinesfalls. Große Streitfälle könne man auch einfach aus dem Koalitionsabkommen ausklammern. Man müsse in den nächsten Tagen ohnedies mit Neos und Grünen Duldungsvarianten im Parlament besprechen. Bekanntlich ist Schwarz-Rot nur mit einem Mandat Überhang abgesichert. SPÖ-Burgenland-Abgeordneter Maximilian Köllner hat im ORF schon klargestellt, dass es ihm "natürlich freisteht, mein freies Mandat auch auszuüben". Nachsatz: "Aber grundsätzlich halte ich mich an die SPÖ-Parteilinie – sofern sie auch ausdiskutiert ist".

ÖVP und SPÖ planen nun, wechselweise Neos oder Grüne für Gesetzesvorhaben ins Boot holen – und sich ihre knappe Mehrheit absichern zu lassen. So könne etwa ein breit getragenes Doppelbudget für die kommenden zwei Jahre im Parlament abgesichert werden.

ÖVP und SPÖ schweigen

Vorerst gaben sich die beiden Großparteien aber äußerst wortkarg, hinter den Kulissen war erstaunlich wenig in Erfahrung zu bringen, man verzichtete auch darauf, sich Bosheiten auszurichten. Ein Indiz, dass man aus den Fehlern des fatal-aufgesetzten Ampel-Prozesses gelernt hat? Man wird sehen ...

{title && {title} } coi, {title && {title} } Akt. 14.02.2025, 17:21, 14.02.2025, 16:52
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