"Heute": Herr Landeshauptmann, Sie haben immer die Ansicht vertreten, die SPÖ habe nach dem historisch schlechtesten Wahlergebnis nichts in der Regierung verloren. Nun ist Ihre Partei Teil der Koalition. Haben Sie Ihre Meinung revidiert?
Hans Peter Doskozil: Ich habe meine Meinung nicht geändert, aber es ist eine Meinung zu einem historischen Zustand. Jetzt haben wir eine neue Regierung. Wir müssen ihr im Interesse unseres Landes eine Chance geben.
Im Vorfeld gab es ein öffentliches Gezerre um rote Ministerämter. Markus Marterbauer, ein sehr weit links stehender Volkswirt, ist nun Finanzminister. Hätten Sie jemand anderen präferiert?
Ich bin nicht befugt, über die Qualifikation von Regierungsmitgliedern zu urteilen. Es ist das gute Recht und auch richtig so, dass der Vizekanzler sein Regierungsteam zusammenstellt. Ich halte das im Burgenland auch so.
Also keine Kritik von Ihnen?
Die Regierung muss an ihren Taten gemessen werden. Was mich stört, ist die Größe – die ist massiv überzogen. 21 Regierungsmitglieder sind in Zeiten wie diesen nicht zu rechtfertigen. Wenn man beim hohen Spardruck von der Bevölkerung erwartet, gewisse Schritte mitzugehen, muss man als Politiker große Vorbildwirkung haben.
Mit wie vielen Mitgliedern würden Sie die Bundesregierung führen?
Ich persönlich bin der Meinung, dass man mit zehn Ministern das Auslangen finden müsste – inklusive Bundes- und Vizekanzler.
Sollte der Bundeskanzler auch selbst Kompetenzen übernehmen?
Es spricht nichts dagegen. Ich als Landeshauptmann verantworte auch Finanzen, Personal, Spitäler und Kultur neben meinen repräsentativen Aufgaben.
Haben Sie eine Idee, was ein Staatssekretär für Bürokratie-Abbau im Außenamt bewirken soll?
Das sind genau die Fragen, die sich die Bevölkerung stellt. Auch ich verstehe die Fülle an Staatssekretariaten nicht. Es ist ein Ausdruck dessen, dass man sich gegenseitig misstraut und kontrolliert. Das sind keine guten Vorzeichen für eine gute Regierungsarbeit in den nächsten fünf Jahren.
„Ich bin gespannt, wie sich diese drei Prinzessinnen den Wünschen der Bevölkerung unterordnen werden.“Hans Peter DoskozilLandeshauptmann Burgenland (SPÖ)
Warum fürchten Sie das?
Gar nicht negativ gemeint: Führungspersönlichkeiten sind bis zu einem gewissen Grad Prinzessinnen. Wie sich diese drei Prinzessinnen mit unterschiedlichen Ansprüchen nicht nur in einem Regierungsprogramm wiederfinden, sondern auch in den nächsten fünf Jahren den Wünschen der Bevölkerung unterordnen – darauf bin ich gespannt!
Was sind die drängendsten Probleme, die die Regierung anpacken sollte?
Als Politiker ist man geneigt, der Bevölkerung gerne die große Welt zu erklären und vergisst dabei auf die Basisarbeit. Für die Politik sind es vielleicht banale Dinge, nicht aber für die Bevölkerung. Etwa die Gesundheitsversorgung – wo bekomme ich zeitgerecht mein CT, das ich nicht bezahlen muss? Wo das MRT? Wo ist ein Arzt auf Kassenbasis verfügbar? Oder: Was kostet das Mittagessen? Wie können wir uns wohnen noch leisten? Mein Credo: Daran muss diese Regierung gemessen werden. Wenn es in einem halben Jahr gelungen ist, in diesen einzelnen Bereichen Verbesserungen herbeizuführen, dann ist das hervorzustreichen.
Und wenn nicht?
Dann wird es harte Kritik geben – auch meinerseits.
Ich nehme an, dass Sie auch mehr Geld vom Bund brauchen – etwa für den Spitalsbau in Gols.
Ein fairer Finanzausgleich wird der Schlüssel sein. Die letzten Verhandlungen waren wie auf einem Bazar, ein Gezerre ums Geld. Wir werden uns auch nur noch auf Gespräche einlassen, wenn wir glauben, dass Steuermittel künftig gerecht auf die Bundesländer verteilt werden. Eigentlich bin ich mittlerweile der Meinung, der Verfassungsgerichtshof sollte in der Frage des zukünftigen Finanzausgleichs entscheiden, weil sonst immer parteipolitische Hintergründe mitschwingen.
Was meinen Sie damit?
Wenn eine Gemeinde mit ähnlicher Dimension in Vorarlberg jährlich um 300 Euro mehr bekommt als eine burgenländische, dann passt etwas nicht. Man wird nie hundertprozentige Gerechtigkeit erreichen können, aber man sollte sich annähern. Der Verfassungsgerichtshof ist für mich der Garant dafür und nicht die Interessen von Politikern.
Ich würde mit Ihnen gerne über das Migrationsthema sprechen. Braucht es eine bundesweite Obergrenze an Asylwerbern?
Wir sind diesen Schritt gegangen. Im Burgenland liegt sie bei 330 Personen in der Grundversorgung. Es ist auch gelungen, das im Koalitionsabkommen mit den Grünen beizubehalten. Ich bin fest davon überzeugt, dass das der richtige Schritt ist.
Warum?
Um dem Schlepperunwesen beizukommen, würden wir ein System benötigen, in dem außerhalb Europas entschieden wird, wer Asyl bekommt – Stichwort Botschaftsverfahren. Das ist derzeit in weite Ferne gerückt und daher muss man Maßnahmen setzen.
Ich denke, die Bevölkerung wartet nur auf diese Maßnahmen.
Symbolische harte Schritte sind aber nur ein Teil. Ich vermisse die Diskussion, wie viel Zuwanderung unsere Gesellschaft verträgt. Was bedeutet es, wenn christliche Schüler – wie etwa in Wien – in der Minderheit sind? Wo entwickeln wir uns hin? Diese Diskussion muss die Politik anstoßen, die Gesellschaft muss sie aber auch ertragen – ohne zu diskutieren, ob das links, rechts oder sonst etwas ist.
„Viele Politiker wissen gar nicht, wie sie mit der Frage geordneter Zuwanderung und Integration umgehen sollen.“
Welche Diskussion meinen Sie denn?
Wir müssen uns überlegen, was passiert, wenn wir dieses Tempo in der Zuwanderung diesen Laissez-Faire-Stil in der Integration weiterleben. In vielen Bereichen findet keine Integration statt. Man wird ja nicht glauben, dass Integration stattfindet, wenn man drei Deutschkurse anbietet, aber nicht erkennt, dass sich möglicherweise die Werteschwerpunkte in der Gesellschaft, die Rolle der Frauen oder der Kirche möglicherweise mittel- bis langfristig verändern. Diese Diskussion vermisse ich.
Hat die Politik die Gesellschaft seit 2015 mit der Aufnahme von Flüchtlingen überfordert?
Die Bevölkerung ist mit Sicherheit überfordert worden. Die Politik hat das aber nicht bewusst in Kauf genommen, sondern aus einer Situation der Hilflosigkeit heraus. Viele Politiker wissen gar nicht, wie sie mit der Frage geordneter Zuwanderung, Rückführungen und Integration umgehen sollen.
Wie sollte sie denn damit umgehen?
Bundeskanzler und Innenminister hätten das Thema nach Brüssel tragen müssen. Stichwort: "Die Balkanroute ist geschlossen". Jetzt wissen wir: Das war ein Riesen-Schmäh. Die Österreicher wurden hier belogen.
Würden Sie nach Syrien und Afghanistan abschieben?
Man muss sich ein Bild über die Situation in Syrien machen – aber nicht über die wirtschaftliche. Wenn es unter dem Aspekt der Genfer Flüchtlingskonvention humanitär vertretbar ist, würde ich dorthin abschieben.
„Wer zu uns kommt, muss auch etwas zurückgeben.“
Warum haben Sie im Burgenland eigentlich keine Bezahlkarte für Asylwerber eingeführt?
Das ist aus meiner Sicht Symbolpolitik. Wenn ein Flüchtling in einem Asyl-Quartier untergebracht ist – von Miete über Verpflegung alles als Sachleistung bezahlt wird – bleibt ein Spielraum von 40 Euro im Monat. Dafür eine Bezahlkarte auszuschreiben, zu vergeben und zu administrieren, ist nicht sachgemäß.
Dafür müssen Asylwerber bei Ihnen einer gemeinnützigen Tätigkeit nachgehen.
Ja. Nach dem Motto: Das ist keine Einbahnstraße. Wer zu uns kommt, muss auch etwas zurückgeben. Ich denke, es ist der richtige Weg, auch etwas abzuverlangen und nicht immer nur zu geben. Und es trägt aus meiner Sicht auch zur Integration bei.
Sie koalieren im Burgenland jetzt mit den Grünen. War es eine Zäsur, dass Sie nun nicht mehr alleine regieren können?
Politik findet immer in der Diskussion statt. Es war natürlich eine kurze Umstellung, aber die Zusammenarbeit mit den Grünen ist ein konstruktives Miteinander. Wenn man sich offen darauf einlässt und dem Partner nicht misstraut, kann das gut funktionieren. Von diesem Gedanken ist diese Koalition getragen.
Sehen Sie sich die vollen fünf Jahre im Burgenland oder wird Ihr Karriereweg Sie nochmals Richtung Bundespolitik führen?
Diese Erfahrung habe ich schon gemacht. Vertrauen und Glaubwürdigkeit der Bevölkerung gegenüber sind ein ganz wesentlicher Aspekt in der Politik. Nachdem die Burgenländer mir in sehr großem Ausmaß nochmals das Vertrauen geschenkt haben, bin ich angetreten, diese Periode zu absolvieren.
Volle fünf Jahre?
Nicht alles kann man planen. Aber wenn es gesundheitlich geht, keine Frage.
Herr Landeshauptmann, ich danke Ihnen für das Gespräch.