Emotionaler Auftritt

"Schicksalsfrage"! Nehammer überrascht mit Polit-Ansage

Im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz warnte Ex-Kanzler Karl Nehammer vor einem Scheitern in der Migrationskrise und zieht Lehren aus Corona.
Newsdesk Heute
14.02.2025, 19:47

Am 10. Jänner 2025 trat Karl Nehammer nach den gescheiterten Ampel-Verhandlungen als Bundeskanzler zurück, verließ kurz darauf die Politik völlig. Während sein Nachfolger an der Spitze der Volkspartei, Christian Stocker, erst mit Herbert Kickl das Vergnügen hatte und wohl nun wieder zu Andreas Babler zurückfinden muss, lässt es sich sein Ex-Chef gut gehen.

Auf Instagram postet der Ex-Bundeskanzler genau einen Monat nach seinem Abgang ein Foto, das ihn von hinten Arm in Arm mit Ehefrau Katharina am Gipfel eines Berges zeigt, neben ihnen sitzt Hündin Fanny. Er verbringe gerade eine "geniale Zeit" beim Skifahren, ließ er dazu wissen.

"Schicksalsfrage für die Europäische Union"

Das Politisieren hat Nehammer aber nicht aufgegeben. Am Donnerstag überraschte der 52-Jährige bei der "Zeitenwende on tour"-Podiumsdiskussion im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz mit einem flammenden Auftritt zu den Brennpunkt-Themen europäische Sicherheit und Migrationskrise.

Die Lösung letzterer bezeichnete er als "Schicksalsfrage für die Europäische Union", die die Staatengemeinschaft schwächen oder auch stärken könne. "Ich bin vor einigen Jahren belächelt worden für diese Interpretation, mittlerweile lächelt niemand mehr, wenn man die politischen Veränderung in den Staaten sieht", konstatierte der Ex-Kanzler und früherer Innenminister.

Er sieht Reformbedarf bei der Genfer Flüchtlingskonvention. Diese sei unter der Maßgabe entwickelt worden, dass, wenn ein Konflikt in der Nachbarschaft ausbricht, die angrenzenden Länder verpflichtet sind, zu helfen. Inzwischen bricht sich das Regelwerk mit der Realität: "Flucht hat sich internationalisiert". Die europäischen Rechtssysteme seien dieser Entwicklung aber nicht gewachsen.

"Das führt zu Radikalisierung"

"Das führt zu all diesen Verwerfungen, die wir kennen: Überforderung der Systeme, und das führt zu Radikalisierung", so Nehammer. Die Menschen seien nicht per se böser oder weniger tolerant, als sie es bei der Schaffung der Genfer Flüchtlingskonvention waren. Verloren gegangen sei aber "ein Stück weit" das Vertrauen in die "Ordnungskompetenz der Demokratie".

Den Begriff erklärt der Österreicher vor seinem deutschen Publikum am Beispiel der Corona-Pandemie und redete sich fast in Rage. Damals hätten viele europäische Staaten schnell und effizient gehandelt. "Der Staat war so sichtbar wie noch nie. Maßnahmen wie diese hatte es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in unserer demokratischen Kultur nie gegeben."

Nehammer sprach immer schneller: "Omnipräsenz des Staates, Regulierungen ohne Ende. Das dürfen Sie, das dürfen Sie nicht machen. Sie dürfen ins Wirtshaus gehen, Sie dürfen nicht in das Wirtshaus gehen. Sie können in einen Shopping Mall gehen, oder nein nein, Sie dürfen nicht in eine Shopping Mall gehen...!"

Karl Nehammer bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz 2025.
Screenshot YouTube/Munich Security Conference

Dann schaltete er einen Gang zurück, um sein Argument deutlich zu machen: "Aber bei der Migration … Da können wir nicht sagen: Nein, das geht nicht. Da können wir nicht sagen: Stopp, das ist zu viel! Zumindest haben die Menschen diesen Eindruck – und das führt zu Radikalisierung." Deswegen sei Sicherheit so ein wichtiges Thema.

"Weg vom moralischen Anspruch"

"Weil Freiheit bedingt Sicherheit und Sicherheit bringt Freiheit. Wenn die Menschen das Gefühl der Unsicherheit haben, fühlen sie sich weniger frei. Und wenn sie sich weniger frei fühlen, fühlen sie sich bedroht. Und wenn sie sich bedroht fühlen, orientieren sie sich ans Radikale, weil das scheinbar Antworten findet, obwohl wir alle wissen, dass das nicht so ist. Aber es klingt zumindest nach Hoffnung".

Nehammer plädierte deshalb darauf, pragmatisch zu agieren und zu regieren: "Wir müssen weg vom moralischen Anspruch des jeweils Guten und hineingehen ins Pragmatische, Rechtsstaatliche aber Ordnungskompetenz wirkende, so, dass die Menschen das Gefühl haben, der Staat, die Europäische Union hat die Lage im Griff."

Karl Nehammer bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz 2025.
Screenshot YouTube/Munich Security Conference

Das gelte nicht nur in der Frage der Migration, sondern auch der Verteidigung. "Es gibt also viele Probleme, die wir als Europäer lösen müssen und es ist ganz egal, ob ich neutral bin oder nicht, ich kann mich da überall beteiligen." Abwehr von Desinformationskampagnen, Cyberbedrohungen, nennt er als Beispiele.

Nehammer ist überzeugt, dass im Ukraine-Krieg parallel zu den klassischen Waffen auch die Angriffsmöglichkeiten im digitalen Raum weiterentwickelt werden und diese auch schon gegen andere europäische Staaten eingesetzt werden: "Wenn Sie den Blickwinkel Wladimir Putins einnehmen und auf die europäische Landkarte der Mitgliedsstaaten schauen. Was er mit seiner auch ganz bewussten Desinformations- und Destabilisierungsstrategie ausgelöst hat, dann werden Sie sehen, dass er wahrscheinlich gar nicht unzufrieden sein wird darüber, was sich gerade in EU so verändert. Deshalb müssen wir so wachsam sein."

"Das ist (eben auch) Demokratie"

Der Alt-Kanzler schärft nach: Es reiche nicht, sich auf die Lösung eines Problems zu fokussieren. Solch systemische Bedrohungen bräuchten systemische Antworten. "Nehmen wir jede Bedrohung gleich ernst und hören wir auf, Untergangsszenarien immer gleich zuerst zu zeichnen." Stattdessen sollten Lösungsszenarien anhand pragmatischer Ansätze entworfen werden, auch bezogen auf die Weiterentwicklung internationalen Rechts. "Die Union hat hier viele Möglichkeiten, das zu tun. Wir sind ein starker Raum, wir sind 450 Millionen Menschen."

"Wir dürfen uns nicht nur auf Einzelkonfliktpunkte, die gerade aufpoppen, konzentrieren, sondern müssen sie systemisch begreifen und wir müssen bereit sein, sie anzugehen und zu lösen, ohne Angst zu haben, auch anzuecken." Unterschiedliche Standpunkte und sogar Diskussionen, ja Streits darüber, seien wichtig, denn "wir hören einander zu, sagen nicht, der eine ist gut und der andere ist schlecht."

Das führte Nehammer wieder zum Punkt der "Ordnungskompetenz" der EU zurück. Gelingt die Problemlösung, würden die Menschen sehen, die Regierungen haben es im Griff und denen kann man vertrauen. "Und wenn die Leute den Eindruck haben, wir haben es nicht im Griff, entziehen sie uns das Vertrauen. Das ist (eben auch) Demokratie".

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 14.02.2025, 19:54, 14.02.2025, 19:47
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