Politik Backstage

Kanzler-Infight mit Kickl – wie Nehammer SPÖ auspokerte

Wer in Wels fehlte. Was der Kanzler am Stichwortzettel hatte und warum "Praktikanten-Wordings" am Freitag bei den Roten für Erstaunen sorgten.

Clemens Oistric
Kanzler-Infight mit Kickl – wie Nehammer SPÖ auspokerte
Karl Nehammer will um Kanzlerschaft kämpfen.
Sabine Hertel

Es wirkte zweifellos wie ein Befreiungsschlag für Kanzler Karl Nehammer am Freitag in Wels: Weit über 2.000 Parteifunktionäre waren zur Präsentation seines "Österreich-Plans" gekommen; die Veranstaltung begann wegen des massiven Zustroms gut eine halbe Stunde verspätet – eine zusätzliche Tribüne musste eilig noch geöffnet werden.

Kurz ließ aus

Im Publikum nahmen dann sämtliche Minister und Länderchefs Platz – einzig Vorarlbergs Markus Wallner, Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (zur Zeit in Washington) und Burgenland-Obmann Christian Sagartz ließen aus. Während die Alt-LHs – von Erwin Pröll über Josef Pühringer bis zu Waltraud Klasnic – und honorige Ex-Minister wie Werner Fasslabend oder Präsidentschaftskandidatin Benita Ferrero-Waldner nach Kräften mitklatschten, fehlte einer: Sebastian Kurz.

Zwei Mal Pröll: Alt-Landeshauptmann Erwin und Ex-Vizekanzler Sepp Pröll
Zwei Mal Pröll: Alt-Landeshauptmann Erwin und Ex-Vizekanzler Sepp Pröll
Sabine Hertel

Zwei Details am Stichwortzettel

Und so konnte Nehammer die Schatten der Vergangenheit erstmals völlig abstreifen, schwor das Publikum in seiner knapp 45-minüigen auf den bevorstehenden Wahlkampf und die dazugehörige ÖVP-Programmatik ein. Der Funktionärsapparat dankte es dem Obmann mit gleich drei Mal Standing Ovations. Der Kanzler busselte seine Ehefrau Katharina mehrmals ab; wirkte gerührt. 

Nehammer sprach in der Messehalle weitestgehend frei, hatte sich mit langgedienten ÖVP-Strategen aber zwei Dinge auf einem Stichwortzettel notiert: die einleitende bildliche Schilderung eines Treffens mit einem jungen Landwirten. Und die Positiv-Erzählung, dass er "das Gute in den Menschen hervorholen" und "Zuversicht und Unverdrossenheit" vermitteln wolle, während andere "für Zerstörung" stünden.

Dieses Vorhaben gipfelte darin, dass der passionierte Boxer im Finale den Kampfhandschuh überstreifte: "Er oder ich?" sei bei den kommenden Wahlen die Frage. Auch, wenn er Herbert Kickl nicht namentlich nannte: der FPÖ-Chef war der Elefant im Raum, das machte Nehammer mit der Zuschreibung "verliert sich in der dunklen Vergangenheit und glaubt an Verschwörungstheorien" deutlich. 

Beinahe die komplette Minister-Riege applaudierte Nehammer - einzig Karoline Edtstadler fehlte.
Beinahe die komplette Minister-Riege applaudierte Nehammer - einzig Karoline Edtstadler fehlte.
Sabine Hertel

SPÖ glaubte an Neuwahl-Ansage

Trotz trüber Umfragewerte hat die ÖVP in der vergangenen Woche eines geschafft: Das Kanzlerduell Herbert Kickl vs. Karl Nehammer auszurufen und die inhaltliche Hoheit zurückzugewinnen. Das Land diskutiert über Verbot von Binnen-I, Vollzeitbonus oder Senkung des Eingangssteuersatzes.

Damit haben die Schwarzen geschickt die SPÖ ausgepokert, die sich an immer neuen klassenkämpferischen Ideen offenbar ausgebrannt hat. Auch mit der Medienarbeit zeigte man sich an jenem Freitag der Kanzler-Rede einmal mehr überfordert. So hatte man sich am Vormittag aufs Stichwortkarterl geschrieben: "Das war die Bewerbungsrede zur ÖVP-Vizekanzlerschaft unter Kickl" – was nach Nehammers "Er oder ich" wie ein zur Halbzeitpause verfasster Matchbericht wirkte.

Die Roten waren Freitagvormittag auch zu einer Präsidiumssitzung im Parlament zusammengekommen. Ein Teilnehmer sagt "Heute": "Schwerpunkte waren: Wann wird gewählt und was wird Nehammer sagen?" Man ging bei den Sozialdemokraten offenbar davon aus, dass der Kanzler in Wels eine Vorverlegung der Wahl ankündigen wolle und teilte mit, dass die Bundespartei einen früheren Termin präferiere. Man wolle Andreas Babler weiter "als Reformkanzler" ins Spiel bringen und auf Expertenrunden setzen. 

"Praktikanten-Wordings"

Kurz nach der Sitzung baten Löwelstraßen-Emissäre um "Disziplin" und "Fokus" was die Kommentierung der Nehammer-Rede betrifft. "Wir sollen uns nicht von Binnen-I und Co. provozieren lassen." Für öffentliche Wortspenden seien Wordings übermittelt worden, die "wirkten, als wären sie von Praktikanten in der SJ verfasst worden", so ein Spitzenfunktionär gegenüber "Heute".

Neuwahlen in Wels kein Thema

Es zeigt das Dilemma der Partei: Man ist unter der Neu-Positionierung niemals in eine Duellsituation mit Herbert Kickl gekommen, lehnt die ÖVP-Vorstöße zu einer Leistungsgesellschaft ideologisch tief ab – will sich nach sieben Jahren Opposition aber auch nicht die Vizekanzlerschaft an einer "An Kickl vorbei"-Koalition gänzlich verbauen.

Andreas Babler soll weiter als "Reformkanzler" präsentiert werden.
Andreas Babler soll weiter als "Reformkanzler" präsentiert werden.
Helmut Graf

Bleibt eine Frage: Wann wird nun gewählt? In Wels jedenfalls bestätigte kein ÖVP-Grande den Plan, die Koalition frühzeitig platzen lassen zu wollen. "Wir haben immer gesagt, dass wir die Legislaturperiode zu Ende führen wollen", sagte Klubobmann August Wöginger, der eine flammende Leistungsschau des ÖVP-Regierungsprogramms ablieferte.

Rot-weiß-rote Leitkultur als schwarzes Projekt

Wie "Heute" erfährt, tragen sich die Schwarzen viel mehr mit dem Gedanken, jetzt noch die von Nehammer angekündigte "rot-weiß-rote Leitkultur auszuarbeiten. "Lassen wir sie uns nicht von den Radikalen und den linken Träumern wegnehmen", kündigte der Kanzler an. Dass die Grünen das ärgern könnte, erfreute so manchen ÖVPler in Wels beinahe kindlich ...

Durchklicken: Die Präsentation des Österreichplans

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    Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) stellte am Freitag einen "Österreichplan" vor.
    Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) stellte am Freitag einen "Österreichplan" vor.
    Sabine Hertel
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