Flüge, Stromnetze betroffen
"Drohende Realität": Warnung vor Supersturm aus Weltall
Sonnenstürme können weltweit technische Störungen verursachen. Sean Elvidge, Forscher für Weltraumwetter, kritisiert das aktuelle Warnsystem.
Millionen Menschen waren in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai von den leuchtenden Farben der Polarlichter fasziniert. Eine Folge von großen Sonnenstürmen hatte die grünen, roten und violetten Lichter über Orte tanzen lassen, an denen man ein solches Spektakel für gewöhnlich nicht zu sehen bekommt - darunter auch in ganz Österreich. Auch Professor Sean Elvidge, Forscher für Weltraumwetter an der University of Birmingham, konnte die Polarlichter zum ersten Mal von seinem Garten in Großbritannien aus beobachten.
"Was die meisten Menschen jedoch nicht sahen, waren die Auswirkungen und Maßnahmen, um sie abzumildern, die hinter den Kulissen passierten", erklärt der Experte im Fachmagazin "Nature". Es sei zu Ausfällen bei Mobilfunkanbietern, Internetausfällen und sogar Störungen bei globalen Navigationssatellitensystemen gekommen.
„Was die meisten Menschen jedoch nicht sahen, waren die Auswirkungen und Maßnahmen.“
Vor dem Eintreffen der geladenen Plasmawolke wurden Flugrouten umgeleitet und Stromnetze gesichert, um größere Schäden zu verhindern. Betroffen war zeitweise unter anderem das Satelliten-Internet von "Starlink".
Jahrhundert-Supersturm steht noch bevor
Jetzt fordert Elvidge, dass die aktuellen Warnsysteme für Weltraumwetter dringend überarbeitet werden müssen. Basierend auf Kriterien der US-Ozeanografie- und Wetterbehörde NOAA wurde der Sonnensturm im Mai als "extrem" (G5) eingestuft.
Aktuell wird die Stärke von Sonnenstürmen in drei Kategorien mit jeweils fünf Stufen angegeben: S für Strahlungseffekte, die durch hochenergetische Teilchen ausgelöst werden, R für Radiostörungen, die durch Röntgenblitze ausgelöst werden, und G für geomagnetische Effekte, die durch Plasmawolken ausgelöst werden (hierzu gehören die Polarlichter).
Der Forscher fragt sich jedoch, wie die Risiken eines weit stärkeren, drohenden Supersturms klassifiziert werden sollen, wenn bei einem Ereignis wie im Mai, das nur minimale offensichtliche Störungen zur Folge hatte, bereits die höchste Stufe ausgerufen wird. "Die Kategorisierung geomagnetischer Stürme auf einer Skala von eins bis fünf lässt keinen Raum für Jahrhundert-Superstürme."
Ampelmodell
Außerdem sei es schwierig, die Auswirkungen solcher Stürme genau zu messen, da viele Faktoren wie Geschwindigkeit, Masse und Magnetfeldorientierung der koronalen Massenauswürfe (CMEs) eine Rolle spielen. "Um die Schwere von wirklich extremen Stürmen zu vermitteln, müssen die Wissenschaftler die Klassifizierungsskalen überdenken", fordert er und schlägt ein Ampelmodell vor.
„Die Kategorisierung geomagnetischer Stürme auf einer Skala von eins bis fünf lässt keinen Raum für Jahrhundert-Superstürme.“
Dabei könnten gelbe Weltraumwetter-Warnungen Branchen wie die Luftfahrt und die Landwirtschaft warnen, die von kleineren geomagnetischen Stürmen betroffen sein könnten. "Eine orangefarbene Warnung könnte Nutzer wie Stromnetz- und Radarbetreiber auffordern, vorbeugende Maßnahmen zum Schutz ihrer Dienste zu ergreifen und sich auf Unterbrechungen vorzubereiten", so der Experte.
Eine rote Warnung könnte signalisieren, "dass gefährliches Weltraumwetter zu erwarten ist, dessen potenziell erhebliche Auswirkungen sofortiges Handeln erfordern, und dass Energieversorgungsunternehmen, Satellitenbetreiber und Notdienste unverzüglich Notfallpläne umsetzen müssen." Ein solches System könnte die am stärksten betroffenen Parteien schnell benachrichtigen sowie aktualisiert und eskaliert werden, wenn neue Daten verfügbar sind.
Polarlichter über Österreich – das sind die schönsten Fotos
Da die Sonne derzeit den Höhepunkt ihres etwa elfjährigen Sonnenzyklus erreicht hat, wird sie noch einige Zeit sehr aktiv bleiben. Experten rechnen deshalb in den kommenden Monaten mit vermehrten Sonnenstürmen, die auch die Erde treffen können - und auch Polarlichtern.