Alarmierende Zahlen
Deutschtests für Dreijährige! "Sonst lösen wir das nie"
Immer mehr Volksschüler können kaum Deutsch. Experten fordern frühere Sprachförderung: Tests mit Drei, Lernkontrollen, Strafen für säumige Eltern.
Aktuelle Zahlen zu den Deutschkenntnissen der Schülerinnen und Schüler in Österreich rücken die Diskussion um dringliche Reformen im Bildungssystem und bei Integrationsmaßnahmen wieder in den Fokus. So steigt die Zahl der Kinder in Volksschulen, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, um dem Unterricht folgen zu können, wieder.
Österreichweit waren es zu Beginn des Schuljahres 2023/24 laut Statistik Austria 39.651 Volksschulkinder, die als sogenannte außerordentliche Schüler (also solche mit zu schlechten Deutschkenntnissen für den Unterricht) eingestuft wurden. Das entspricht einem Anteil von 10,7 % (2022/23: 36.500 außerordentliche Volksschüler, 10,1 %).
Jedes 10. Kind kann Unterricht nicht folgen
Etwas mehr als jedes zehnte Kind in der Volksschule kann also nicht genug Deutsch. Nach Bundesländern betrachtet war der Anteil an außerordentlichen Volksschulkindern in Wien mit 18,7 % am höchsten, gefolgt von Oberösterreich mit 10,9 % und Vorarlberg mit 9,8 %. Im Burgenland lag dieser bei nur 5,6 %.
Und die Situation wird immer schlimmer. In Wien kann im laufenden Schuljahr 2024/25 sogar fast jeder zweite Taferlklassler zu schlecht Deutsch, um dem Unterricht zu folgen. In sieben Bezirken sind es über 50 %, in seinem (Margareten) sogar 74 %. Das zeigt eine Anfragebeantwortung von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) an die Wiener ÖVP.
"Seit Jahren ist das Problem bekannt, dass es vor allem in Wien einen hohen Anteil an Volksschülern gibt, die dem Unterricht schlecht folgen können, weil sie zu wenig Deutsch können", sagt Ökonomin Carmen Treml vom Institut Agenda Austria zu "Heute". "Aber es passiert nichts", kritisiert die Bildungsexpertin.
„Erst zu Beginn der Volksschule mit dem Abtesten der Sprachkenntnisse anzusetzen, ist zu spät. Mit sechs Jahren ist schon viel Zeit verloren“
Keine Kontrolle
In der Tat besuchen nicht einmal ansatzweise genug der außerordentlichen Schüler Deutschförderklassen, obwohl sie das eigentlich müssten. Ob ein Schüler als "außerordentlich" eingestuft wird, entscheidet sich auf Basis eines Tests zu Beginn des Schuljahrs. Aber: Laut den Daten der Statistik Austria sind in Wien nur etwas mehr als die Hälfte (51,71 %) der außerordentlichen Volksschüler in einer Deutschförderklasse. Nachgeprüft werde der Besuch dieser Förderklassen halt meist nicht.
70 % sprechen daheim nicht Deutsch
Wirklich schwierig sei die Situation auch, weil ein Großteil der Kinder daheim in der Familie und in der Freizeit mit Freunden nicht Deutsch spreche, so Treml. So liegt der Anteil der Schüler mit nicht-deutscher Alltagssprache an öffentlichen Pflichtschulen in Wien bei knapp 70 %. "Es ist ja prinzipiell nichts dagegen einzuwenden, dass die Kinder daheim ihre Muttersprache sprechen", sagt Treml. "Aber für die Hausübungen brauchen sie halt Deutsch." Und es sei auch nicht förderlich, wenn die Kids auf dem Schulhof überhaupt nicht auf Deutsch miteinander kommunizieren.
Strafen für unwillige Eltern
Treml sieht hier auch die Eltern in der Pflicht. "Damit die Kinder Chancen in der Bildung und später am Arbeitsmarkt nutzen können, müssen sie die deutsche Sprache lernen. Die Eltern sind hier in der Verantwortung." Von der Politik wurden bereits wiederholt Forderungen nach Sanktionen laut, wenn Migranten-Familien Integrationsmaßnahmen ablehnen – die Eltern müssten dann etwa mit Geldstrafen oder Sozialhilfebußen rechnen, wenn sie nicht dafür sorgen, dass ihre Kinder die Deutschförderung wahrnehmen.
Agenda-Austria-Expertin Treml geht aber noch weiter. "Erst zu Beginn der Volksschule mit dem Abtesten der Sprachkenntnisse anzusetzen, ist zu spät. Mit sechs Jahren ist schon viel Zeit verloren, das muss früher passieren."
Deutschtests für Dreijährige
Konkret plädiert Treml für Deutschtests bereits für Dreijährige. "Das könnte etwa im Rahme der Eltern-Kind-Pass-Untersuchung abgecheckt werden. Und Kinder, die dann unzureichende Sprachkenntnisse haben, erhalten Deutschförderung." Der Besuch dieses Angebots und die Sprachfortschritte müssten überprüft werden, andernfalls würden den Eltern ebenfalls Strafen drohen. Ohne derartige Maßnahmen "lösen wir das nie", fürchtet die Expertin.
Dass das Erlernen der deutschen Sprache entscheidend sei sowohl für die Kinder als auch für das Funktionieren des gesamten Schulsystems, ziehe niemand in Zweifel – "da sind sich alle einig", sagt Treml. Trotzdem ändere sich nichts. "Wir müssen mehr Energie und auch Geld in Elementarbildung stecken, in Maßnahmen für die Kleinsten", so die Expertin. Österreich liege da im Vergleich der OECD-Länder weit hinten.
"Jene Kinder, die erst mit fünf oder sechs Jahren nach Österreich kommen, sind wieder ein anderer Fall und sie brauchen eine extra Förderung", meint Treml. Aber der Großteil der Kinder, die ohne ausreichende Deutschkenntnisse bei uns in die erste Klasse Volksschule kommen, sei hier geboren. Und da gebe es dringenden Handlungsbedarf, eben im vorschulischen Bereich.
Diese aktuellen Storys solltest du heute lesen
Derzeit im Fokus der Userinnen und User von Heute.at im Ressort "Nachrichten" ist die aktuell meistgelesene Story "". Ist dir etwas aufgefallen oder hast du einen Input für uns, dann schreib uns ein Mail.
Auf den Punkt gebracht
- Die Deutschkenntnisse vieler Volksschüler in Österreich sind alarmierend schlecht, was die Forderung nach früherer Sprachförderung und strengeren Maßnahmen für säumige Eltern laut werden lässt.
- Experten wie Carmen Treml von Agenda Austria plädieren für Deutschtests bereits für Dreijährige und betonen die Notwendigkeit von Sanktionen, um sicherzustellen, dass Kinder die notwendige Sprachförderung erhalten, um dem Unterricht folgen zu können.