Im größten Korruptionsprozess der Zweiten Republik rund um die Privatisierung von 60.000 Bundeswohnungen (Buwog) im Jahr 2004 unter dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser wurde dieser am 4. Dezember 2020 in erster Instanz unter anderem wegen Untreue zu acht Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist bis heute nicht rechtskräftig, denn Grasser wie auch der Mitangeklagte, der Lobbyist und frühere Grasser-Intimus Walter Meischberger, haben Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt.
Gut vier Jahre nach der Urteilsverkündung hat Grasser die Haft aber nach wie vor nicht angetreten oder wurde das Urteil aufgehoben – denn über die Berufungen wurde nach wie vor nicht verhandelt.
Jetzt hat der Oberste Gerichtshof (OGH) als zweite und letzte Instanz laut "Standard" aber zwei Termine avisiert. Und zwar sollen die Berufungen von Grasser & Co. am 20., 12., 24. und 25. März "voraussichtlich öffentlich" verhandelt werden, sei den Verteidigern am Montag mitgeteilt worden.
Binnen fünf Tagen müssen Grassers Anwälte Norbert Wess und Manfred Ainedter sowie Meischbergers Verteidiger Jörg Zarbl mitteilen, ob triftige Gründe gegen den Verhandlungstermin sprechen. Falls ja, könnte der Karwoche verhandelt werden, vom 14.–17. April.
Zur Erinnerung: In der Causa Buwog wurde sieben Jahre ermittelt, bevor der Prozess gegen Grasser und weitere Angeklagte am 12. Dezember 2017 am Straflandesgericht Wien begann. 168 Tage wurde verhandelt. Für die Verlesung des Urteils brauchte Richterin Marion Hohenecker dann am 4. Dezember 2020 gut zweieinhalb Stunden. Bis das schriftliche Urteil vorlag – es umfasst 1.280 Seiten – dauerte es dann ein gutes weiteres Jahr, bis Ende Jänner 2022. Die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung brachten Grasser und seine Anwälte Mitte Februar 2023 ein.
Worum es geht: Bei der Buwog-Privatisierung unter Ex-Finanzminister Grasser soll es illegale Absprachen und verdeckte Provisionszahlungen in Höhe von insgesamt 9,6 Millionen Euro gegeben haben – ein Teil davon soll bei Grasser kassiert haben. Neben der Buwog-Causa wurden im Prozess auch mutmaßliche Provisionszahlungen bei der Einmietung des Finanzministeriums im Linzer Terminal Tower behandelt – auch hier habe Grasser mitgeschnitten. Grasser bestritt die Vorwürfe stets, es gilt die Unschuldsvermutung.
Nun steht also der Termin für die Berufungsverhandlung beim OGH. Bereits im Mai des Vorjahres hatte die Generalprokuratur, also die oberste Staatsanwaltschaft der Republik, eine Empfehlung abgeben – und zwar dahingehend, den Schuldspruch für Grasser zu bestätigen und die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen. Der OGH ist freilich nicht verpflichtet, sich an die Empfehlung zu halten.
Lehnt der OGH die Beschwerde ab, wird Grasser die Aufforderung zum Haftantritt bekommen. Folgt das Oberste Gericht hingegen der Berufung, könnte es sein, dass der Prozess ganz oder teilweise wiederholt werden muss.