Schuldig, aber...

Wiener IS-Braut (26) muss keinen einzigen Tag in Haft

Evelyn T. stand am Mittwoch wegen Terrorismus vor Gericht in Wien – ihr drohte eine jahrelange Haftstrafe. Gegen Mittag wurde das Urteil verkündet!
09.04.2025, 13:16

IS-Braut Evelyn T. musste sich am Mittwoch, 9. April, wegen Terrorismus vor Gericht in Wien verantworten. Der Andrang sowie die Sicherheitsvorkehrungen am Landesgericht waren groß. Vier zusätzliche vermummte Justizwachebeamte sicherten den Saal.

Die Staatsanwaltschaft warf der 26-Jährigen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und das Verbrechen der kriminellen Organisation vor. "Die Beweislage ist völlig klar, der Sachverhalt ist geprüft", so die Staatsanwaltschaft gleich zu Beginn des Terror-Prozesses. Die Angeklagte bekannte sich schuldig.

Kurz nach 13.00 Uhr wurde schließlich das Urteil verkündet:

<<< Evelyn T. ist schuldig! Das Urteil: 2 Jahre bedingte Haft >>>>

Bedeutet: Die 26-jährige IS-Braut kommt noch am Mittwoch frei!

Die Begründung des Urteils

Begründung des Senats: "Sie war geständig, alle Angaben stimmten zu jederzeit. Wir haben einen einzigartigen Fall hier. Diese Konstellation gab es noch nie. Bis zu 10 Jahre wäre der Strafrahmen gewesen. Ohne es zu verharmlosen oder zu bagatellisieren. Aber sie ist dort nie mit einer Waffe herumgerannt. Es gibt viele Milderungsgründe."

VIDEO: Wiener IS-Braut – hier spaziert sie in Freiheit >>>

Die acht Jahre im Lager wurden bei der Strafzumessung und bei der Prognose berücksichtigt! Die Prognose sei gut, daher würde nichts gegen eine bedingte Strafe sprechen. Bewährungshilfe, Therapie und Deradikalisierung sind aber vorgeschrieben. Nach zwei Monaten muss der erste Bericht der Bewährungshilfe vorliegen. Der Richter will den Fall weiter streng beobachten.

Nach der Urteilsverkündung brach Evelyn T. in Tränen aus. "Danke, dass Sie mir diese zweite Chance gegeben haben", sagte die 26-Jährige. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

"Ich wurde streng gläubig"

Vor Gericht erklärte Evelyn T., dass sie durch ihre Cousine zum Islam gekommen sei. "Ich wurde streng gläubig. Meine Freunde haben auf alle Fragen eine Antwort gehabt", sagte die 26-Jährige aus.

Und weiter: "Man darf als Frau nicht raus, muss sich bedecken. Man darf nicht arbeiten und muss schnell heiraten. Das war komisch am Anfang, aber ich war so drin in der Sache, dass ich das geglaubt habe."

"Kampf mit meiner Familie"

"Es war ein Kampf mit meiner Familie. Ich habe auf meine Freunde gehört, die waren damals wie meine Familie."

Als der Richter von ihr wissen wollte, ob die Gräueltaten wie Enthauptungen des IS für die Wienerin in Ordnung gewesen seien, antwortete die Angeklagte: "Uns wurde alles schöngeredet, sie haben gesagt, wir sollen nicht auf die Zeitung hören, weil die den Islam schlecht darstellen wollen."

Der Saal, in dem der Terror-Prozess stattfand, wurde streng bewacht.
Sabine Hertel

"Ich habe ihm sehr vertraut"

Ihr Mann sei in der Szene sehr bekannt gewesen. "Wir haben uns durch eine Freundin kennengelernt. Er nahm mir die Angst vor der Zukunft, er versprach mir das perfekte Leben. Ich habe ihm sehr vertraut", schildert die junge Mutter.

Die Familie des Mannes war in der Islamisten-Szene sehr bekannt. "Die waren die gelehrtesten Leute über den Islam in ganz Wien", so die 26-Jährige. "Seine ganze Familie war dann beim IS", stellte Evelyn T. klar.

Laut der Wienerin holte sie ihr Mann mit einem Trick in den Irak. Er habe zu ihr gemeint, er will weg von dort und bräuchte ihre Hilfe. "Ich war verliebt in ihn." Sie stahl daraufhin den Pass der Schwester.

"Weil ich erst 16 Jahre alt war, nahm ich den Pass von meiner Schwester, die gerade 18 geworden war." Mit dem Dokument buchte sie dann beim Reisebüro den Trip in die Türkei – wurde dann aber in Istanbul erwischt.

"Entweder IS oder Frauenhaus"

Bei der dritten Reise klappte es dann: Sie reiste mit dem Zug nach Griechenland, fuhr mit dem Bus an die Grenze. "Schlepper brachten mich in die Türkei. Ich war damals 17 Jahre alt. "Einer meiner Schlepper sagte mir, er habe noch nie so ein junges Mädchen gesehen, das zum IS will und es tue ihm weh zu sehen, wie ich mein Leben wegschmeiße. Ich wollte dann nicht mehr nach Syrien, aber der Boss von den Schleppern zwang mich zu gehen."

"In Istanbul nahm mich der Cousin von meinem Mann in Empfang, sagte mir, ich solle jetzt standhaft bleiben." Später wurde ihr dann auch gedroht: "Entweder ich gehe zum IS oder werde in ein Frauenhaus gesteckt", erklärte Evelyn T.

"Da platzte Blase für mich"

Also ging sie nach Syrien mit: "Von Idlib sind wir dann bis nach Raka gekommen, es war ganz einfach. Nach zwei Stunden in Raka holte mich mein Mann ab." Alle hätten vor Freude geweint, "nur ich nicht".

Ihr Mann habe sie dann auch mit Broschüren versorgt. "Ich sollte meine Familie hassen, weil sie Ungläubige sind. Ich widersprach und er war darüber schockiert. Ich dachte, ich kann in einem islamischen Staat sagen, was ich will", so die 26-Jährige.

Doch der Ehemann drohte damit, sie bei der Sittenpolizei zu melden. "Da platzte diese Blase für mich."

So sah ihr Alltag aus

Evelyn T. schilderte vor Gericht auch ihren Alltag. "Ich stand sehr spät auf und war 24 Stunden alleine in der Wohnung eingesperrt. Ich durfte nicht mal aus dem Fenster schauen. Kochen konnte ich nicht. Ich habe daher Wäsche gewaschen. Mein Mann kam spät nach Hause. Internet war verboten, manchmal spielte ich mit dem Handy."

Und weiter: "Es fühlte sich schlimmer an, als ein Gefängnis in Österreich. Mein Mann war ein komplett anderer Mensch, hatte keine Gefühle mehr." Bei ihrer Aussage vor Gericht brach die 26-Jährige dann auch in Tränen aus. "Ich wurde schwanger. Das war wie ein Weckruf für mich. Ich fragte mich, will ich das für mein Kind?"

"Er war plötzlich mein Feind"

"Wenn man Mutter wird, ändert sich alles. Ich wollte nicht, dass mein Kind so aufwächst. Das war für mich sofort klar. Nicht hier, nicht mit dem IS und nicht mit diesem Vater. Er war plötzlich mein Feind."

Die junge Mutter erzählte, dass jeden Tag Bomben vom Himmel fielen: "Irgendwann sagte ich: 'Was würdest du tun, wenn eine Bombe dein Kind trifft?' Ich wollte mein Leben in Österreich zurück."

Kind war "Rettung"

Ihr Kind, das im Mai 2017 geboren wurde, sei wie eine "Rettung" für sie gewesen. "Ich sagte, ich werde es nicht zulassen, dass mein Kind so aufwächst." Ihr Mann sei dann wieder "krankhaft eifersüchtig" geworden.

"Nach viel Überredungskunst beschlossen wir, uns über einen Schlepper gemeinsam bei den Kurden zu stellen. Wir waren ein Monat lang unterwegs, weil wir nicht direkt über den Fluss konnten wegen der Bombardements. Vor der Abreise war es wichtig, nicht aufzufallen, weil beim IS für Verräter die Todesstrafe droht."

"Schwarze Camp"

Die 26-Jährige und ihr Mann seien dann aber festgenommen worden und in ein Lager gekommen. "Monate wurden zu Jahren. Ich war am Anfang wie ein Trottel und wusste nicht mal, wie man Feuer macht. Mit der Zeit kamen immer mehr Menschen ins Lager."

Im Lager hätte sie sich dann vom IS losgesagt. Doch es kam dort immer wieder zu Streits, "weil viele der Häftlinge noch daran glaubten. Diese blinden Leute, die noch immer radikal und gewalttätig waren, "kamen ins sogenannte schwarze Camp."

Überlebenskampf im Camp

"Das Camp war ein Überlebenskampf. Wir heizten mit Kerosin. Regelmäßig brannten Zelte ab und es gab Brände. Man konnte nicht tief schlafen. Auch Polizisten kamen jede Nacht ins Zelt und schlugen zu, stahlen Sachen oder zerstörten sie. Diese acht Jahre waren wirklich eine Herausforderung und sehr schlimm", erklärte Evelyn T. vor Gericht.

Ihr Kind sei im Camp sehr krank gewesen. "Ich hätte meine Mutter gebraucht. Es gab aber nur ein Telefon für 500 Frauen", schluchzte Evelyn T. "Wird man mit einem Handy erwischt, muss man in Isolationshaft. Ich habe immer gehofft, Österreich kommt mich holen und habe mir dann eines besorgt."

Anfang März nach Österreich gebracht

"Meine Mutter besuchte mich dann sogar einmal im Camp, sie begab sich dafür in Gefahr. Sie gab mir Halt und hat alles gemacht, dass Österreich mich zurückholt. Im Gefängniscamp mit einem Kind zu sein, ist etwas, das ich niemandem wünsche", so die 26-Jährige.

Nach acht Jahren im Camp klappte es dann mit der Rückholung. Anfang März 2025 wurden die beiden IS-Bräute Evelyn T. und Marie G. und ihre Kinder schließlich nach Österreich zurückgeholt.

Acht Jahre in Haft

"Ich war schon acht Jahre in Haft. Wenn ich rauskomme, will ich etwas mit meinem Leben machen. Ich will mein Kind wieder haben und mit dem Jugendamt zusammenarbeiten. Ich will mir eine Arbeit suchen, Tierpflegerin wäre ein großer Wunsch", so die 26-Jährige.

Und: "Ich bin zu 100 Prozent distanziert vom IS und will gerne anderen dabei helfen, sich vom IS loszusagen. Nicht viele haben das erlebt, was ich erlebt habe." Zu ihrem Mann, der im Irak in Haft ist, gibt es schon lange keinen Kontakt mehr.

IS-Braut hat schon Job

Nach dem Ende ihrer Aussage war es komplett still im Saal. Verteidigerin Anna Mair nickte ihrer Mandantin aufmunternd zu. Es gab keine Fragen mehr. Mittwochmittag wurde schließlich das Urteil gegen Evelyn T. verkündet.

Evelyn T. wurde von Top-Anwältin Mair vertreten - hier im Foto.
Sabine Hertel

Für die junge Mutter ist bereits ein betreutes Wohnen vorbereitet, eine Jobzusage von einem Supermarkt habe sie bereits in der Tasche. Der Staatsanwalt fand sie "sehr glaubwürdig". Dass es nur der Gatte war, bezweifelte er aber und meinte: "Auch sie war wirklich radikal und hat den IS gutgeheißen. Das war damals eben ein trauriger Hype."

"Der Fall geht mir auch persönlich sehr nahe"

Die Frage der Strafe sei hier eine besondere: "Die Verhältnisse im Lager dort unten sind einfach katastrophal." Als Vorhaft werten will das der Staatsanwalt nicht, da es nicht staatlich ist. Das habe ein deutsches Höchstgericht bereits festgehalten. Wegen der "schweren Schuld" forderte er eine "angemessene Strafe".

Die Verteidigerin forderte ein mildes Urteil: "Ich habe Evelyn zwanzig Mal in der Haft besucht. Der Fall geht mir auch persönlich sehr nahe. Das, was sie erlebt hat, muss man mal aushalten. Sie hat den IS unterstützt, ja. Aber das ist lange her und heute ist der IS deutlich gefährlicher, weil er kein Staatsgebiet mehr hat.

"Es tut mir wirklich leid"

Und weiter: "Ich hoffe auf Augenmaß, denn es gibt sehr viele Milderungsgründe: das junge Alter, das Geständnis, dass sie sieben Jahre lang unter unmenschlichen Bedingungen im Lager saß. Das ist für mich wie eine Haft. Sie war ständig unter Aufsicht, hatte kein fließendes Wasser. Sie ist die erste der Rückkehrerinnen, die so offen aussagt."

Die 26-Jährige habe für ihre Fehler gebüßt und wolle wieder mit ihrem Sohn zusammen sein. Zum Schluss erklärte sie noch: "Es tut mir wirklich leid, was passiert ist. Ich habe Erfahrungen gemacht, die ich keinem wünsche."

{title && {title} } ct,wil, {title && {title} } Akt. 09.04.2025, 14:18, 09.04.2025, 13:16
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