Expertin spricht Klartext

Wer besonders anfällig für Radikalisierung ist

Wieso sind manche Menschen empfänglicher für Radikalisierung als andere? Über diese und andere Fragen sprach "Heute" mit einer Expertin.
Heute Life
24.02.2025, 19:36

Der Schock sitzt auch Tage nach dem Villach-Anschlag in ganz Österreich tief. Der 23-jährige Syrer Ahmad G. tötete den 14-jährigen Alex mittels Messerstichen auf offener Straße, zwei 15-jährige Freunde des Getöteten liegen noch auf der Intensivstation. Binnen weniger Wochen soll sich der Täter mit der IS radikalisiert haben. Was geht im Kopf eines solchen Täters vor und wie sollen Eltern und Lehrpersonal am besten mit der Situation umgehen? "Heute" sprach mit der Leiterin der Beratungsstelle Extremismus, Verena Fabris.

Etwa 40 % der Fälle der Beratungsstelle betreffen islamistischer Extremismus und 25 % Rechtsextremismus. In 10 % der Fälle liegt bereits ein Konflikt mit dem Gesetz vor, sagt Fabris. "Bei uns melden sich vorrangig besorgte Angehörige, Lehrer, Sozialarbeiter und Jugendarbeiter. Wir helfen dann, die betreffende Situation zu analysieren und begleiten unterstützend." Jugendliche selbst landen über die Schule, das Jugendamt oder die Eltern bei der Stelle. Aber auch junge Erwachsene, etwa im Alter von 25 Jahren, werden dort betreut.

Warum sich der eine radikalisiert – und der andere nicht

"Grundsätzlich kann sich jede Person radikalisieren, allerdings gibt es Umstände, die die Entscheidung dahingehend maßgeblich beeinflussen", meint Fabris. "Man hat in der Coronazeit etwa gut gesehen, wie viele Menschen sich Verschwörungstheorien und rechtsextremem Gedankengut zugewandt haben." Krisen und unsichere Verhältnisse seien ein starker Brandbeschleuniger, wenn es um Radikalisierung jedweder Form geht. Hinzu kämen persönliche Umstände, die eine Person empfänglicher dafür machen. Fabris spricht von schwierigen Lebenssituationen, der Suche nach Akzeptanz oder Zugehörigkeit und emotionalen Wunden, die nie wirklich verheilt sind. "Oftmals trifft die extremistische Propaganda einen wunden Punkt und verspricht eine Perspektive, einen klaren Weg, mit dem alles wieder gut wird. Dieses 'Versprechen' ist es dann, dem labile Menschen schließlich anheimfallen." Übrigens mehr Männer als Frauen. Auch, was radikale Gewalttaten angeht, führen Männer die Statistik an. "Manche Frauen schließen sich extremistischen Gruppen oft an, weil sie Gewalterfahrungen gemacht haben und sich in der Gruppe Schutz versprechen. Andere Frauen haben Erfahrung mit Diskriminierung und erfahren in solchen Gruppen Aufwertung." Bei islamischer Radikalisierung stünde oft nicht der wirkliche religiöse Glaube im Vordergrund, sagt Fabris. "Viele sind verzweifelt, fühlen sich mit dem Leben überfordert und suchen ein Regulativ."

Gedenkmarsch nach Terroranschlag in Villach

Das können Eltern und Schule tun

Das Elternhaus und die Schule spielen beim Prozess der Radikalisierung eine große Rolle, so die Expertin. "Je mehr Zuwendung und Unterstützung man aus dem Elternhaus und Umfeld erfährt, desto widerstandsfähiger ist man gegen solche Verführungen." Das Zuhause sollte für Kinder und Jugendliche ein "safe space" sein, um über Sorgen und Ängste sprechen zu können. Eltern, die bei ihrem Kind eine radikale Tendenz zu erkennen glauben, sollten in jedem Fall mit ihm in Kontakt bleiben und das Gespräch suchen – und gegebenenfalls Unterstützung von außen hinzuziehen.

Auch in der Schule sollte Raum für Fragen sein - besonders nach dem jüngsten Vorfall in Villach. "Nicht nur die Angehörigen des verstorbenen Jugendlichen brauchen nun psychologische Unterstützung, sondern auch die Klassenkameraden, die durch den Vorfall indirekt traumatisiert wurden", so Fabris und pocht weiter auf Medienkompetenz als Schulfach, mithilfe derer Schüler gefährliche Inhalte im Internet leichter erkennen können sollen.

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 25.02.2025, 16:57, 24.02.2025, 19:36
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