IS-Fanatiker in Villach

"Gewaltsam umsetzen" – so geht Turbo-Radikalisierung

Der Attentäter von Villach (23) wurde in wenigen Wochen online radikalisiert – das verraten die Ermittler. Ein Experte erklärt die Umstände.
Michael Pollak
17.02.2025, 22:39

Das Land verharrt nach der abscheulichen Tat des IS-Fanatikers in Villach weiter im Schock. Bürger sind wütend oder verzweifelt. Viele Fragen bleiben ungeklärt.

Für Erstaunen sorgt auch die Information, dass sich der mutmaßliche Täter innerhalb von nur wenigen Wochen radikalisiert haben soll. "Heute" hat dazu Nicolas Stockhammer befragt, den renommierten Extremismusforscher der Donau-Uni Krems.

"Extremistisches Material in Sozialen Medien"

"Das funktioniert bei jeder Person in unterschiedlicher Manier und Geschwindigkeit. Es ist so, dass durch das große Angebot an extremistischem Material in Sozialen Medien das Potenzial einer Radikalisierung größer ist", sagt der Experte.

Voraussetzung für eine solche Radikalisierung ist naturgemäß, "von Beginn an eine Art Angreifbarkeit und Verfügbarkeit." Der Angesprochene – in den meisten Fällen junge Männer – müsse für radikales Gedankengut empfänglich sein. Stockhammer: "Die Bereitschaft, diese Ideen gewaltsam umzusetzen, muss schon da sein."

Eine wichtige Rolle spielen während des gesamten Prozesses sogenannte 'Influencer-Preacher' (Influencer-Prediger). Viele von ihnen haben auf Sozialen Medien Pop-Star-Status erlangt. Sie sehen aus wie coole Jungs von nebenan, in Wahrheit verbreiten sie "eine ultrakonservative Auslegung des Islam", so die Dokumentationsstelle Politischer Islam.

"Einstiegsdroge"

"Die stellen eine niederschwellige Einstiegsdroge in die Radikalisierung dar", sagt Experte Stockhammer über Influencer-Preacher, "zunächst geben sie sehr lebensnahe Empfehlungen ab", etwa wie man ein frommes Leben aus Sicht des Salafismus leben kann, "empfänglich dafür sind sehr oft junge Männer, die auf der Sinnsuche sind."

Online kommt es immer wieder zu Rekrutierungsversuchen: "Man verstärkt die Verbindung zu Personen, die schon Inhalte konsumiert haben." Die Prediger versuchen ihre Opfer an Bord zu holen, "man lädt sie in geschlossene Telegramgruppen ein, wo Inhalte geteilt werden, die als jihadistisch gelten. Die Intention ist ganz klar: Menschen zu Terror anzustiften!"

Bei manchen kommt dann ganz schnell der Punkt, ab dem man bereit ist Gewalt auszuüben: "Da braucht es oft nur mehr einen Verstärker oder einen Auslöser. Das kann ein anderer Anschlag, ein Propagandavideo, Foto, oder ein Text sein, der den Angesprochenen mobilisieren kann, einen Anschlag zu verüben. Da braucht es dann nur mehr einen Impuls." Dieser Zyklus kann für manche eben schon nach wenigen Wochen vollbracht sein.

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Derzeit geht man von etwa 150 Personen aus, die in Österreich als islamistische Gefährder gelten. "Die Tendenz ist weiter steigend, denn durch die niederschwelligen Zugänge zu Radikalisierungsmöglichkeiten können immer mehr Menschen dazu verführt werden. Die Frequenz ist in ganz Europa hoch geworden und auch Österreich war und bleibt im Visier von Terrorismus", sagt Nicolas Stockhammer zu "Heute".

Terrorgefahr jetzt überall

Gerade der aktuelle Anschlag in Villach zeigt, dass "Terrorismus nicht nur mehr auf große Metropolen beschränkt ist, sondern durch die Onlineradikalisierung auch abgelegenere Orte ins Visier kommen."

Beunruhigend: "Beim Phänomen des radikalen Einzeltäters gibt es keine Hotspots. Es kann also sein, dass die Person, die radikalisierende Botschaften ausschickt, in Syrien sitzt, aber jemand, der in Österreich lebt, diese Botschaft aufnimmt und einen Terroranschlag verübt."

{title && {title} } POM, {title && {title} } Akt. 18.02.2025, 08:20, 17.02.2025, 22:39
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