In 16 Tagen wählt Wien. Die bisher größte Umfrage von "Heute", ATV und Puls 24 zeigt: Das Match um die Hauptstadt ist entschieden; der Poker von Bürgermeister Michael Ludwig mit dem vorgezogenen Wahltermin scheint für seine SPÖ voll aufzugehen. Die Roten stehen vor einem Kantersieg – auch ohne einen Kanzler Kickl als Mobilisierungsbooster.
Spannend: Obwohl eine Mehrheit die Entwicklung der Stadt mit Sorge betrachtet, machen die Wiener nicht die seit Jahrzehnten regierende SPÖ für die Situation verantwortlich. Dieser Umstand hat einen Namen: Michael Ludwig. Der leutselige Bürgermeister zieht die Rathaus-Roten. Während 39 Prozent die SPÖ wählen wollen, würden den Stadtchef 57 Prozent gleich direkt im Amt verlängern, wenn sie dies könnten.
Der zweite Sieger am 27.4. wird die FPÖ, die sich verdreifachen dürfte. Meinungsforscher Peter Hajek schätzt die Blauen (2020 nur 7 Prozent) aktuell auf 22 Prozent hoch. Damit würde Obmann Dominik Nepp, der mit seinem Klubchef Maximilian Krauss seit Monaten Zuwanderung und Wiener Mindestsicherung thematisiert, sogar das FPÖ-Nationalratsergebnis vom September in Wien (20,7 Prozent) toppen.
Legen die Blauen weiter zu, könnten sie im kommenden Gemeinderat 25 Mandatare stellen und somit selbst U-Ausschüsse einsetzen. Nepp will dann auf Corona-Aufarbeitung setzen und wohl auch die Wiener Mindestsicherung durchleuchten. Fakt ist: Die erstarkten Freiheitlichen, die Bürgermeister Ludwig schon jetzt in jedem zweiten Satz an die Gurgel gehen, werden künftig eine noch unangenehmere Kontrollkraft mit neuen Möglichkeiten.
Ein Gutteil der blauen Zugewinne speist sich aus Wienern, die 2020 noch die Blümel-ÖVP angekreuzt haben. Die Stadt-Schwarzen laufen Gefahr, jeden zweiten Wähler (!) zu verlieren. Eine völlig verunglückte Kampagne liefert einmal mehr den Beweis, dass es hierzulande nicht sonderlich klug ist, auf deutsche Berater zu setzen. Wien ist anders.
Und so hat es die ÖVP dem Eigentlich-Parade-Bürgerlichen Karl Mahrer (der absurderweise als Rechts-außen-Politiker dargestellt wird) zu verdanken, dass die ÖVP noch zweistellig ist. Bei den letzten Urnengängen war die Volkspartei in Umfragen stets unterdeklariert, wirft Demoskop Hajek ein. Vielleicht also kann der besonnene Mahrer im Finish mit starken TV-Auftritten noch Boden gutmachen. Vor allem seine Oppositionsarbeit im Schulbereich war mit Bildungssprecher Harald Zierfuß in den vergangenen fünf Jahren höchst couragiert.
Deutlich mehr Tritt gewann zuletzt die Performance der Grünen mit der sympathischen, aber noch unbekannten Judith Pühringer. Die Ökos fahren eine frische Kampagne, setzen neben der FPÖ am stärksten auf Social Media und haben mit Peter Kraus und dem blutjungen Theo Löcker (ja, der mit den Muckis) ein spritziges Team. Grantig war gestern. Ob es für ein Comeback als Junior-Partner der Roten reicht, hängt vom Ergebnis der Neos ab. Auch ohne Christoph Wiederkehr ist die pinke Welt rosarot. Die 9 Prozent könnten für ein Revival der Punschkrapfen-Koalition ausreichen, wenn bei der SPÖ der 4er vorne steht ...
Während Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache mit 2 Prozent chancenlos ist, könnte die KPÖ ("Ludwig g'winnt eh") als linkes Protestangebot ein dunkelroter Farbklecks auf der Wiener Politlandkarte werden.
Platz eins und zwei sind also entschieden – sonst ist noch vieles offen. Wer wie stark wird, hängt von der Wahlbeteiligung ab. Die FPÖ hat die sichersten Wählerstimmen, die SPÖ noch das größte Potenzial. Neos- und ÖVP-Anhänger hadern noch mit ihrer Entscheidung ...