Alarm um 24-Stunden-Betreuung
Pflege-Krise: „Das Sozialsystem lässt uns hängen"
3.000 Euro und mehr pro Monat für die Pflege – wer soll sich das leisten können? Betroffene und Experten stellen drei Forderungen.
Es sind bewegende Schicksale. "3.800 Euro für Pflege im Monat – das ist nicht leistbar", klagt Gottfried H. (71) im Interview mit "Heute". Er und seine Frau mussten in Folge aus ihrem Haus ausziehen. Alles wurde zu teuer. Es sind Geschichten wie diese, die das Thema Pflege erst verständlich machen. Kaum benötigt ein Familienmitglied 24-Stunden-Pflege zu Hause, stehen die meisten Betroffenen vor dem finanziellen Abgrund.
Das Problem, so die Betroffenen: Trotz öffentlicher Beihilfen, ist die Betreuung daheim kaum bezahlbar. Weist man die Person in ein Heim ein, ist es für die Familien kostenlos. Doch das wollen die wenigsten.
"Da schaut der Staat weg ..."
Sabine Rödler beschreibt die Situation ihres im Sommer verstorbenen Vaters: "Das Sozialsystem lässt uns weitgehend hängen, wenn ein Angehöriger 24 Stunden zuhause betreut wird oder werden muss. Die Existenzsorgen von Betroffenen und Angehörigen sind unvorstellbar. Rund 3.000 Euro an monatlichen Ausgaben für die 24-Stunden-Betreuung – wer hat das schon nebenbei? Da schaut der Staat weg, während er den Aufenthalt in Pflegeheimen durchsubventioniert!"
Die Zahlen dazu: 30.000 Personen werden derzeit in Österreich zu Hause von 57.026 Betreuerinnen gepflegt (es sind meist Frauen, die diesen Beruf ausüben). Dazu gibt es mehr als 900 Agenturen, die Pflege-Dienste vermitteln.
Donnerstagvormittag präsentierte die "Plattform Personenbetreuung" – ein Zusammenschluss aus Betroffenen, Agenturen, Pflegern und Seniorenvertretern – drei Forderungen, die aus ihrer Sicht sofort nötig wären, um Betroffenen zu helfen
Das fordert die Plattform Personenbetreuung
- Die Erhöhung der staatlichen, monatlichen Förderung zur 24-Stunden-Betreuung durch Einführung eines Fairness- und eines Qualitätsbonus (von jetzt monatlich 800 Euro auf 1.450 Euro, Hintergrund: Plätze in Pflegeheimen werden mit einem Mehrfachen von der öffentlichen Hand finanziert).
- Die Einkommensgrenze für den Förderzugang anpassen durch die Anhebung der seit Einführung im Jahr 2007 kein einziges Mal valorisierten Einkommensgrenze von 2.500 Euro auf 3.500 Euro (um nicht immer mehr Betroffene aus der gesamten Förderung auszuschließen).
- Betreuungskräfte aus Drittstaaten zulassen: Die Schaffung der Möglichkeit der Gewerbeausübung für selbständige Betreuungskräfte, deren Herkunftsland außerhalb der EU liegt, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden, z.B. aus Serbien, Bosnien-Herzegowina oder Montenegro.
Auch Hilfswerk schlägt Alarm
Elisabeth Anselm vom Hilfswerk Österreich: "Die Schere zwischen der Zahl der Menschen, die Pflege und Betreuung benötigen, und der Zahl professioneller Pflege- und Betreuungskräfte ist mittlerweile dramatisch. Wir sehen mittlerweile sogar Wartelisten in den mobilen Diensten, in der Hauskrankenpflege und in manchen Regionen sogar in der Heimhilfe."
Eines der drohenden Szenarien: Laut Berechnungen fehlen bis zum Jahr 2050 bis zu 200.000 Pflegerinnen. Die Zahlen explodieren, denn die Bevölkerung wird immer älter und immer mehr aktive Pflegerinnen wandern ins Ausland ab. Klar: In Deutschland, der Schweiz und auch in Dänemark können sie mit dem gleichen Aufwand viel mehr verdienen.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Die 24-Stunden-Betreuung von Pflegebedürftigen in Österreich stellt viele Familien vor finanzielle Herausforderungen, da die Kosten von mehr als 3.000 Euro pro Monat kaum tragbar sind
- Trotz öffentlicher Beihilfen bleibt die häusliche Pflege für viele unerschwinglich, während der Staat den Aufenthalt in Pflegeheimen subventioniert, was zu Existenzängsten bei Betroffenen führt und die Notwendigkeit von Reformen im Sozialsystem verdeutlicht