Jetzt kommt Volksbegehren

Krise: „24-Stunden-Pflege können sich nur 10 % leisten“

Es ist eine gewaltige Krise, an die kaum wer denken will. Klaus Katzianka – selbst Pflege-bedürftig – kämpft für bessere Umstände.

Michael Pollak
Krise: „24-Stunden-Pflege können sich nur 10 % leisten“
Klaus Katzianka ist seit seiner Kindheit auf Pflege angewiesen - jetzt will er die Lage für alle verbessern.
JOE KLAMAR / AFP / picturedesk.com

Wenn das eintritt, stürzen Betroffene in den Ausnahmezustand. "Fast jede Familie hat einen Pflegefall, warum tut man nicht etwas?" Das fragt Klaus Katzianka, "es ist fünf Minuten NACH zwölf – es gibt keine Pflegerinnen mehr." Der Steirer muss es wissen, er ist seit seiner Kindheit auf Pflege angewiesen.

Katzianka ist selbst körperlich eingeschränkt. "Meine Krankheit heißt Arthrogryposis multiplex, das ist ein Wachstumsstopp der Gliedmaßen während der Schwangerschaft. Die Folge: Deformierung einiger Glieder, zum Beispiel der Arme", sagt er im Gespräch mit "Heute".

Als Kind verbrachte Katzianka sechs Jahre im Spital

Die Auswirkungen sind kaum vorstellbar: "Ich konnte als Kind nicht sitzen, stehen oder gehen – das erste Mal gestanden bin ich mit sieben Jahren."

Von seinen ersten zehn Lebensjahren verbrachte Katzianka sechs in Spitälern, "später kam ich in eine sogenannte Sonderschule für behinderte Menschen – ich war immer im Internat."

Schon bald hat er entschieden, kein Opfer zu sein: "Ich will nicht jammern, nur das Beste daraus machen!"

Einer breiten Öffentlichkeit wird Katzianka Ende der 1990er Jahre bekannt. Gemeinsam mit vielen Größen des Austropops (Wolfgang Ambros, EAV, STS, Hansi Lang, Ludwig Hirsch…) erscheint der Song "Hand in Hand". Damit tritt er sogar bei "Wetten, dass..?" vor einem Millionenpublikum auf.

Eine weitere Unternehmung beschäftigt ihn bis heute. Katzianka gründet 2006 eine Agentur für Pflegekräfte. Warum? "Bei den Agenturen ging es damals kaum menschlich zu. Weder für den Pflegebedürftigen noch für die Pflegekraft. Man hat eher geschaut, dass das Kommerzielle passt."

Katzianka kämpft auch vor Gericht für seine Kunden

Katzianka kümmert sich intensiv um seine Kunden, übernimmt weitere Hilfsleistungen: "Ich habe auch mehr als 180 Familien geholfen, dass sie eine höhere Pflegegeldstufe bekommen, ich bin sogar vor Gericht für sie verhandeln gegangen."

Erst vor kurzem erstritt er für die Pflege eines drei Monate alten Babys mit der "Schmetterlingserkrankung" (seltene genetische Krankheit, bei der die Haut dünner als Papier ist) mehr Geld: "Das Kind wurde sehr niedrig eingestuft. In erster Instanz ist es mir gleich gelungen, dass auf Stufe drei aufgestockt wurde." Doch das reicht Katzianka nicht, "das Kind sollte Stufe fünf oder sechs bekommen, das ist mehr als gerechtfertigt."

Doch die 24-Stunden-Pflege im eigenen Haus ist und bleibt ein großes Problem. Sie ist extrem teuer (etwa 3.000 Euro pro Monat) und es gibt viel zu wenig Pfleger für die Arbeit. "Die Politik hat das Thema ewig verschlafen. Man hat das Thema von einer Legislaturperiode zur nächsten geschoben, niemand wollte es so richtig angreifen", sagt Katzianka zu "Heute".

Er will jetzt ein großes Zeichen setzen. Im Frühjahr 2025 will er eine Volksbefragung initiieren. "Jetzt muss man sich dem Thema mehr als ernsthaft annehmen."

"Vom Gefühl kostet die Pflege im Heim nichts, Pflege daheim ist zu teuer"

Eines der Hauptprobleme: "Vom Gefühl her kostet die Pflege im Heim nichts, Pflege daheim ist zu teuer. Aus meiner Sicht können sich das maximal zehn Prozent leisten."

Katzianka will seine Lösung aufzeigen, die Reparatur der Pflege-Krise kann sogar Geld sparen, das zumindest behauptet er. Denn derzeit – so der Agenturbetreiber – zahlt die Landesregierung Steiermark zu jedem Heimplatz 2.000 Euro dazu (zusätzlich zum Pflegegeld). Die Devise von Klaus Katzianka: "Liebe Politik, gebt lieber der Familie 1.000 Euro mehr."

Die bekommen einen Stundenlohn von 3,5 Euro. Die sagen, so dumm sind wir nicht mehr!
Klaus Katzianka
Volksbegehren-Initiator

Damit sollen zwei Sachen gelöst werden: Der Familie soll finanziell unter die Arme gegriffen werden und den Pflegerinnen (es sind meist Frauen) soll auch ein höherer Lohn ermöglicht sein.

"Zurzeit wollen die Slowakinnen nicht mehr bei uns arbeiten. Zu dem Preis gehen wir woanders hin, sagen sie. Sie bekommen hier einen Mindestsatz von 85 Euro pro Tag, das ist ein Stundenlohn von 3,5 Euro. Die sagen, so dumm sind wir nicht mehr!"

Der baldige Volksbegehren-Initiator will mit aller Kraft die Situation verbessern, "sonst würden die Schwächsten auf der Strecke bleiben!"

"Man ist schneller dabei als man denkt!"

Neben dem Tausender, der Familien und Pflegerinnen zukommen soll, will Katzianka auch die Pension der Arbeiterinnen verbessern: "Wenn eine Betreuerin 12 Jahre in Österreich gearbeitet hat, bekommt sie in Österreich eine Pension von ungefähr 100 Euro. Das ist keine Motivation."

Ein letztes, aber wichtiges Problem beim Thema Pflege: "Gedanken daran verdrängt jeder Mensch. Soziologisch ist das leicht erklärbar: Jeder denkt, mich betrifft es nicht. Aber etwa nach einem Schlaganfall ist alles anders. Man ist schneller dabei als man denkt!"

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    privat, iStock

    Auf den Punkt gebracht

    • Klaus Katzianka, selbst auf Pflege angewiesen, kritisiert die unzureichende Unterstützung und hohen Kosten der häuslichen Pflege in Österreich und plant eine Volksbefragung im Frühjahr 2025, um auf die Missstände aufmerksam zu machen
    • Er fordert finanzielle Unterstützung für Familien und bessere Löhne sowie Renten für Pflegekräfte, um die Pflegekrise zu bewältigen und die Situation für Betroffene zu verbessern
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