Schlimmes Kinder-Schicksal
"OP gleich nach Geburt": Sohn wurde nur 7 Jahre alt
Lawrence wurde nur sieben Jahre alt. Seine Mutter beschreibt im "Heute"-Talk sein Leiden und die Probleme der Familie mit der Pflege.
Lawrence verstarb Ende 2022 mit nur sieben Jahren. Er hatte den Entwicklungsstand eines sechs bis neun Monate alten Babys.
Sein jahrelanges Leiden begann am fünften Tag nach der Geburt. Bei Lawrence wird zunächst grauer Star diagnostiziert. "Ich bekam eine Vorahnung, ich wusste, das ist nichts Gutes. Das war der schlimmste Tag meines ganzen Lebens", sagt seine Mutter Theresa Wilkinson zu "Heute".
"Nie zuvor so einen starken Schmerz gespürt"
Einige Symptome tauchten sofort auf. Neben dem Augenleiden wollte das Baby kaum trinken. Auf der Stoffwechselambulanz war man zunächst ratlos.
"Nie zuvor habe ich einen so starken Schmerz gefühlt, der durch einen Menschen ausgelöst wird. In mir ist ein Film abgelaufen: Lawrence wird nie von zu Hause ausziehen, er wird nie selbst eine Familie haben – es war schrecklich, die härteste Zeit für mich." Theresa Wilkinson beschreibt den Oktober 2015, damals kam ihr erster Sohn auf die Welt. "Es war ein richtiger Schlag, wir waren zum ersten Mal Eltern und dann das."
Fünf Wochen nach der Geburt musste Lawrence erstmals operiert werden. "Der Arzt hat uns nicht wirklich ernst genommen, er war sehr unwillig Fragen zu beantworten, er gab uns keine Hilfestellung. Wir hatten keine Ahnung – was macht man mit einem Kind, das schon als Baby Kontaktlinsen braucht."
"Wir bekamen keine Information, keine Hilfe"
Die Eltern Theresa und Nick Wilkinson hatten Tausende Fragen, Antworten fanden sie keine. "Wir wussten, es stimmt was nicht mit Lawrence, aber es gab keine Diagnose", sagt die Mutter Jahre später, "wir bekamen im Krankenhaus keine Informationen, keine Unterstützung, auch keine Hilfe, wohin wir Eltern für psychologischen Rat gehen konnten."
„Wir bekamen einen A4-Zettel mit einer Entschuldigung, es war furchtbar“
Nach einem halben Jahr bekamen sie erste Resultate eines Gen-Tests. "Wir waren am Boden zerstört, seine Lebenserwartung betrug laut Untersuchung 30 Jahre."
Es kam noch viel schlimmer, dieser erste Test wurde von den Experten falsch interpretiert. Die Wienerin erinnert sich: "Wir bekamen einen A4-Zettel mit einer Entschuldigung, es war furchtbar."
"Er hat sich nicht entwickelt"
Jetzt war auch ein zweites Kind unterwegs, 2017 wurde es geboren, zum Glück gesund. "Lawrence war jetzt 1,5 Jahre alt, wir wollten noch einmal prüfen lassen, was los ist." Die Sorgen waren groß: Der Bub ist kaum gewachsen, sein Kopfumfang blieb sehr klein, er hat wenig gegessen, "er hat sich nicht entwickelt", sagt Wilkinson.
Man führte eine weitere Gen-Analyse durch, diesmal in Innsbruck. Resultat: Lawrence hat eine Zellzyklus-Störung, genannt "Cockayne-Syndrom". Alle Symptome passten: kleiner Kopf, kaum Gewichtszunahme und Wachstum, Sehminderung, vorzeitige Alterung. "Es war eine enorme Belastung für uns, zum Glück war Lawrence sehr fröhlich."
Jetzt begann – zusätzlich zur Behandlung – das Pflege-Drama. "Wir haben zu Beginn nicht einmal gewusst, dass man für ein Kind eine Pflegestufe beantragen kann", sagt Theresa Wilkinson. Das habe sie erst später zufällig von einer Arbeitskollegin erfahren. Jetzt, Jahre später kritisiert sie: "Es gibt keine richtige Anlaufstelle für Informationen zu Pflege, man weiß nicht, was einem zusteht, was man in Anspruch nehmen kann – auch finanziell."
Wieder war es purer Zufall: Ein Zeitungsartikel beschrieb das Kinderhospiz 'Netz' in Meidling. "Das war unsere große Rettung", sagt die Mutter und beschreibt das spendenfinanzierte Haus, "dort gab es kostenlos Pflege und Therapie für die Kinder und auch die wichtige Betreuung für Eltern und Geschwisterkinder."
Doch bis zu dieser erlösenden Entdeckung waren Theresa und Nick auf sich selbst gestellt: "Man muss sich selbst alle Informationen zusammensuchen – dabei hat man wirklich Besseres zu tun. Da ist man in dieser herausfordernden Situation und muss sich plötzlich um Bürokratie kümmern."
Dann, 2019, die nächste Verschlechterung: Lawrence bekam eine Schluckstörung, Nahrung musste er ab jetzt über eine Sonde im Bauch aufnehmen. Zu dieser Zeit war er schon im Kindergarten.
"Es wurde groß gefeiert – wir wussten, er wird nicht viel älter"
"Ich arbeitete da wieder als Lehrerin. Wir hatten niemanden, der ihn sondiert – das Personal im Kindergarten wollte sich nicht darauf einschulen lassen, obwohl es eine heilpädagogische Einrichtung war", erzählt Wilkinson. Die mühsame Lösung: Zweimal pro Tag musste entweder die Mutter oder der Vater während einer Arbeitspause in den Kindergarten fahren.
Für die Mutter war es Dauerstress: "Ich habe mich gefühlt wie eine Firma, ich musste dauernd etwas für Lawrence organisieren." Und wie in vielen Bereichen: "Das bleibt meist bei Frauen hängen, die in Folge weniger verdienen und auch in der Pension weniger erhalten." Die Pflege-Krise schlug auf vielen Ebenen zu.
Es war der reine Horror für die Familie: "Im Oktober 2022 wurde Lawrence sieben Jahre alt. Es wurde groß gefeiert – wir wussten, er wird nicht viel älter. Eingeladen waren Freunde, Familie und auch die Betreuer und das medizinische Personal."
Doch bereits seit einem halben Jahr ging es Lawrence schlecht. "Da merkte man schon, der Zenit ist erreicht, es geht nicht mehr bergauf." Sie beschreibt ihren Sohn zu dieser Zeit: "Er wollte sich kaum mehr bewegen, hat schon sehr alt ausgesehen, seine Haare sind ausgefallen, die Zähne waren schlecht – es war die verfrühte Alterung." Dazu hatte er noch schlimme Schmerzen, er zog sich immer mehr zurück.
„Uns war klar, wenn er zeigt, dass er gehen will, soll es so sein…“
Zum Vergleich: "Davor war er auch richtig glücklich, Lawrence hatte viele Freunde – Kinder wie auch Erwachsene zog er in seinen Bann. Doch dann merkten wir, seine Persönlichkeit veränderte sich."
Kurz nach Weihnachten kam ein finaler Schock: Es wurde auch noch Diabetes diagnostiziert, Vater Nick fuhr mit Lawrence ins Krankenhaus. "Die haben ihn gleich dort behalten." Am nächsten Tag kamen die Mutter und der Bruder zu Besuch, "da ist Lawrence noch einmal richtig aufgeblüht. Ich denke mir, er wollte sich zusammenreißen für seinen Bruder – später ist er komplett zusammengefallen."
Die Eltern waren zum Glück vom Kinderhospiz gut vorbereitet auf diese härteste Zeit: "Uns war klar, wenn er zeigt, dass er gehen will, soll es so sein…"
"Ich sagte ihr, sie dürfen Lawrence gehen lassen"
Theresa Wilkinson beschreibt die letzten Stunden: "Ich habe ihn noch in die Intensivstation begleitet. Nie zuvor habe ich Lawrence allein gelassen im Krankenhaus, aber da ging es nicht anders. Ich sah, er ist dort gut angekommen, er war recht ruhig. Er gab mir zu verstehen, ich darf jetzt gehen."
Wilkinson schlief fünf Stunden. In der Früh erfuhr sie von der Ärztin, dass es Lawrence immer schlechter geht. "Die Ärztin war sehr aufgelöst, ich war ruhig. Kurz bevor wir den Raum erreichten, ist er kollabiert. Er wurde reanimiert. Dann hat mich die Oberärztin auf die Seite genommen – ich sagte ihr, sie dürfen Lawrence gehen lassen."
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Auf den Punkt gebracht
- Lawrence, der nur sieben Jahre alt wurde, litt seit seiner Geburt an schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen, darunter grauer Star und das seltene Cockayne-Syndrom.
- Seine Mutter Theresa Wilkinson beschreibt die jahrelangen Herausforderungen der Familie, die mangelnde Unterstützung durch das Gesundheitssystem und die emotionale Belastung, die sie durch die Pflege und den Verlust ihres Sohnes erlebten.