Letzte Silvester-Ansprache

Schönborn: Trotz Krisen das Vertrauen nicht verlieren

In seiner allerletzten Silvester-Ansprache erklärt Wiens Erzbischof Schönborn, wie man trotz der aktuellen Krisen an das Gute glauben kann.

Newsdesk Heute
Schönborn: Trotz Krisen das Vertrauen nicht verlieren
Kardinal Christoph Schönborn in seiner ORF-Silvesteransprache.
ORF 2

In seiner traditionellen ORF-Silvesteransprache hat Kardinal Christoph Schönborn hat dazu aufgerufen, allen Krisen zum Trotz das Vertrauen in die Zukunft nicht zu verlieren. Die Probleme seien groß – immerhin sei selten ein Jahreswechsel "mit so viel Unsicherheit verbunden, wie in diesem Jahr", so der Wiener Erzbischof unter Verweis auf den Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, im Blick auf die Staatsverschuldung und die anhaltenden Koalitionsverhandlungen. Selbst eine "atomare Eskalation" sei denkbar – er vertraue aber darauf, dass es nicht dazu kommen wird.

Gelernt habe Schönborn das vom Arzt, Psychotherapeuten und KZ-Überlebenden Viktor Frankl (1905-1997). Aus einer "Haltung des Vertrauens" heraus sei es möglich, selbst in den ausweglos erscheinenden Situationen noch etwas Gutes bzw. Sinn zu entdecken. Vertrauen sei insofern eine "Haltung gegen den Strom, gegen den Pessimismus". Sie lasse sich pflegen durch Mitgefühl und die menschliche Fähigkeit, sich in das Leiden anderer Menschen hineinzufühlen. "Aus diesem Mitgefühl und Nachfühlen-Können entsteht eine solidarische Gemeinschaft", für die man sich aktiv entscheiden könne: "Wir können uns dafür entscheiden – ganz bewusst: Ich will ein Brückenbauer des Friedens sein."

Letzte Ansprache – Nachfolger offen

Es war die allerletzte ORF-Silvesteransprache von Kardinal Schönborn als Erzbischof von Wien. Er wird am 22. Jänner 80 Jahre alt und feiert schon vier Tage zuvor seinen Abschied mit einem Dankgottesdienst im Stephansdom und einem anschließenden Fest am Stephansplatz. Ein Nachfolger wurde bislang noch nicht ernannt.

Die Ansprache im Wortlaut:

"Selten war ein Jahresübergang mit so viel Unsicherheit verbunden wie in diesem Jahr. Wie wird es in der Ukraine weitergehen? Wird es endlich einen gerechten, haltbaren Frieden geben? Wird es im Nahen Osten zu einer Friedenslösung kommen? Wird es in Österreich gelingen, den Schuldenberg gemeinsam abzubauen? Werden wir eine stabile Bundesregierung bekommen? Und dazu kommen natürlich die vielen persönlichen Ungewissheiten und Sorgen. Der Jahresübergang kann in ein gutes Jahr führen oder auch in ein schlimmes bis hin zu einem Atomkrieg. Deshalb geht auch so viel Angst in der Welt um.

Was können wir dieser Angst entgegensetzen? Vor allem das Vertrauen. Ich persönlich sehe mit Zuversicht und Vertrauen in das kommende Jahr. Und ich möchte auch sagen, warum: Ich erinnere mich an Viktor Frankl, den berühmten Arzt und Psychotherapeuten, bei dem ich vor vielen, vielen Jahren studiert habe. Er hat das KZ überlebt und trotz dieser schrecklichen Erfahrung als Leitwort 'Trotzdem Ja sagen zum Leben' gehabt. Diese Haltung des Vertrauens bemüht sich vor allem darum, in allen Dingen immer auch das Gute zu finden. Und das ist möglich. Dazu hat Viktor Frankl ein ganz wichtiges Wort gesagt: Im Leben einen Sinn finden heißt, auch im Leiden einen Sinn finden. Dazu braucht es eine ganz bestimmte positive Haltung.

Viktor Frankl war überzeugt, dass es eine Fähigkeit des Menschen gibt, die ihn vertrauensfähig und vertrauensstark machen. Leiden gehört zum Leben. Es gibt kein Leben ohne Leiden. Aber wir alle haben die Fähigkeit des Mitleidens, des Mitgefühls. Es ist unmenschlich, wenn ein Mensch kein Mitgefühl erkennen kann. Es ist schrecklich, was wir aus Syrien gehört haben. Wie Menschen gefoltert, zu Tode gequält wurden in den syrischen Gefängnissen. Wie schrecklich ist es, wenn in Kriegen Kinderspitäler bombardiert werden.

Vertrauen ist eine Haltung, die nicht selbstverständlich ist. Sie ist sozusagen gegen den Strom, gegen den Pessimismus. Aber: Das Vertrauen können wir pflegen durch das Mitgefühl. Wer Mitgefühl hat, kann sich hineindenken in die Situation anderer Menschen. Er kann ihnen nachfühlen, wie es ihnen geht. Und aus diesem Mitgefühl und Nachfühlen-Können entsteht eine solidarische Gemeinschaft. Wir können uns bewusst entscheiden dafür, Mitgefühl zu leben und zu praktizieren. Und wir können uns dafür entscheiden - ganz bewusst: Ich will ein Brückenbauer des Friedens sein.

Und deshalb möchte ich mit einem Gebet schließen, das dem heiligen Franziskus zugesprochen wird: 'Herr, mache mich zu einem Werkzeug des Friedens, dass ich liebe, statt zu hassen; dass ich verzeihe, wo man beleidigt, dass ich verbinde, statt zu trennen. Wer selber vergibt, dem wird vergeben. Wer selber verzeiht, dem wird verziehen. Und wer stirbt, der stirbt in das ewige Leben hinein.' Mit diesem Vertrauen und dieser Hoffnung wünsche ich Ihnen ein gesegnetes, gutes, friedvolles Jahr 2025."

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    Manfred Fesl, iStock, privat / Screenshot

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    Auf den Punkt gebracht

    • In seiner letzten ORF-Silvesteransprache als Erzbischof von Wien rief Kardinal Christoph Schönborn dazu auf, trotz der zahlreichen Krisen und Unsicherheiten, wie dem Krieg in der Ukraine und den anhaltenden Koalitionsverhandlungen, das Vertrauen in die Zukunft nicht zu verlieren.
    • Er betonte die Bedeutung von Mitgefühl und Solidarität und ermutigte die Menschen, sich bewusst für den Frieden zu entscheiden und Brückenbauer des Friedens zu sein.
    red
    Akt.