"Chefs müssen Knoten lösen"
Finale Ampelrunde – was hinter den Kulissen läuft
Nach ihrer Weihnachtspause ziehen die Parteichefs die Koalitionsgespräche wieder an sich. Sie ringen am 30. Dezember um Budget und Leuchttürme.
ÖVP, SPÖ und Neos starten in ihre fünfte Verhandlungsrunde um eine Ampel-Koalition. Drei Monate nach der Wahl steigt der Druck, eine tragfähige Regierung zusammenzubekommen, nahezu von Tag zu Tag.
Nicht einmal eine Weihnachtspause habe sich die Teams gegönnt, nachdem knapp vor dem Fest das drohende Scheitern der Gespräche in letzter Minute abgewendet wurde. Hinsichtlich der Budgetsanierung einigten sich die drei Parteien auf einen Sieben-Jahres-Zeitraum – "Heute" berichtete ausführlich. Seither wurde auf Mitarbeiterebene fast täglich weiter verhandelt, auch an den Feiertagen und am Wochenende.
Die Parteivorsitzenden Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) haben sich allerdings am 23. Dezember zuletzt persönlich ausgetauscht. Eine Woche später steigen sie nun wieder selbst in den Ring, für Montag, 30. Dezember ist ein Treffen der Chefrunde angesetzt. In kleiner Runde – nur die Drei und wie gehabt jeweils eine weitere Person pro Partei. Der Termin startet am Vormittag, Ende offen.
"Knoten lösen"
Die Regierungsverhandlungen gehen jetzt tatsächlich in die entscheidende Runde. Im Fokus stehen die Punkte, bei denen es sich zwischen Türkis, Rot und Pink besonders spießt. "Nach den Vorarbeiten der Mitarbeiter in den letzten Tagen müssen die Chefs nun Knoten lösen", formuliert es ein Verhandler gegenüber "Heute": Es gehe darum, bei den Knackpunkten weiterzukommen und Lösungen zu finden.
Inhaltlich stehen zwei große Bereiche auf der Tagesordnung: einmal mehr die Budgetsanierung, außerdem sollen die sogenannten Leuchtturmprojekte der künftigen Regierung fixiert werden.
Zum Budget: Geeinigt hat man sich zwar auf den Sieben-Jahres-Pfad, um den Staatshaushalt in den Griff zu bekommen. Umstritten ist aber nach wie vor, ob Österreich ein EU-Defizitverfahren in Kauf nehmen soll oder nicht. Die SPÖ ist dafür, ÖVP und Neos dagegen. Ein solches Verfahren würde den Spardruck mildern – im ersten Jahr wären etwa statt 6,3 Milliarden "nur" 3,9 Milliarden einzusparen. Die Gegner fürchten aber negative Folgen für den Wirtschaftsstandort.
Frist 15. Jänner
Das drohende Defizitverfahren bringt für die Koalitionsgespräche eine Art Deadline mit sich. Um das Verfahren zu vermeiden, müsste Österreich der EU bis 15. Jänner ein glaubhaftes Maßnahmenpaket für die Budgetsanierung liefern. Schon am 21. Jänner wird in Brüssel abgestimmt, ob man uns wegen unseres übermäßigen Budgetlochs ein Verfahren aufbrummt oder nicht.
Die Parteichefs nehmen sich jetzt jedenfalls die Vorarbeiten der Mitarbeiter zum Budget-Komplex aus den letzten Tagen vor und müssen sich zu einer Entscheidung durchringen.
Leuchttürme
Während das Budgetthema für die Aufarbeitung der Vergangenheit steht, geht es beim zweiten großen Komplex auf der Chef-Agenda um die Zukunft – die sogenannten Leuchttürme. Das sind Zukunftsprojekte, mit denen die künftige Regierung ihre Reform-Handschrift zeigen will. Vehement eingefordert hatten das die Neos – Frontfrau Meinl-Reisinger sprach wiederholt davon, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, sei zu wenig: "Unser Ziel ist es, das Beste zu ermöglichen", so die Neos-Chefin.
Alle drei Parteien bekennen sich zur Wichtigkeit der Leuchttürme. Es wurde dafür sogar eine eigene Verhandlergruppe gebildet. Diese Projekte gemeinsam zu fixieren, ist entscheidend für das Zustandekommen der Ampel.
Inhaltlich wurden solche Leuchttürme für alle großen Bereiche definiert, "aber noch viel zu unkonkret", so ein Verhandler zu "Heute". Wirtschaft, Bildung, Gesundheit, Inflationsbekämpfung, Sicherheit – hier will die Arme größere Paket an Zukunftsprojekten basteln.
Zwar herrscht hinsichtlich der Wichtigkeit der Leuchttürme und der inhaltlichen Prioritäten für diese Projekte Einigkeit – aber es spießt sich auch hier am Budget. Denn die Leuchttürme kosten Geld. "Man kann nicht einfach tolle Projekte entwerfen und die Finanzierung außer Acht lassen", sagt ein Verhandler. Dreh- und Angelpunkt für die Ampel sei es, einen Weg zwischen der notwendigen Budgetsanierung und den ebenso notwendigen Zukunftsinvestitionen zu finden.
Womit die Ampelchefs wieder bei ihrem Hauptstreitpunkt wären. Die Fetzen fliegen nach wie vor hauptsächlich beim Thema Steuern. Die SPÖ beharrt auf ihrer Forderung, nicht nur bei den Ausgaben zu sparen, sondern auch die Einnahmen zu erhöhen, durch neue oder höhere Steuern. ÖVP und Neos wollen das nicht, obgleich nahezu alle namhaften Wirtschaftsforscher sagen, ohne auch einnahmenseitige Maßnahmen würde die Budgetsanierung nicht funktionieren.
Die Einführung einer Vermögens- und/oder Erbschaftssteuer lehnen Türkis und Pink strikt ab. Dem Vernehmen nach wird aber über eine Erhöhung der Grundsteuer und anderer Abgaben diskutiert. "Es gibt eine gewisse Bewegung", ist aus dem roten Lager zu vernehmen. Aber das sei ganz klar eine Sache, bei der die Parteichefs eine Lösung finden müssen – "wenn wir die Regierung zusammenbringen wollen".
ÖVP-Chef Nehammer zeigte sich trotz aller Differenzen zuletzt zuversichtlich für die Ampel: Die Kunst liege darin, das Trennende wegzuschieben und das Gemeinsame zu finden, so Nehammer in der neuen Folge seines Podcasts. Die unterschiedlichsten Blickwinkel auf ein Problem würden in die Problemlösung mit einfließen. Was ÖVP, SPÖ und Neos verbinde, seien etwa die Verpflichtung auf den Rechtsstaat, den Verfassungsstaat und die liberale Demokratie. Konkret nennt der Kanzler im Folgenden den österreichischen Wirtschaftsstandort, Wohlstand und Arbeitsplätze.
Die wirklich entscheidende Phase in den Koalitionsverhandlungen beginnt jetzt jedenfalls.
Wilde Streits! Bei Ampel-Verhandlungen fliegen Fetzen
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Auf den Punkt gebracht
- Die Parteichefs der ÖVP, SPÖ und Neos nehmen nach ihrer Weihnachtspause die Koalitionsgespräche wieder auf und stehen vor entscheidenden Verhandlungen, um eine tragfähige Regierung zu bilden.
- Im Fokus stehen die Budgetsanierung und die sogenannten Leuchtturmprojekte, wobei es insbesondere bei der Frage nach einem möglichen EU-Defizitverfahren und der Finanzierung der Zukunftsprojekte zu Konflikten kommt.