Poker um Koalition

Steuern, Miete, Gendern – Die geheime Ampel-Streitliste

ÖVP, SPÖ und Neos ringen um erste Ampel-Regierung. Die Liste der Konfliktthemen ist aber noch lang, wie ein Geheimpapier zeigt, das "Heute" vorliegt.

Angela Sellner
Steuern, Miete, Gendern – Die geheime Ampel-Streitliste
Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) haben für ihre Ampel noch viel zu klären.
Helmut Graf

Beim gemeinsamen Medienstatement am Dienstag waren Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) sichtlich bemüht, das "konstruktive Gesprächsklima" bei den Ampel-Verhandlungen zu demonstrieren. Man bemühte offensiv das Du-Wort, berichtete von "intensiven, oft auch emotionalen Debatten", in denen aber durchaus Fortschritte Richtung eines gemeinsamen Regierungswegs gemacht worden seien.

Konkretes, wo man sich schon einig sei, wollte freilich keiner der drei rauslassen. Große Brocken stünden noch auf der Agenda, allen voran die Budgetsanierung. Das dürfte aber bei weitem nicht das einzige Thema sein, bezüglich dessen zwischen den Ampel-Verhandlern noch harte Kämpfe toben. Die Liste der Streitpunkte ist lang, wie ein geheimes Dossier zeigt, in das "Heute" Einblick nehmen konnte.

Gut 60 Themen auf Rot

Zu sehen sind hier einerseits die Themenfelder, bei denen sich ÖVP, SPÖ und Neos in den Verhandlungen der Untergruppen einig wurden. Und andererseits jene Punkte, bei denen die Fronten verhärtet sind. Letztere überwiegen – bei gut 60 Themen steht die Ampel auf Rot.

Wo die Ampel streitet (Auszug)

- Senkung Lohnnebenkosten
- Vermögens- und Erbschaftssteuer
- Föderalismusreform
- Einfrieren der Mieten bis 2027
- Reform Dieselprivileg
- Sachleistungskarte
- Aussetzen Familiennachzug
- Arbeitszeitverkürzung
- Genderverbot
- Pensionsreform

Die größten ideologischen Gegensätze gibt es, wie mehrfach berichtet, in der "Einser-Gruppe" Wirtschaft/Steuern. Die SPÖ beharrt zur Sanierung der maroden Staatskassen auf einnahmenseitigen Maßnahmen, geht nicht runter von der Forderung nach einer Vermögens-, Erbschafts- und Stiftungssteuer sowie Sonderabgaben für Banken und Energiekonzerne, die in den letzten Jahren Milliardengewinne eingefahren haben.

Die Roten kommen nicht runter von ihrer ideologischen Verbohrtheit, dass die sogenannten Reichen bezahlen sollen
ÖVP-Verhandler
zu Steuer-Forderungen der SPÖ

Die Roten kämen "nicht runter von ihrer ideologischen Verbohrtheit, dass die sogenannten Reichen bezahlen sollen", ärgert sich ein hochrangiger ÖVP-Verhandler im "Heute"-Gespräch. Für die Schwarzen sind neue Steuer tabu, hat sich Parteichef Nehammer festgelegt. Auch die Neos wollen vorrangig bei den Ausgaben sparen.

Hauptstreitpunkt Steuern

Das Gesprächsklima ist hier, milde ausgedrückt, angespannt. "Die ÖVP verhandelt nicht das Programm für eine Alleinregierung", sagt ein roter Stratege sarkastisch zu "Heute". "Die namhaften Wirtschaftsforscher sind sich einig, dass es auch Maßnahmen auf der Einnahmenseite braucht. Die ÖVP wird sich bewegen müssen, auch wenn das viele Schwarze nicht wahrhaben wollen", so der SPÖ-Mann.

Wo sich die Ampel einig ist (Auszug)

- Konjunkturpaket
- Entbürokratisierung
- Sozialhilfe neu (u.a. Kindergrundsichderung)
- Integrationsprogramm mit Leistungskürzungen
- Reduktion Parteienförderung und Inserate öffentlicher Stellen
- Autobahn- und Bahnausbau
- Orientierungsklassen für Quereinsteiger
- Kopftuchverbot für Mädchen bis 14
- kürzere Wartezeiten auf Kassenarzt-Termine
- Kinderbetreuungsoffensive

Ähnlichen Ärger formulieren ÖVP-Verhandler über die SPÖ beim Thema Lohnnebenkostensenkung. Dafür sind auch die Neos. Für die roten Gewerkschafter ist das im wahrsten Sinne ein rotes Tuch. "Da kommen dann so Meldungen wie: Das müssten sich die Unternehmen aber selber finanzieren", echauffiert sich ein ÖVP-Mann. "Dann können wir den Wirtschaftsstandort gleich komplett begraben", macht er seinem Ärger Luft.

Die ÖVP wird sich bewegen müssen, auch wenn das viele Schwarze nicht wahrhaben wollen
SPÖ-Verhandler
zu ÖVP-Blockade zusätzlicher Steuern

So verfahren sind die Verhandlungen allerdings keinesfalls überall. Harmonischeres Klima herrschte im Cluster Sicherheit und Migration. Hier konnten etwa – wie von "Heute" berichtet – der neue Anlauf zu einem Kopftuchverbot für Mädchen bis 14 Jahre, verpflichtende gemeinnützige Arbeit von Asylwerbern und die Fußfessel für Gefährder auf Grün gestellt werden.

"Warum man dem Kopftuchverbot zustimmt, sich aber beim Verbotsgesetz gegen den politischen Islam querstellt, soll mir allerdings mal jemand erklären", sagt ein ÖVP-Verhandler. Immerhin kam die Forderung ursprünglich von SPÖ-Landesparteichef Sven Hergovich.

Streitpunkte Genderverbot und Leitkultur

Keine Einigung gibt es unter anderem auch bezüglich den ÖVP-Forderungen mach Genderverbot, einer Sachleistungskarte für Asylwerber, dem Aussetzen des Familiennachzugs oder der Verankerung einer Leitkultur.

Die Neos wiederum beißen mit ihrem Ansinnen einer Föderalismus-Reform auf Granit, auch die Sonntagsöffnung findet keinen Konsens.

Durchsetzen konnte sich SPÖ-Chef Andreas Babler mit seinem Herzensanliegen einer Kindergrundsicherung. Einig ist man sich auch, die Wartezeit auf einen Kassenarzt-Termin senken zu wollen und ein "Preis-Monitoring" einzuführen – beides ebenfalls Forderungen der Roten. Auf Granit beißt die SPÖ mit dem Ansinnen, die Mieten bis 2027 einzufrieren.

Gutes Klima dürfte im Cluster Verkehr, Klima, Landwirtschaft geherrscht haben. "Dass wir hier Linien finden müssen, bei denen sowohl die Bauern als auch die Verkehrswirtschaft etwas bekommen, war außer Streit", heißt es aus Verhandlerkreisen zu "Heute".

Keine "Leuchttürme"

Echten Weihnachtsfrieden in der Ampel wird es nicht geben. Neben den zahlreichen Streitpunkten krankt es an fehlenden "Leuchttürmen". Insbesondere die Neos sind dem Vernehmen nach zunehmend unzufrieden, dass keine echten Reformen und Zukunftsprojekte zu sehen seien.

Wie lange man sich Zeit geben will, mag niemand konkret beantworten. Klar ist, dass es bis in den Jänner hinein dauern wird. Alles, was über Mitte Jänner hinaus ginge, hätte aber wohl erheblichen Erklärungsbedarf...

Diese Teams von ÖVP, SPÖ und Neos verhandeln die Ampel

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    Großes Medieninteresse: Kanzler Karl Nehammer und das ÖVP-Verhandlerteam.
    Großes Medieninteresse: Kanzler Karl Nehammer und das ÖVP-Verhandlerteam.
    Helmut Graf

    Derzeit im Fokus der Userinnen und User von Heute.at im Ressort "Nachrichten" ist die aktuell meistgelesene Story "". Ist dir etwas aufgefallen oder hast du einen Input für uns, dann schreib uns ein Mail.

    Auf den Punkt gebracht

    • Die Verhandlungen zur ersten Ampel-Regierung zwischen ÖVP, SPÖ und Neos sind von zahlreichen Konfliktthemen geprägt, wie ein Geheimpapier zeigt.
    • Besonders in den Bereichen Wirtschaft und Steuern gibt es erhebliche ideologische Differenzen, während in anderen Bereichen wie Sicherheit und Migration bereits Fortschritte erzielt wurden.
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