So will er regieren

Plötzlich Kanzler: Wer ist dieser Doktor Stocker?

Karrierehöhepunkt wenige Tage vor dem 65. Geburtstag: Der ÖVP-Chef, den alle ehrfürchtig "Doktor Stocker" nennen, wird nächster Kanzler. So tickt er.
Newsdesk Heute
22.02.2025, 16:33

Auf den letzten Metern rettet Christian Stocker der Volkspartei doch noch das Kanzleramt: Der 64-jährige Jurist wurde nach dem Rücktritt von Altkanzler Karl Nehammer buchstäblich über Nacht ÖVP-Chef. Zur Sitzung, in der er gekürt wurde, kam er mit Jeans, Rollkragenpullover und Sneakers – ungewöhnlich für ihn.

Alle ÖVP-Kernressorts gesichert

Hat er anfangs auch parteiintern aufgrund seines abrupten Schwenks Richtung Herbert Kickl manche irritiert, so wurde die blau-schwarze Ehrenrunde für die ÖVP am Ende zum Glücksfall. Der langjährige Vizebürgermeister von Wr. Neustadt (seit 2000 hatte er dieses Amt inne) schaffte es nicht nur, seiner Partei den Kanzlersessel zu erhalten (den er selbst einnehmen wird), sondern verhandelte für die Schwarzen alle für sie entscheidenden Ministerien heraus. Inneres, Landesverteidigung, Wirtschaft, Landwirtschaft – alles bleibt künftig in der Hand der ÖVP.

Doch wie gelang es dem vorherigen Generalsekretär, Andreas Babler zu einem pragmatischeren Zugang in den Verhandlungen zu bewegen – etwas, woran sein Vorgänger Karl Nehammer Anfang Jänner noch gescheitert ist?

Einerseits hat sich bei der SPÖ etwas verändert. Die Anhänger von "Bablers reiner Lehre" wurden de facto kaltgestellt. Bei der Neuauflage der Gespräche traten die Roten auf dringenden Wunsch der Wiener SPÖ hin als "Kollegialorgan" auf. Den Ton geben seither die Dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures und Spitzen-Gewerkschafter Josef Muchitsch an. Sie drängen nach über sieben Jahre in Opposition zurück in die Regierung.

Weggefährte: "Er gibt seine Werte nicht auf"

Es könnte aber auch am Wesen Stockers liegen. Menschen, die ihn besser kennen, beschreiben ihn als "jemanden, der wirklich in sich ruht". Sein Wort in den Verhandlungen habe Gewicht, er strahle "diese Unabhängigkeit aus, kein Amt mehr erreichen zu müssen – er ist 64, durch seine Kanzlei finanziell abgesichert, seine beiden Kinder haben selbst gute Jobs", so ein Vertrauter. "Und er hat es bei Herbert Kickl ja deutlich vorgezeigt: Christian Stocker steht zu seinem Wort – er gibt keine Werte der Volkspartei auf. Nicht für die Blauen und nicht für die Sozialisten."

Was sind das für Werte, für die Stocker (Sternzeichen Widder, schon sein Vater war ÖVP-Abgeordneter) steht? "Er ist sicherlich ein Christlich-Sozialer alter Schule – für Dr. Stocker zählen Fleiß, Familie und Sicherheit, das wird auch im Regierungsprogramm klar abgebildet sein", erzählt ein Weggefährte. Nachsatz: "Er steht für Ehrlichkeit, behält einen kühlen Kopf und ist gesellig". Hobbys: Saxophon spielen, Fliegenfischen, Vespa fahren.

ÖVP-Mitarbeiter berichten, dass in Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse trotz schlechter Umfragewerte seit der Übernahme Stockers "gutes Arbeitsklima und ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl" herrschen.

Nächtliche Zigarren im Gilet

Nach einer mühseligen Verhandlungsrunde mit der FPÖ, so berichtet es jemand, der dabei war, habe Stocker – stets im Dreiteiler gekleidet – das Sakko zu nächtlicher Stunde abgelegt und sich eine Zigarre angezündet. Ungefähr alle zwei Wochen soll er sich eine "gönnen", wie erzählt wird.

Zu seinem engsten Umfeld gehören Klubobmann August Wöginger, Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer, Generalsekretär Alexander Pröll, Ex-Kurz-Mastermind Stefan Steiner, den er wieder an Bord geholt hat und Medienprofi Gerald Fleischmann, der die ÖVP mit Peter Treml nun zurück zu zielgerichteter Kommunikation führt. Anders als sein Vorgänger Karl Nehammer hat er einen guten Draht zu Karoline Edtstadler (bald Landeshauptfrau in Salzburg) und natürlich zu den mächtigen schwarzen Ländergranden Johanna Mikl-Leitner und Thomas Stelzer. Letzteren nahm er kürzlich sogar zu einer Unterredung beim Bundespräsidenten mit.

Stocker: "Impulse für die Wirtschaft"

Wie will Stocker sein Amt anlegen? Besonnen, ist ein Schlagwort, das oft fällt, wenn man in ÖVP-Kreisen über ihn recherchiert. Der Kanzler in spe selbst sagte am Samstag, er wolle "eine Veränderung zum Besseren" und hoffte, "dass es gemeinsam gelingt, richtige Lösungen für Österreich zu finden".

Dass es insbesondere mit der Babler-SPÖ nicht leicht werden würde, verhehlte er nicht. Eine gemeinsame Basis sei aber vorhanden, so Stocker, "um mit den vom Bundespräsidenten angesprochenen Kompromissen zu neuen Lösungen für Österreich" zu kommen. Er bekannte ein: "Die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind keine kleinen. Wir haben das Budget zu konsolidieren. Wir brauchen Impulse für unsere Wirtschaft. Und wir haben im Sicherheitsbereich Herausforderungen, denen wir begegnen müssen."

{title && {title} } red, {title && {title} } Akt. 03.03.2025, 16:19, 22.02.2025, 16:33
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