"Es waren sehr, sehr schöne Zeiten", sagt Josef P. (56). Mehr als sein halbes Leben arbeitete der Niederösterreicher bei der kika/Leiner-Gruppe, die am 15. November 2024 beim Landesgericht St. Pölten ihre Insolvenz anmelden musste.
In den 37 Jahren, die er in dem Traditionsunternehmen tätig war, hat P. nicht nur drei Betriebsübernahmen erlebt, sondern auch das endgültige "Sinken des Schiffs", wie er sagt.
"Viele sind jetzt deprimiert", erzählt er. In seiner Filiale, in der Shopping City Süd, am Stadtrand von Wien, wo P. lange Jahre arbeitete, seien sie "eine große Familie gewesen", ein eingeschworenes Team, das durch dick und dünn gegangen war. An die 15 Geschäftsführer habe er erlebt, sagt der Niederösterreicher.
Zuletzt musste er aber zusehen, wie alles, was er kannte, aufgelöst wurde, unter den Hammer kam, teils als Restposten verkauft oder versteigert wurde. Der Fuhrpark, die Ware, ja selbst das Headquarter mit seinem Büro – "Heute" berichtete.
Rund 90 Mio. Euro Warenwert sollen es gewesen sein, die so am Ende verramscht wurden, sagte ein leitender Angestellter zu "Heute". Der St. Pöltener Anwalt Volker Leitner war als Insolvenzverwalter für die Abwicklung des Unternehmens verantwortlich gewesen.
Die Umsatzvorgaben seien vor der Pleite immer weiter erhöht worden, sagt P. "Alles war nur noch auf Druck aufgebaut", erzählt der 59-Jährige, der bei der Firma Leiner schon seine Lehre gemacht hat, rückblickend. Und: "Das Motto war, noch mehr Leistung zu bringen, noch mehr Marge."
Zu Beginn seiner Karriere sei alles anders gewesen: "Wir haben damals vom Kunden gelebt. Und der Betrieb stand für Qualität auf ganzer Linie." Die Geschäfte seien so Jahrzehnte gut gelaufen. Das habe man auch bei der Arbeit gespürt, denn auch das Miteinander sei stets gut gewesen. "Auch jetzt haben wir einen gemeinsamen Weg gesucht", erzählt P.
"Die Gewerkschaft GPA und die Arbeiterkammer aus St. Pölten waren mehrfach an unserem Standort, wo wir eine Pinnwand mit Jobangeboten aufgestellt haben." Daneben habe man aber in der eigenen Filiale gemeinsam alles zusammengeräumt und auch eine kleine Abschiedsfeier abgehalten. "Natürlich kann es dabei nicht jedem gut gehen. Ein paar von uns suchen weiter nach einem Job, einzelne haben Schulden."
"Jeder wollte nur seine Profite mit uns machen", sagt P. und meint damit die Steinhoff-Gruppe, den mittlerweile selbst in Pleite gegangenen René Benko und Investor Herrmann Wieser. Zwischenzeitlich habe es so ausgesehen, als könne der Betrieb noch gerettet werden.
Vom Land Niederösterreich und der Arbeiterkammer kam Unterstützung für die rund 1.350 Beschäftigten, die ihre Jobs verloren. Am 19. Dezember war dann eine Arbeitsstiftung eingerichtet worden, wie Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner noch am selben Tag in einer Presseaussendung verkündete. "In Niederösterreich helfen wir jenen, die unsere Hilfe brauchen", wird die Politikerin darin zitiert. Drei Millionen Euro waren bereitgestellt worden, wovon die eine Hälfte das Land Niederösterreich trug und die andere Hälfte das AMS getragen wurde.
Damit, hieß es, würden 300 Personen unterstützt werden. Doch alleine in Niederösterreich, kolportierte das AMS, hätten bis zu 550 Mitarbeiter ihre Jobs verloren. So auch Josef P., der sich als gewählter Betriebsrat stets für seine Kollegen eingesetzt habe.
Nach einer angespannten Zeit bei kika/Leiner, dürften für P. jetzt bessere Zeiten anbrechen: Das AMS fand zwei passende Stellen für ihn, er bewarb sich, wurde zu Vorstellungsgesprächen eingeladen und entschied sich schließlich für ein kleines Tischlereiunternehmen in Wien.
"In meiner neuen Firma werde ich Kalkulationen und die Planung übernehmen", mit 10. Februar folgte der Start. Das käme ihm sehr gelegen, denn nur zu Hause zu sitzen, halte er nicht lange aus.