Harter Schicksalsschlag

KTM-Opfer: "Wir kämpfen zu Weihnachten um die Existenz"

Gespenstische Stille in den Produktionshallen von KTM. Seit Freitag ist die Produktion gestoppt. Ein Mitarbeiter beschreibt sein Leiden.

Michael Pollak
KTM-Opfer: "Wir kämpfen zu Weihnachten um die Existenz"
Fast 20 Jahre hat Robert A. für die Motorrad-Produktion gearbeitet, jetzt bekommt er nicht einmal einen Lohn zu Weihnachten.
iStock/Daniel Scharinger/Pressefoto Scharinger/picturedesk.com

Keine Spur von Weihnachtswunder. Hunderte Familien sind wegen der KTM-Insolvenz in heftige Turbulenzen geraten. 250 Mitarbeiter sind bereits entlassen, 500 werden zusätzlich gekündigt.

"Heute" spricht seit vielen Tagen mit etlichen Mitarbeitern aus diversen Etagen – vom Arbeiter bis zum Manager – viele von ihnen sagen, das ist noch lange nicht das Ende. "Es wird noch viele Kündigungen geben. Auch per Post in den nächsten Tagen und auch im Jänner – laufend wird es welche geben", sagte eine Quelle.

"Soll ich schreien oder weinen?"

Geldsorgen, Arbeitslosigkeit, Zukunftsängste – es wird ein Weihnachtsfest, dass sie alle nicht vergessen werden. "Als ich diese Nachricht gelesen habe, war mir nicht klar, ob ich schreien oder weinen soll. Ich war frustriert", das sagt uns Robert A., der seit knapp 20 Jahren bei KTM arbeitet (er will aus verständlichen Gründen anonym bleiben).

Die Nachricht, die er meint: Eigentlich wollte das Unternehmen einen Vorschuss auf den Dezemberlohn noch vor Weihnachten auszahlen. Viele Fabriksarbeiter wollten damit ein paar Geschenke kaufen oder Verwandtenbesuche finanzieren. Doch dann kam per Mitarbeiter-App dieser Text: "Mit dieser freiwilligen vorzeitigen Auszahlung wollten wir euch unterstützen, die Zeit bis zum Erhalt eurer Entgelte vom Insolvenz-Entgeld-Fonds zu überbrücken. Leider müssen wir euch mitteilen, dass auch die zuletzt gefunden Lösung in der aktuellen Situation trotz intensivster Bemühungen nicht durchführbar ist."

Der Familienvater ist völlig verzweifelt: "Mehr als die Hälfte meines Lebens arbeite ich für KTM. Ich war ein stolzer Mitarbeiter, bin krank zur Arbeit gekommen, bin kaum in den Pflegeurlaub gegangen, obwohl meine Frau diese Pflege gebraucht hätte", sagt er zu "Heute". Weiter: "Ich leide seit der enormen Druckausübung an Schlafstörungen und Konzentrationsnachlass. Sie wollen uns unsere letzte Würde nehmen – als ob wir die Schuldigen an diesem Insolvenzverfahren sind."

"Sollen nicht merken, wie schlecht es geht"

Für ihn und seine Familie bricht jetzt eine Welt zusammen: "Wir haben geplant über den Winter in unser Heimatland zu fahren, nun sind auch diese Pläne ins Wasser gefallen. Ich habe zwei Töchter, beide gehen noch in die Schule. Das angesparte Geld für deren Bildung muss ich nun als Überbrückung für die nächsten Monate nutzen." Robert A. verbirgt seine Gefühle vor den Kindern, versucht stark zu sein: "Sie sollen nicht merken, wie schlecht es mir dabei geht."

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"Von wegen, die achten auf Härtefälle", sagt Robert A. weiter und erzählt folgende Episode: "Vor paar Tagen begegnete ich einem Arbeitskollegen, mir war nicht bewusst, dass er auch gekündigt wurde. Er hat eine arbeitslose Frau und vier Kinder." Anderes Beispiel: "Eine gesamte Familie: Mutter, Vater und Sohn wurden im Motorenwerk gekündigt."

"Der psychische Druck ist enorm"

Das Leiden findet kein Ende: "Ich habe mich mit der Kündigung abgefunden, aber der psychische Druck, der auf uns ausgeübt wird, ist enorm. Bis vor kurzem wurden gekündigte Mitarbeiter ohne Wenn und Aber freigestellt, obwohl Arbeit da war." Aber jetzt stehen die Fließbänder still. Es gibt keine Arbeit, die erledigt werden muss: "Wir sollen jetzt vorzeitige Austrittserklärungen unterschreiben, auf Kündigungsfristen verzichten und vom AMS Vorschüsse verlangen. Mitarbeiter, die das nicht unterschreiben, werden in die Firma zitiert und jedes Mal von Insolvenzverwaltern und Führungskräften unter Druck gesetzt zu unterschreiben."

KTM: "Wir üben grundsätzlich keinen Druck aus"

"Heute" kontaktierte Hans Lang, den Konzernsprecher. Er sagte Ende vergangener Woche zum Vorwurf der forcierten Unterschriften: "Wir üben selbstverständlich grundsätzlich keinen derartigen Druck auf Mitarbeiter aus."

Schwer enttäuscht ist Robert A. von seinen "Vertretern": "Wir wünschen unseren Gewerkschaftern und unseren Betriebsräten in ihren schweren Audis, die absolut nichts für uns Mitarbeiter getan haben, frohe Weihnachten. – Doch wir kämpfen dieses Weihnachten um unsere Existenz."

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    Auf den Punkt gebracht

    • Die Insolvenz von KTM hat hunderte Familien in eine existenzielle Krise gestürzt, mit bereits 250 entlassenen Mitarbeitern und weiteren 500 bevorstehenden Kündigungen.
    • Die betroffenen Mitarbeiter, darunter langjährige Angestellte wie Robert A., berichten von enormem psychischen Druck, finanziellen Sorgen und einer ungewissen Zukunft, während sie um ihre Existenz kämpfen und geplante Weihnachtsfreuden ins Wasser fallen.
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