Nach Gazprom-Lieferstopp
"Kickl hat versagt" – Gas-Schlacht zwischen ÖVP und FPÖ
Seit dem von Gazprom angekündigten Lieferstopp für russisches Erdgas fliegen zwischen ÖVP und FPÖ gehörig die Fetzen.
Seit Samstagmorgen soll kein russisches Gas mehr nach Österreich fließen. Das gab die vom Kreml kontrollierte Gazprom der OMV in Reaktion auf ein Schiedsgerichtsurteil bekannt. Nur, das stimmt so nicht.
Die für den Ukraine-Transit verantwortliche Naftogaz meldete, dass auch am Samstag die selbe Menge an Russen-Gas Richtung Westen gepumpt wird. Die hiesige Marktaufsichtsbehörde E-Control bestätigt, dass es keinen Stopp gibt. Allerdings erscheine der Fluss "etwas reduziert" – konkret um 17 Prozent.
Die Gaspreise haben in der Folge auf die Ankündigung kurzfristig angezogen, sind aber wieder auf das Ausgangsniveau zurückgefallen. "Es handelt sich um eine wirtschaftliche Änderung, keine physische", erklärt E-Control-Experte Leo Lehr gegenüber dem "Standard".
„Die Gasversorgung der österreichischen Kund:innen ist weiterhin gesichert. Es fließt nach wie vor Gas über die Ukraine nach Europa und wird auch in Österreich gehandelt. Auch die Preise sind stabil, es gibt keine nennenswerten Veränderungen.“
Heißt: Das russische Gas kommt hier an, geht aber nicht an die OMV. Es dürfte aber nun direkt an der Börse, dem Central European Gas Hub, gehandelt werden. Österreich könnte über diesen Umweg weiterhin russisches Gas beziehen – die Einnahmen daraus fließen weiter an den kriegstreibenden Kreml.
"Mär vom billigen russischen Gas"
Damit steht nun die Einser-Frage zum geheimen OMV-Deal mit der Gazprom auf dem Prüfstand: Ist das russische Gas für Österreich wirklich so günstig, wie einige politische Akteure immer behaupten? Und wer profitiert wirklich davon?
BILDSTRECKE: Kurz und Putin besiegeln Gas-Schicksal Österreichs bis 2040
Eine Analyse von IHS-Ökonom Sebastian Koch hat gezeigt, dass die Gaspreise für Haushalte sich seit Beginn der russischen Ukraine-Invasion nirgendwo so verteuert haben wie in Österreich und dann auch auf hohem Niveau geblieben sind. Und das, obwohl die OMV weiter russisches Gas beziehen konnte.
Die Vermutung, auf die auch der "Standard" hinweist, ist nun, dass sich der OMV-Abnahmepreis sehr nahe am normalen Marktpreis orientiert. Immerhin stieg der Gaspreis auch in Österreich, als Russland 2022 seine Lieferungen nach Deutschland und Polen einstellte. Dabei waren davon völlig andere Pipelines betroffen.
Der pinke Thinktank NEOS-Lab kam in seiner Auswertung der Außenhandelsdaten der Statistik Austria zu einem ähnlichen Schluss. E-Control-Vorstand Walter Boltz sprach deshalb in der Vergangenheit von der "Mär vom billigen russischen Gas". Dass dieses für Österreich günstiger sei, "ist einfach falsch".
Gas-Schlacht zwischen ÖVP und FPÖ
Alleine die Gazprom-Ankündigung hat aber zumindest politisch hierzulande extreme Wellen geschlagen. ÖVP und FPÖ beflegeln sich und bezichtigen sich gegenseitig, Österreich mit ihrer wechselseitig "Putin-Hörigkeit" bzw. die Neutralität und heimische Wirtschaft "geopfert".
Der geschäftsführende VP-Klubobmann August Wöginger richtete den Freiheitlichen aus: "Bundeskanzler Karl Nehammer hat vorgesorgt, Herbert Kickl hat versagt." Mit einem Kanzler Kickl stünde Österreich vor einer "gravierenden Versorgungskrise": "Denn die FPÖ lehnt die Diversifizierung der Gasbezugsquellen ab und will Österreich dem Putin-Regime bedingungslos ausliefern. Damit hätte die Putin-Hörigkeit der FPÖ einmal mehr massive Konsequenzen mit sich gebracht und unserem Land massiv geschadet."
"Wir haben es Bundeskanzler Karl Nehammer zu verdanken, dass vorgesorgt wurde. Die Haushalte und Wirtschaft werden auch im Winter genügend Gas zur Verfügung haben", so Wöginger, der abschließend betont: "Der FPÖ ist es wichtiger, einen Freundschaftsvertrag mit Putin zu pflegen, als für die Menschen in Österreich verantwortungsvoll zu handeln."
„Die Kickl-FPÖ hätte die Gasversorgung in Österreich aufs Spiel gesetzt.“
"Die Kickl-FPÖ hätte die Gasversorgung in Österreich aufs Spiel gesetzt", schießt auch der Generalsekretär der Volkspartei, Christian Stocker, scharf. Die Freiheitlichen hätten im Parlament mehrfach gegen wichtige Maßnahmen gestimmt, die die Versorgungssicherheit in Österreich langfristig garantieren: "Ginge es nach Herbert Kickl und der FPÖ, stünde Österreich nun nach der Gazprom-Ankündigung vor einem gravierenden Problem und einem schwierigen Winter."
Das sei nur ein weiteres Beispiel dafür, dass die FPÖ nicht in der Lage sei, Verantwortung für unser Land und die Menschen zu übernehmen. Ginge es nach der FPÖ, so donnert Stocker, wäre die Gasversorgung für Österreichs "Haushalte und auch die Wirtschaft nun akut gefährdet."
"Auf Österreicher kommt kalter Winter zu"
Wenig überraschend Gegenteiliges schallt von der blauen Seite. Es sei nun eingetreten, wovor die FPÖ sei über einem Jahr warne: "Russland nimmt Österreich als nicht mehr neutral wahr und setzt entsprechende Konsequenzen", so Generalsekretär Christian Hafenecker. Nehammer unternehme "nichts" dagegen: "Die Versorgung der heimischen Wirtschaft und der Haushalte mit günstiger Energie ist ihm offensichtlich egal".
"Wir brauchen endlich eine Regierung, die unsere Neutralität nicht in Brüssel opfert, sondern sich endlich um Friedensverhandlungen bemüht, damit das sinnlose Sterben ein Ende hat und auch bei der Energieversorgung Österreichs wieder alles in geregelten Bahnen läuft. Das Wohl der Österreicher steht über allem und ist damit die wichtigste Aufgabe der österreichischen Regierung – und nichts anderes."
„Die Politik der schwarz-grünen Bundesregierung hat uns aber von der Pole-Position auf den letzten Platz verfrachtet“
FPÖ-Energiesprecher Axel Kassegger beklagt in einer Presseaussendung den Verlust des rot-weiß-roten Status als Gas-Drehscheibe Europas: "Die Politik der schwarz-grünen Bundesregierung hat uns aber von der Pole-Position auf den letzten Platz verfrachtet". Nur ein Bruchteil des gespeicherten Gases gehöre auch der Republik, weiterer Ankauf werde einen "hohen Preis" haben. "Der Lieferstopp wird klarerweise zu einer deutlichen Preiserhöhung führen und die Inflation wieder enorm anheizen. An der Börse ist die Preiserhöhung schon eingetreten. Diese Erhöhungen schlagen sich auch auf den Strompreis. Auf die Österreicher kommt ein kalter Winter zu", der Freiheitliche abschließend.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Seit Samstagmorgen soll laut Gazprom kein russisches Gas mehr nach Österreich fließen, was jedoch von Naftogaz und der Marktaufsichtsbehörde E-Control widerlegt wird, da der Gasfluss nur um 17 Prozent reduziert ist
- Die Ankündigung hat zu politischen Spannungen zwischen ÖVP und FPÖ geführt, wobei sich beide Parteien gegenseitig vorwerfen, Österreichs Gasversorgung und Neutralität zu gefährden