SPÖ-Vizekanzler im Talk

"Dann haben wir echtes Problem" – Babler macht Ansage

SPÖ-Vizekanzler Andreas Babler erklärt im "Heute"-Interview, wo am Arbeitsmarkt nachgeschärft werden muss und was die Regierung bis zum Sommer plant.
11.04.2025, 07:00

Herr Vizekanzler, Sie sind jetzt etwas länger als einen Monat im Amt. Wie geht es Ihnen in Ihrer neuen Rolle?

Andreas Babler: Wir haben uns alle miteinander gut eingelebt. Alle miteinander heißt alle drei Parteien. Und wie man in den letzten Wochen gesehen hat, bringen wir viel weiter. Es ist sehr produktiv und insofern geht es mir persönlich gut.

Die Regierung legt tatsächlich ein ziemliches Tempo vor, bringt ein Vorhaben nach dem anderen auf den Weg. Birgt das nicht die Gefahr, dass sich das alles nicht so schnell umsetzen lässt und dann sind alle enttäuscht? 

Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, jetzt schnell und entschieden Dinge umzusetzen. Zum Beispiel haben wir innerhalb weniger Tage zum ersten Mal in der Geschichte bei den steigenden Mietpreisen eingegriffen, damit das Wohnen für hunderttausende Menschen wieder leistbarer wird. Dieser Mietpreisstopp für den geregelten Bereich ist seit 1. April in Kraft – sonst wären diese Mieten mit diesem Datum wieder gestiegen. Es lässt sich also umsetzen.

„Mit dem Mietpreisstopp, den wir vor einem Monat beschlossen haben, ist wirklich in der Lebensrealität vieles leichter geworden.“
Andreas BablerVizekanzler sowie Minister für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport (SPÖ)

Dieser Mietpreisstopp gilt für Altbau-, Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen. Wann wird das, wie von Ihnen angekündigt, auch in Neubauten, also allen anderen Mietwohnungen, gelten?

Es wird daran gearbeitet, präsentieren werde ich es, wenn es fertig ist. Wir haben im Regierungsprogramm vereinbart, dass auch bei den Neubauten eine Erleichterung kommt. Konkret sollen in Zukunft die Mieten nicht mehr in der gleichen Höhe wie die Inflation steigen.

Die Regierung hat bereits ein erstes Sparpaket auf den Weg gebracht. Kritik kommt aus der Opposition, etwa wegen der Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten. Was sagen Sie dazu?

Wir haben geschaut, dass die breiteren Schultern mehr beitragen. Die Bankensteuer wendet ein Sparpaket auf Kosten der Bevölkerung ab. Das haben wir durchgesetzt und verhindert, dass es Pensionskürzungen gibt, wie sie in anderen Koalitionsvarianten – Stichwort FPÖ – gekommen wären. Mit dieser Regierung wird es keine Pensionsanpassungen unter der Inflation geben.

Zur Budgetkonsolidierung sollen alle beitragen, auch die Ministerien mit insgesamt 1,1 Milliarden Euro. Wo setzen Sie in Ihrem Ressort den Rotstift an?

Es werden derzeit in allen Ressorts harte Verhandlungen geführt und ich möchte da mit keinem meiner Kollegen tauschen. Aber wir haben uns alle verpflichtet zu sparen. Das betrifft jedes Ressort, auch meines. Die Gespräche laufen noch, ich will nichts vorwegnehmen. Was mein Ressort betrifft: Kunst und Kultur, auch Sport – da geht es um identitätsstiftende Dinge, die uns als Österreicher stolz machen. Man muss die Einsparungen in allen Ressorts sehr sensibel machen. Aber wir haben alle miteinander einen Zeitdruck – denn am 13. Mai hält der Finanzminister seine Budgetrede.

Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ): "Wertschätzung für die Knochenjobs in der Pflege."
Jure Cufer
„Mit dieser Regierung wird es keine Pensionsanpassungen unter der Inflation geben.“
Andreas BablerVizekanzler sowie Minister für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport (SPÖ)

Eine große Herausforderung ist die steigende Arbeitslosigkeit. Die Regierung hat jetzt ein Arbeitsmarktpaket präsentiert. Was halten Sie für besonders wichtig?

Wir haben ein Bündel von wichtigen Maßnahmen präsentiert. Dazu gehört vor allem eine Qualifizierungsoffensive, für verschiedene Zielgruppen und generell praxisnah ausgelegt. Und wir wollen Frauen verstärkt zu handwerklich-technischen Berufen fördern. Ein weiterer Meilenstein ist mehr Wertschätzung für die Knochenjobs in der Pflege, indem Pflegekräfte endlich Anspruch auf eine Schwerarbeiterpension bekommen sollen – dafür werden wir in den nächsten Wochen ein konkretes Modell präsentieren.

Qualifizierung ist also das Zauberwort. Viele machen aber einen AMS-Kurs nach dem anderen und bekommen trotzdem keinen Job. Was muss sich ändern?

Bei der Regierungsklausur haben wir uns bewusst mit den AMS-Vorständen ausgetauscht, um hinsichtlich Qualifizierungsnotwendigkeiten in die Tiefe gehen zu können. Es geht darum, wie wir Menschen für die Zukunft ausbilden können, etwa im Bereich der grünen Technologien. Das sind Zukunftsmärkte, hier müssen wir fachgerecht ausbilden – denn wenn wir das verschlafen, haben wir ein echtes Problem. In anderen Bereichen haben wir hingegen nach wie vor einen Fachkräftemangel. Ein Schlüssel ist die schnellere Anerkennung von Ausbildungen, die im Ausland gemacht wurden.

Regierungsspitze präsentierte Ergebnisse der Arbeitsklausur vom 8./9. April 2025: Vizekanzler Babler, Kanzler Stocker, Außenministerin Meinl-Reisinger
Helmut Graf

Es gibt auf der einen Seite viele Arbeitslose, auf der anderen Unternehmen, die Mitarbeiter suchen. Oft passt das allerdings geografisch nicht zusammen. Wären Sie dafür, dass es einen gewissen Mobilitätszwang gibt?

Dafür müssen Möglichkeiten geschaffen werden, Stichwort Wohnungsmarkt. Ich selbst bin ja ein Kind von Werkswohnungen. Menschen sind bereit, für die Arbeit umzuziehen, wenn die Infrastruktur passt. Das reicht von verfügbaren und leistbaren Wohnraum, bis hin zu Bildungs- und Betreuungsangeboten für die Kinder.

„Menschen sind bereit, für die Arbeit umzuziehen, wenn die Infrastruktur passt.“
Andreas BablerVizekanzler sowie Minister für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport (SPÖ)

Die Menschen sollen länger arbeiten. Aber viele Unternehmen sind skeptisch, ältere Menschen einzustellen.

Wir wollen, dass ältere Arbeitnehmer beschäftigt werden, so steht es im Regierungsprogramm. 2023 waren 40 Prozent der 55- bis 64-Jährigen, teils auch krankheitsbedingt, nicht erwerbstätig. Wir müssen im ersten Schritt dafür sorgen, dass die Menschen länger gesund arbeiten können. Damit erhöhen wir das faktische Pensionsalter, das ist ein Game-Changer.

Woran müsste man drehen, dass mehr Frauen von der Teilzeit in die Vollzeit wechseln?

Der Schlüssel ist Kinderbetreuung. Frauen suchen sich das nicht aus und wollen nicht weniger arbeiten – sie werden oft in die Teilzeit gezwungen, weil es keine ganztägige Kinderbetreuung gibt.

Vizekanzler Andreas Babler erläutert bei einem Doorstep Schwerpunkte der Regierungsklausur.
Helmut Graf

Für 2025 hat die Regierung 230 Millionen Euro für den Arbeitsmarkt eingeplant. Bleibt es dabei angesichts des riesigen Defizits?

Ja, das ist auch notwendig, denn Arbeitslosigkeit ist eine immense Bedrohung. Aktuell haben rund 320.000 Menschen in Österreich keinen Job. Das ist eine Belastung für die Menschen und deren Familien, aber natürlich auch volkswirtschaftlich fatal. Damit man ein Gefühl dafür bekommt, mache ich immer diese Rechnung – auch weil wir gerade dauernd übers Budget und Milliarden reden: 50.000 Arbeitslose weniger und gleichzeitig 50.000 Beschäftigte mehr sind pro Jahr 1,5 Milliarden Euro volkswirtschaftliche Differenz. Aber hinter diesen Zahlen stehen menschliche Schicksale, das dürfen wir nie vergessen.

Die Kindergrundsicherung ist ein Herzensanliegen von Ihnen. Was genau will die Regierung hier umsetzen und wann?

Unser Anspruch ist, dass wir mit der geplanten  "Sozialhilfe Neu" arbeitsfähige Menschen über das AMS rasch in Beschäftigung bringen – aber gleichzeitig die Kinder mit einer Kindergrundsicherung unabhängig davon absichern. Mein Ziel ist es, dass die Kindergrundsicherung sehr schnell kommt. In welchem Monat sie fertig ist, kann ich jetzt noch nicht sagen.

Ihre Prioritäten bis zum Sommer?

Drei Punkte, die wir jetzt erarbeiten und wo wir noch vor dem Sommer starten wollen, sind: die Schwerarbeiterpension für Pflegekräfte, erste Schritte zur Umsetzung einer Bundesstaatsanwaltschaft und der Nationale Aktionsplan zum Schutz von Frauen gegen Gewalt.

„Ich glaube, wenn man solche Politik macht, die die Menschen auch spüren, dann kommt auch das Vertrauen wieder zurück.“
Andreas BablerVizekanzler sowie Minister für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport (SPÖ)

Abschließend: Nur 22 Prozent der Jugendlichen, der GenZ, fühlen sich laut aktueller Ö3-Jugendstudie von der Politik vertreten. Was möchten Sie den restlichen 78 Prozent sagen?

Ich bin noch immer recht neu in der Bundespolitik und stehe für einen Politikstil, der sich an den Lebensrealitäten der Menschen orientiert. Derzeit bin ich als SPÖ-Vorsitzender auch im Wiener Wahlkampf unterwegs. Und angesichts der Gemeindewohnungen weiß ich dann: Mit dem Mietpreisstopp, den wir vor einem Monat beschlossen haben, ist wirklich in der Lebensrealität vieles leichter geworden. Den Menschen bleiben jetzt ein paar Hunderter mehr im Jahr, damit geht sich auch wieder der Schulausflug für die Kinder oder ein gemeinsamer Kurzurlaub aus. Ich glaube, wenn man solche Politik macht, die die Menschen auch spüren, dann kommt auch das Vertrauen wieder zurück.

{title && {title} } sea,LL, {title && {title} } Akt. 11.04.2025, 11:45, 11.04.2025, 07:00
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