"profil"-Recherche zerpflückt
"2 Geschlechter? Falsch!": Faktencheck im ORF regt auf
Die Zeitschrift "profil" hat eine Aussage von Kanzler Nehammer in "Heute" zum Anlass für einen "Faktencheck" genommen. Folge: ein massiver Shitstorm.
"Es gibt biologisch gesehen nur zwei Geschlechter – nämlich Mann und und Frau." Diesen Satz hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im "Heute"-Interview am 30. Jänner beim Thema Gendern gesagt. Mit einer Schrecksekunde von fast drei Wochen unterzog das Magazin "profil" die Aussage gemeinsam mit dem ORF einem "Faktencheck".
Nehammer-Aussage "falsch"
Die zuständige Redakteurin rückte bei ORF III an, um diesen "Faktencheck" zu untermauern. Ihre Grundaussage: "Meine Kollegin aus dem Wissenschaftsressort hat sich das angesehen. Sie ist zu dem Schluss gekommen: Diese Aussage ist falsch." So hätten biologische Frauen zwei X-Chromosomen, biologische Männer ein X- und ein Y-Chromosom im Zellkern. Leibetseder: "Das ist allerdings die Regel. Es gibt sehr viele Ausnahmen." Sie erwähnt etwa das "Klinefelters Syndrom", bei dem Burschen ein Y-Chromosom zusätzlich haben. "Es ist also nicht so, dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt. Es gibt Ausnahmen, deshalb liegt Karl Nehammer falsch."
Dann will ORF-Moderatorin Theresa Kulovits wissen, ob bekannt ist, wie viele Ausnahmen es von männlich und weiblich tatsächlich gibt. Da wird es kurios: Die Biologie sei sich uneinig und noch "zu keinem finalen Schluss" gekommen", so die "profil"-Redakteurin. Denn es gebe auch sehr seltene Ausnahmen, etwa zwei X- und zwei Y-Chromosomen. Oder auch Variationen, bei denen ein X- und ein Y-Chromosom im Zellkern vorliegen, der Körper also biologisch männlich ist, aber kein Testosteron produziert. "Man kann es also nicht genau sagen", so ihr Sukkus.
Man habe auch den Bundeskanzler mit den Recherchen konfrontiert, betont die Redakteurin. Der habe allerdings keine Antwort geschickt.
"Gendern ist ein wahnsinnig emotionales Thema"
Dann folgt noch eine Lehrstunde zum Unterschied zwischen Transgender und Intergeschlechtlichkeit und die Entstehung der Geschlechter, ehe die Moderatorin fragt, wieso der Bundeskanzler das Thema Gendern überhaupt so groß gemacht hat. Leibetseder: "Das Gendern ist ein wahnsinnig emotionales Thema. Wenn man das aufs politische Parkett wirft, kann man sich wirklich sicher sein, dass darüber diskutiert wird und das sehr viel Aufmerksamkeit generiert."
Vernichtendes Urteil für "profil" auf X
Sehr viel Aufmerksamkeit generierte allerdings auch der Tweet von "profil" auf X zu diesem "Faktencheck" mit den Worten: "Karl Nehammer behauptet, es gebe nur zwei Geschlechter. Die Biologie beweist das Gegenteil." Die Resonanz auf diesen Tweet war vernichtend. So schrieb etwa Martin Fieder, Uni-Professor am Department für evolutionäre Anthropologie an der Uni Wien: "GENAU das tut Biologie NICHT! Halte das kaum mehr aus diesen Unsinn – natürlich gibt es Menschen, die sich weder männlich noch weiblich zuordnen können. NUR dies begründet keine weiteren Geschlechter!"
Ein anderer Tweet empfiehlt der Redakteurin "dringend, einen Grundkurs in Biologie zu besuchen". Wieder ein anderer schreibt: "Das profil behauptet, es sei ein seriöses Medium, in dem Journalisten wissenschaftlich faktenbasiert und keinesfalls ,ideologisch' arbeiten. Dieser Post beweist das genaue Gegenteil." Der User mit dem Synonym "ngrywmn" bringt es so auf den Punkt: "Ein Faktencheck, der Blödsinn behauptet, ist einfach unsinnig. Mit sowas macht man sich einfach lächerlich."
„Bald gibt es sogar mehr Geschlechter als Abonnenten für Magazine wie ,profil‘.“
Wieder andere nehmen’s mit Humor: "Das Schöne ist: Bald gibt es sogar mehr Geschlechter als Abonnenten für Magazine wie 'profil'." "Ist der Fasching noch nicht aus?" "Mal wieder fetter Griff ins Klo." "Seid ihr besoffen?" Oder "Aaah, die Tagespresse hat den Namen geändert. Gut gemacht, fast hätte ich tatsächlich geglaubt, profil verbreitet derartigen Stumpfsinn", sind nur einige der Tweets dieser Art.
Noch eine kleine Auswahl: "Menschen haben auch zwei Arme und Beine, auch wenn das nicht auf alle zutrifft." Oder: "Selten so einen Unsinn gelesen. Gendefekte sind kein Geschlecht." Selbst der Mediziner Thomas Czypionka tadelt das "profil": "Das ist wirklich eine Fehlinformation von euch, schade."
FPÖ-Berater Lepuschitz mit "Faktencheck" bei "profil"
Auch der FPÖ-Berater Heimo Lepuschitz schaltete sich mit einem eigenen "Faktencheck" ein: Er versuchte, bei der Abo-Abteilung des "profil" ein solches zu bekommen. Beim Online-Formular kann man allerdings auch nur zwischen den Anreden "Frau" und "Herr" wählen, wie er mit einem Screenshot bewies.
"profil"-Chefredakteurin Anna Thalhammer fand die Diskussion weniger lustig. Wutentbrannt postete sie auf X: "Aus gegebenem Anlass will ich das jetzt nochmal twittern. Hier haben echt gar nicht so wenige Menschen (Trolle) jeglichen Anstand verloren. Meine Erfahrung: im echten Leben dann eh ganz klein mit Hut." Na dann …