"Niederösterreich ist ein Exportland, jeder zweite Euro wird außerhalb Österreichs verdient und jeder fünfte Arbeitsplatz hängt direkt oder indirekt vom Export ab", schreibt die Wirtschaftskammer Niederösterreich in einer aktuellen Aussendung.
In der Kammer herrscht helle Aufregung, denn der 2. April 2025 rückt immer näher – dann sollen weitreichende Zölle gegen so gut wie alle Handelspartner der USA in Kraft treten, sagte kürzlich der Außenhandelsexperte Harald Oberhofer zu "Heute". (Seine ausführliche Einschätzung lesen Sie hier.)
Aus dem flächenmäßig größten Bundesland Österreichs wurden 2022 rund 29,7 Mrd. Euro Exportwarenwert an Handelspartner geliefert. Zwar gehen etwa 85 Prozent der Warenausfuhren nach Europa (insbesondere nach Deutschland), doch die "USA sind für die niederösterreichische Wirtschaft der wichtigste Fernmarkt (außerhalb Europas)", heißt es auf der Plattform "Exportland Niederösterreich".
Der Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich, Wolfgang Ecker, drängt auf Entscheidungen und neue Handelsabkommen: "Um unseren Standort und damit den Wohlstand abzusichern und auszubauen, ist es dringend notwendig, ein exportfreundliches Umfeld für unsere Unternehmen zu schaffen."
Ecker ergänzt: "Ausverhandelte EU-Abkommen wie mit den MERCOSUR-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay müssen daher rasch umgesetzt und weitere Abkommen auf Schiene gebracht werden."
Ökonom Oberhofer erklärt die derzeitige Lage so: "Trump hat sich nun bekanntlich gegen Europa gewandt. Er ist ein Mann der alten Industrien, der weiß, dass man mit Stahl große Häuser bauen kann, weil er einst als Bauunternehmer groß geworden ist."
Und: "Trump findet Öl super, alles war schwer ist und nach Industrieprodukt aussieht. Dabei übersieht er, dass die USA zwar mehr Waren aus Europa importieren, als umgekehrt Europa aus den USA. Aber wenn man sich die digitalen Dienstleistungen ansieht, gibt es kein Handelsdefizit."
Oberhofer prognostiziert, dass Trump den USA wie auch den Europäern gleichermaßen wirtschaftlichen Schaden zufügen wird: "In Österreich trifft das vor allem Unternehmen im Automotive-Bereich, die Pharma- und Chemieindustrie sowie Medizinprodukte."
Diese Einschätzung teilt auch die Wirtschaftskammer in Niederösterreich. Präsident Ecker bewertet das völlige Ausscheren der USA hinsichtlich der lang gewachsenen Wirtschaftsverbindungen so: "Das zeigt deutlich, wie wichtig es gerade jetzt ist, unverzüglich die Zusammenarbeit mit anderen Wirtschaftsräumen zu vertiefen und den niederösterreichischen Unternehmen brauchbare Alternativen zu ermöglichen, sowohl bei der Beschaffung als auch bei der Vermarktung ihrer Produkte."
Jetzt sei es besonders wichtig, den Exportmotor am Laufen zu halten, sagt Ecker. Die WKNÖ sieht bereits erste Auswirkungen von Trumps unberechenbarer Haltung gegenüber vormaligen Partnern:
"Im ersten Halbjahr 2024 sanken die niederösterreichischen Warenexporte im Vorjahresvergleich um 4,9 Prozent auf 14,65 Milliarden Euro. Gleichzeitig wächst die Kluft zwischen der EU und anderen Wirtschaftsräumen wie den USA und China, die höhere Wachstumsraten verzeichnen."
Dieser negative Trend müsse dringend umgekehrt werden, heißt es weiter. Neue Handelsabkommen, wie MERCOSUR, leisten einen Beitrag zur Stärkung europäischer Wettbewerbsfähigkeit und würden Wachstumsimpulse setzen. Kritiker des Abkommens orten fehlende soziale Standards, befürchten Lohndumping und Verluste für heimische Produzenten, insbesondere in der Landwirtschaft.
Wirtschaftskammer NÖ-Präsident Wolfgang Ecker vertritt die Position der Befürworter des gigantischen Abkommens, das fertig ausgearbeitet vorliegt: "Die EU darf im internationalen Wettbewerb nicht weiter zurückfallen. Wir müssen unsere Handelsbeziehungen aktiv stärken und unterschriftsreife Abkommen endlich in die Tat umsetzen, anstatt uns in endlosen Diskussionen zu verlieren."
Doch was Ecker vorschlägt, geht gegen die bisherige Parteilinie der ÖVP, die sich seit 2019 immer wieder gehen MERCOSUR ausgesprochen hat. Das ging sogar so weit, dass Sebastian Kurz in seinem Wahlprogramm dagegen kampagnisierte.
Während sich Kurz mittlerweile zwischen Dünen in den arabischen Emiraten fotografiert und Millioneninvestments in seine Firma feiert, leistet der ÖVP-Bauernbund weiterhin Widerstand.
Die Wirtschaftsliberalen in der ÖVP scheinen aber immer mehr Druck zu machen, um das EU-Abkommen doch zu unterstützen. Das Abkommen erhielt zuletzt auch in den gescheiterten Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ die Zustimmung der Freiheitlichen, wie aus den Protokollen hervorgeht.
"Jedes zusätzliche Abkommen würde die heimischen Produkte in diesen Absatzmärkten konkurrenzfähiger und damit noch attraktiver machen", ist sich WKNÖ-Präsident Ecker sicher, denn, so argumentiert Ecker: "Der internationale Handel ist eine wesentliche Säule unseres Wachstums und Wohlstands."
Besonders für exportorientierte Wirtschaftsregionen wie Niederösterreich sei das Handelsabkommen von großer Bedeutung, meint Ecker: "Schon heute geht mehr als ein Viertel der niederösterreichischen Warenexporte in Nicht-EU-Länder."